Was für eine Idylle! Denkt man sich bei der Auffahrt zum Hof von Bartholomäus und Elisabeth Mayer auf dem Samerberg (Landkreis Rosenheim) in den Chiemgauer Voralpen in Oberbayern. Ein traditionelles, mehrstöckiges Bauernhaus, herausgeputzt mit üppig blühenden Geranien auf den Balkonen, ein gepflegter Rasen davor und daneben ein neuer Laufstall mit blinkenden PV-Modulen auf dem Dach.
Doch ein großer Wall frisch aufgeworfener Erde, der wie eine rießige Wunde aus dem Hang gegenüber vom Hof klafft, stört im Bild. „Ich traute meinen Augen kaum, als ich den Schaden morgens nach einer erneuten Nacht mit Starkregen auf meiner Fläche entdeckt habe“, sagt der junge Milcherzeuger heute – ein paar Wochen nach dem Ereignis – immer noch sehr betroffen.
Betriebsspiegel
- 60 Fleckvieh-Kühe mit Nachzucht
- 10.000 kg Milch pro Kuh und Jahr mit 4,25 % Fett und 3,6 % Eiweiß; Zellzahl: 75.000/ml
- Nutzungsdauer: 5,8 Jahre; EKA: 27 Monate, ZKZ: 360 Tage
- Abgangsleistung: durchschnittlich 45.000 kg Milch
- 40 ha Grünland am Hof, 17,8 ha Almweide auf 1.348 m und 14 ha Wald
- 2,3 Ak
- Betriebszweige: Milchkuhhaltung, Forstwirtschaft, Fernwärme mit Hackschnitzelheizung, Christbaumplantage mit Verkauf, Schnapsbrennerei vom eigenen Streuobst, Almwirtschaft mit Ausschank, Photovoltaik
Murenabgang durch Starkregen
Voran gegangen waren Anfang Juni etliche Tage mit ergiebigem Regen, der mit seinen Wassermassen auf einem der steilsten Stücke von Mayers Grünland schließlich zu einem Murenabgang geführt hat. Übrigens nicht der Einzige in der Region. „Im Hang hatte sich ein richtiger Wassersack gebildet, der schließlich geplatzt ist.“
Seit diesem Tag ist der Landwirtschaftsmeister Bartholomäus Mayer – an trockenen Tagen zwischen Silieren und Heuen – unablässig damit beschäftigt, die Fläche wieder instand zu setzen. Mit vier Muldenkippern wurden ca. 700 m3 Erde abgefahren. Mithilfe eines speziellen Schreitbaggers, der sich in der Mure festkrallen kann, füllt er derzeit große Steine und Erde in die Abbruchstelle. Geplant ist, einen unterirdischen Pufferspeicher – eine sogenannte Rigole – anzulegen, mit der die Fläche entwässert wird.
Gut ausgebildete Arbeitskräfte sind Mangelware
Als ob die übrige Arbeitsbelastung durch die 60 Fleckviehkühe, die Jungvieh-Alm mit Ausschank, die Christbaum-Plantage mit Baumverkauf, die Schnapsbrennerei von den eigenen Streuobstwiesen und durch die Forstwirtschaft mit Fernwärme nicht schon hoch genug wäre. „Die Milchkühe sind zwar unser wichtigster Betriebszweig, aber allein davon können wir angesichts der hohen Kosten, zum Beispiel für Energiefuttermittel, nicht leben“, begründet Mayer, der seine Milch aktuell für einen Preis von rund 49 ct/kg netto (inklusive Weidebonus) an die Milchwerke Berchtesgadener Land liefert.
Bei der täglichen Arbeit wird der Betriebsleiter von einem Lehrling unterstützt und auch seine Frau Elisabeth und Mutter Irmgard helfen, z.B. bei der Versorgung der Kälber oder auf der Alm, tatkräftig mit. Die Suche nach einer weiteren Arbeitskraft war bisher erfolglos, denn die Konkurrenz in der Region ist groß. Aus dem benachbarten Inntal werben Industrie- und Handwerksbetriebe die guten Leute ab.
Die Ausbildung von Lehrlingen hat Tradition auf dem Betrieb Mayer: „Ich muss als Ausbilder heute aber deutlich mehr Zeit in die Lehrlinge investieren als früher.“ Bartholomäus Mayer sitzt ehrenamtlich im Prüfungsausschuss für die Ausbildung zum Landwirt und hat beobachtet: „Der Freistaat legt immer weniger Wert auf die Ausbildungsqualität und setzt z.B. immer mehr fachfremde Lehrer ein. Das können wir uns hier als eine der größten Ausbildungsregionen in Bayern nicht leisten!“
Stall in einem halben Jahr wieder aufgebaut
Der 34-Jährige will keine Zweifel aufkommen lassen: Er lebt für die Kühe und den Hof. „Ich arbeite sehr gern, mag die vielseitige Ausrichtung und will etwas bewegen.“ Gleichzeitig sind ihm Traditionen und das Familienleben sehr wichtig. „Wir haben auch schon überlegt, einen Betriebszweig einzustellen oder wieder kleiner zu werden. Doch die Entscheidung, welcher das sein soll, fällt uns schwer. Wir machen einfach alles mit Herzblut.“
Harte Schicksalsschläge, wie ein Stallbrand 2017 und der frühe Tod des Vaters, konnten ihn nicht davon abbringen, weiter Milch zu produzieren. „Überleg‘s Dir gut“, hatte der Vater ihn noch gewarnt. „Weil wir in der Familie zusammenhalten und alle mitziehen, konnten wir schon zwei Monate nach dem Brand mit dem Bau eines neuen Laufstalles beginnen“, sagt Mayer. Mit viel Eigenleistung und Erfahrung im Bau hat er in nur einem halben Jahr den neuen Vierreiher mit Melkroboter, Laufhof und Weidetor für unter 10.000 € pro Liegeplatz errichten können.
Tradition: Almwirtschaft pflegen
Die gepachtete Feichteckalm mit ca. 18 ha Weidefläche und Ausschank bewirtschaftet die Familie schon seit 27 Jahren. Um die 60 Jungtiere von Mayer sowie weiteres Pensionsvieh verbringen den Sommer regelmäßig auf 1.348 m. Die tägliche Arbeit mit den Tieren übernimmt eine Sennerin. Am Wochenende helfen aber fast alle Familienmitglieder in der Bewirtung der Almgäste mit. „Wir profitieren vom Tourismus in der Region, gleichzeitig fordert er uns aber auch einige Nerven ab.“ Rücksichtslosen Radlern oder Wanderern, die nicht zur Seite gehen und unflätig reagieren, wenn er mit dem Güllefass kommt, begegnet ihm oft.
Ich arbeite sehr gern, mag die vielseitige Ausrichtung des Betriebes und will etwas bewegen.
Bartholomäus Mayer
Zusätzlich zur Alm bewirtschaftet der Betrieb in Hofnähe auf 690 m rund 40 ha. Von den 40 ha sind 7 ha in Hofnähe einigermaßen eben, der Rest sind Hänge zum Teil bis zu einer Steilheit von 30 %. Sie nutzt Mayer als Weiden für die Trockensteher oder mäht sie per Balkenmäher. „Weil wir keine Ackerfläche haben, benötigen wir für die intensive Milchviehhaltung ca. 10 ha mehr Fläche als Betriebe im Tal“, schätzt er. Die Konkurrenz um Fläche sei groß. Gerade auch von viehstarken Betrieben aus den Niederungsgebieten.
Eingeschränkt ist er in der Bewirtschaftung auch dadurch, dass einige Flächen als FFH-Magerwiesen eingestuft sind oder in einer Wasserschutz- und Erosionsschutzkulisse liegen. Im Dorf ist er der größte Betrieb. Maschinengemeinschaften kommen allein deshalb nicht infrage, weil seine Technik für die anderen Höfe mit im Mittel 25 Kühen in Anbindung überdimensioniert sind.
Die guten Wiesen erlauben dank hoher Niederschlagsmengen sechs bis sieben Schnitte. Die Qualität des Grundfutters sei gut. „Wir sind für die Grassilierung komplett eigenmechanisiert und schneiden alle vier Wochen.“ Neben regelmäßigen Gülle- und Mineraldüngergaben wird einmal alle drei Jahre nachgesät und Kalk aufgebracht. An sehr wechselhaftes Wetter mit kurzen Erntefenstern ist er hier am Alpenrand gewöhnt. An Regen kommen im Schnitt pro Jahr bis zu 1.400 mm/m2 runter. „Aus den Bergen kommt oft noch viel Hangwasser hinzu. Dass wir mit den Maschinen abrutschen, wochenlang nicht reinfahren können und der Aufwuchs älter wird, ist für uns nichts Neues.“
Armin und Karin Herger-Bärtsch bringen ihre Milch vom Hofstandort in 1.350 m Höhe selbst ins Tal. Auch die schwankenden Futterqualitäten und der Wolf fordern den Familienbetrieb heraus.
Auf Zukaufsfuttermittel angewiesen
Im Stall füttert er eine Teil-TMR mit zwei Dritteln Grassilage. Silomais sowie Pressschnitzel oder Biertreber muss er komplett zukaufen. „Mais und Getreide wachsen bei uns auf dem Hochplateau nicht.“ Zu kalt, zu kurze Vegetationsperiode und zu schwere, steinige Böden. In die Ration im Mischwagen kommt außerdem eine Energiemischung mit Weizen und Gerste sowie Körnermais. Im Roboter erhalten die Fleckviehtiere momentan Kraftfutter mit 16/4 und 40/4. In der Spitze sind das bis zu 8,5 kg inkl. der Energiemischung aus der Teil-TMR. Heu gibt‘s immer ad libitum.
Dass wir mit den Maschinen abrutschen oder wochenlang nicht reinfahren können, ist nichts Neues.
Bartholomäus Mayer
Mit der Milchleistung seiner Fleckviehherde mit leichtem Rotbunteinschlag ist Bartholomäus Mayer zufrieden, möchte sie aber noch steigern. Das genetische Potenzial dafür sei da, das zeigten die Typisierungsergebnisse der Herde. Dank des neuen Stalles, aber auch dank einer gezielteren Anpaarung guter genomischer Jungbullen habe er bereits deutliche Steigerungen erreicht. Im Jahr 2018 habe die Leistung noch bei rund 8.000 kg gelegen. Etwa zehn Jungtiere verkauft er pro Jahr über den Zuchtverband in Miesbach, von besonders hoch dotierten Tieren macht er ET.
Im Stall laufe es rund, mit den 60 Melkenden am Roboter kommt er aktuell auf 2,8 Melkungen am Tag. Über ein Weidetor gelangen sie vom Stall erst in den Laufhof, wo sie die Wahl haben zwischen außenliegenden Hochboxen oder Weidegang. Zwei Stunden vor dem nächsten Melkanrecht lässt Mayer sie nicht mehr raus. Aktuell liegt die Zwischenkalbezeit im Schnitt der Herde bei 360 Tagen. „Doch das will ich ändern, damit sie nicht mit über 20 Liter Milch zum Trockenstellen kommen“, so der umtriebige Landwirt. Er ist selbst viel zwischen den Kühen, z.B. für die Eigenbestandsbesamung oder für die Brunstbeobachtung. Denn auf die Aktivitätsmessung allein könne man sich nicht verlassen. „Ich möchte eine gesunde Herde, nur so kommt die Milch und die Tierarztkosten bleiben niedrig.“
Wie geht es weiter?
Die verschiedenen Betriebszweige bedeuten viel Arbeit. Familie Mayer macht das nichts aus. „Der politische Druck, die zunehmende Bürokratie aber auch der Wolf, der sich von der Grenze zu Österreich zu uns vorarbeitet, belasten uns viel mehr“, sagt das junge Paar. In nächster Zeit heißt es für den Betrieb erstmal, Schulden tilgen. Im letzten Jahr wurde ein neues Fahrsilo angelegt und ein Güllefass gekauft. Außerdem kommen für die Behebung der Schäden durch den Murenabgang weitere Kosten von ca. 40.000 € auf ihn zu. Bartholomäus Mayer ist ernüchtert: „Die Aussage des Amtes war, dass die Soforthilfe Hochwasser seit 2022 bei Starkregen-bedingten Schäden nicht mehr greift. Warum, weiß ich bis heute allerdings nicht.“
Hanglage und wenig Platz: Peter Raich hat seinen Kuhstall in Österreich an die örtlichen Gegebenheiten angepasst – und das in Eigenregie.
Das hat uns beeindruckt:
Hohe Motivation und Resilienz
Auf den ersten Blick wirtschaftet Familie Mayer in einer Gunstlage für die Milchproduktion. Doch sieben Schnitte holen sie nur von wenigen Flächen: Viele Schläge sind Hanglagen oder Schutzzonen. Hier ist die Bewirtschaftung mit Auflagen und mehr Handarbeit verbunden, der Ertrag ist vielfach eingeschränkt. Energiefuttermittel und Stroh muss er komplett und teuer zukaufen. Das und mehrere Schicksalsschläge – ein umfangreicher Stallbrand und der frühe Tod des Vaters – hielten den jungen Hofnachfolger Bartholomäus Mayer nicht davon ab, wieder in die Milchkuhhaltung zu investieren und andere Betriebszweige auf- und auszubauen. Überhaupt ist die komplette Familie hoch motiviert, alle Betriebszweige erfolgreich zu führen und Traditionen fortzuführen.
Erfolgsfaktoren im Stall
Passion für Kühe
Bartholomäus Mayer bezeichnet sich selbst als Kuhmensch „durch und durch“. Überhaupt teilt die gesamte Familie die Liebe zu den Kühen. Er ist gern im Stall und will die Herde voranbringen, gleichzeitig kann er hier sein Faible für Technik und Bauen ausleben. Sein Motto: „Was man gern macht, macht man auch gut. Dann ist es auch nicht so wichtig, wieviel Stunden man in der Woche arbeitet.“
Neuer Stall mit einfachen Achsen
Der Betriebsleiter hat den neuen Stall nach einem Brand selbst geplant. Ihm war ein kompakter Stall mit einfacher Achse und integriertem Jungviehbereich wichtig, um die Tiere auf kurzem Wege umgruppieren zu können. Außerdem schätzt er das leichtere Management und die bessere Übersicht über den Bestand.
Gute Vermarktung
Seine Fleckviehtiere sind durch die Doppelnutzung an den Auktionen des Zuchtverbandes Miesbach sehr gut vermarktbar.