Es ist ein heißer Sommertag, überall in und rund um Bartholomäberg in Vorarlberg sind die Bauern auf den Wiesen unterwegs und nutzen das Wetter für die Heuernte. Auch Milcherzeuger Peter Raich würde jetzt normalerweise auf dem Schlepper sitzen. Stattdessen übernimmt sein Vater die Arbeit und der Betriebsleiter zeigt uns seinen innovativen Stall. „Der Futtertrog ist das Einzige, was von der Anbindehaltung übrig geblieben ist“, sagt Peter Raich und blickt auf den teils mit Holzbrettern verschalten Trog sowie die Vorrichtung für die Ketten der ehemaligen Anbindehaltung. Seit 1968 fressen hier Milchkühe.
Noch heute legt der Milcherzeuger dort seinen elf Kühen der Rasse Brown Swiss und Fleckvieh Heu oder frisches Gras vor. Allerdings bewegen sich die Tiere dahinter nun frei durch den Boxenlaufstall. Denn schon nach der Hofübergabe im Jahr 2000 errichtete der gelernte Installateur einen Laufstall für die Milchkühe mit fünf Tiefboxen. 14 Jahre später folgte die Erweiterung um sechs Liegeboxen sowie einen teilweise überdachten Auslauf mit Blick ins Tal.
Betriebsspiegel
- 11 Kühe (6 Brown Swiss und 5 Fleckvieh) und 8 Jungtiere
- 7.700 kg Milch mit 3,91 % Fett und 3,41 % Eiweiß
- 67.000 Zellen/ ml
- Heumilch
- 17 ha Grünland, 4 ha Wald
- 1,5 AK
- 15 KW PV-Anlage
- Ferienwohnung
Zeit, Nerven und Man-Power
„Wir haben acht Wochen lang von morgens sieben Uhr bis spät in die Nacht den Stall umgebaut“, berichtet der 46-Jährige und fügt hinzu: „Gut, dass ich damals noch jung war.“ Denn den Stallbau haben Peter Raich, seine Familie und Freunde ausschließlich in Eigenleistung durchgeführt. Lediglich bei der Planung hat ihn ein Stallberater der Landwirtschaftskammer unterstützt.
Was für Milcherzeuger auf einem ebenen Standort ein Kinderspiel sein mag, ist für solche wie der auf 940 Meter gelegene Milchkuhbetrieb Raich eine große Herausforderung. Teilweise mussten Felsen weggestemmt werden, um überhaupt Beton gießen zu können. Die Stallerweiterung kostete nicht nur Zeit, Nerven und Man-Power, sondern auch eine Bruttoinvestitionssumme von 6.500 Euro/ Kuhplatz. 20 Prozent der gesamten Investition wurden gefördert. „Wir können von Glück sprechen, dass wir auch für die Eigenleistung vor zehn Jahren noch eine Förderung in Anspruch nehmen konnten“, sagt Peter Raich und grinst.
Wir haben acht Wochen lang von morgens 7 Uhr bis spät in die Nacht den Stall umgebaut.“
Peter Raich
Eingebettet in Serpetinenstraße
Die Tatsache, dass der Kuhstall am Hang liegt, ist eine Sache. Aber auch die beengten Platzverhältnisse haben den An- und Umbau erschwert. Denn der Stall liegt genau eingebettet im Kurvenbereich einer Serpetinenstraße. Von der Stallwand bis zur Fahrbahn sind es nur 6 m. Auf der anderen Hofseite grenzen die benachbarten Wohnhäuser an.
Neubau zu teuer
Auf unsere Frage, ob ein Neubau an einem anderen Standort eine Alternative gewesen wäre, antwortet er: „Ja, das wäre auch möglich gewesen. Aber schon vor 20 Jahren hätte ein Stall für nur 14 Kühe inklusive Heulager mindestens 600.000 Euro gekostet“. Heute wäre die Summe wahrscheinlich ein Vielfaches davon. Aus diesem Grund entschied sich der Betriebsleiter gegen einen Neu- und für einen Anbau. Großer Vorteil ist auch, dass jetzt die gesamte Herde unter einem Dach untergebracht ist.
Denn im Jahr 2011 errichtete Peter Raich angrenzend an den Kuhstall einen Boxenlaufstall für die Jungrinder mit insgesamt zehn Liegeboxen und begehbarer Begrünung auf dem Dach. Zwischen dem Jungviehstall und dem Albteil für die Kühe hat Peter Raich außerdem einen Melkstand in das vorhandene Altgebäude integriert. „Früher wurde in dem Raum Laub für Einstreu gelagert. Stroh war hier in der Region schlecht verfügbar“, erläutert Peter Raich. Hier melkt der zweifache Familienvater nun morgens und abends in 45 Minuten seine elf Tiere.
Schon vor 20 Jahren hätte ein Stall für 14 Kühe inklusive Heulager mindestens 600.000 Euro gekostet.“
Peter Raich
Das Beste für Kuh und Mensch
Schon beim Öffnen der Schiebetür zur Melkgrube fällt auf, dass es angenehm kühl ist und keine lästigen Fliegen umher schwirren oder sich auf der hellen, mit Epoxidharz beschichteten Wand niederlassen. Da der Melkstand „in den Berg“ gebaut wurde, ist er im Winter sehr gut gegen Kälte geschützt. „Die Anordnung des Melkstandes ist nicht ideal, aber unter unseren Bedingungen musste man beim Umbau nunmal Kompromisse eingehen“, erklärt Peter Raich. Denn der Melkstand grenzt nicht direkt an den Laufgang, sondern die Kühe gelangen über eine kleine Betonstufe und wenige Schritte auf dem „Futtertisch“ zu den einseitig angeordneten Melkplätzen.
Auslauf auf kleinem Raum
Ist das Melken beendet, haben die Tiere die Wahl zwischen Boxenlaufstall oder Auslauf. „Hier halten sich die Kühe besonders gerne auf“, sagt Peter Raich und krault seine Kuh Desi, die gerade ihr Wellnessprogramm unter der Kuhbürste beendet hat, am Kopf. Ausgestattet ist der Auslauf außerdem mit einer Kraftfutterstation und einem Klauenstand. „Klauenpflege ist Chefsache“, schmunzelt der Milcherzeuger. Das zusätzliche Angebot von Kraftfutter gleiche vor allem das Energiedefizit zu Laktationsbeginn aus und habe den Besamungserfolg verbessert.
Der einzige Nachteil des Auslaufes ist, dass dieser händisch gereinigt werden muss. Der Laufgang im Stall verfügt stattdessen über eine automatische Schieberanlage sowie einen beheizbaren Betonboden. Das sei vor allem im Winter ein großer Vorteil.
Im Sommer auf der Alm
Im Sommer steht der gesamte Jungrinderstall leer. Auch im Kuhstall sind nur noch wenige Kühe. An heißen Tagen wie heute, wenn es den Kühen zu warm wird, bringt der Milcherzeuger seine Herde statt tagsüber nur nachts auf die Weideflächen. Diese befinden sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite. „ Unsere Jungrinder und Trockensteher sind von Mitte Juni bis Ende September auf der Alm und werden dort fremd betreut“, erklärt Peter Raich.
Deshalb ist es sein Ziel, so viele Kühe wie möglich bis Ende Juni trocken zu stellen, damit im Sommer neben der Heuernte nur wenig Routinearbeiten anfallen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Kühe im besten Fall nur einmal besamt werden. Nehmen sie beim ersten Mal nicht auf, werden sie mit Fleckvieh besamt.
Aus diesem Grund besitzt er aktuell sechs Kühe der Rasse Brown-Swiss und fünf der Rasse Fleckvieh. „Mir ist egal, was raus kommt. Hauptsache die Tiere sind gesund“, erzählt Peter Raich. Kühe wie Daniela, die schon in der 12. Laktation ist und bald 100.000 Liter erreicht hat, bleiben mit Absicht auch im Sommer im Tal. „Die Alm ist sehr steil. Das möchte ich vor allem den alten Damen nicht mehr antun“, sagt Peter Raich.
60 m² große Heubehälter
Vom Jungrinderstall führt eine Treppe hinauf zum Heulager. Wir steigen nacheinander die Holztreppe hinauf und erreichen das Heulager, das sich über dem Laufstall erstreckt. Aufgrund der Hanglage ist das Lager von zwei Seiten befahrbar. Der Milcherzeuger zeigt uns die zwei, jeweils 60 m² großen Heubehälter sowie den Heukran und sagt: „Hier passen insgesamt 600 m³ Heu rein- also unser gesamter erster Heuschnitt.“
Die restliche Erntemenge wird lose auf dem Dachboden gelagert bzw. in Quaderballen gepresst. Insgesamt drei Heuschnitte macht der Milchkuhbetrieb im Jahr. Im Herbst beweiden die Jungrinder und Kühe schließlich das Grünland. „Bis es schneit, bleiben unsere Tiere draußen“, sagt Peter Raich. Allerdings wird die Weidedauer sowohl auf der Alm als auch im Tal stark vom Klimawandel beeinflusst.
Heuqualität beeinflusst Milchmenge
So gab es beispielsweise im Frühjahr vergangenen Jahres laut Peter Raich keinen einzigen Tag mit gutem Wetter. Vor allem für die Heuernte sei das eine große Herausforderung gewesen. Die schlechtere Heuqualität wirke sich sofort negativ auf die Tiergesundheit sowie Milchleistung aus. Im Jahr 2019 erreichten seine Kühe eine durchschnittliche Milchleistung von knapp 9.000 kg. 2023 waren es hingegen nur noch 7.700 kg Milch pro Kuh und Jahr. „In trockenen Jahren mussten wir auch schon Futter zukaufen“, erzählt er.
Der Familienbetrieb kann sich in niederschlagsreichen Jahren glücklich schätzen, eine Hackschnitzelheizung für die Heutrocknung zu besitzen. Statt teures Öl zu kaufen, wird das eigene Holz zu Hackschnitzeln verarbeitet. Neben 17 ha Grünland gehören nämlich 4 ha Wald zum Betrieb. Seit einem Jahr ist das Dach der Scheune mit einer 15 KW-PV-Anlage ausgestattet. Den Strom nutzt die Familie für den Eigenverbrauch und für eine an das Wohnhaus angrenzende Ferienwohnung.
Zweites Standbein
Mit der Vermietung einer Ferienwohnung haben sich Raichs vor sechs Jahren ein zweites Standbein aufgebaut. „Die Nachfrage ist hoch und wir sind sehr glücklich über diese Investition, die wir dank Förderung tätigen konnten“, sagt Peter Raich. Die Kombination von Bauernhof und Ferienwohnung schaffe ein gutes Image für die Landwirtschaft.
Es rattert ständig in meinem Kopf. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen.“
Peter Raich
„Es rattert ständig im Kopf“
„Wir könnten auch alleine von der Landwirtschaft leben, aber zum Frühstück gebe es dann nur ein Marmeladenbrot“, schmunzelt Peter Raich. Bevor wir wieder die Holztreppe herab steigen und der Betriebsleiter seine Heuernte fortsetzen kann, erzählt er: „In meinem Kopf rattert es ständig. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen für unseren Milchkuhbetrieb und meine Familie.“
Das hat uns beeindruckt:
Ideenreichtum und Eigenregie
Der begrenzte Platz und die Hanglage waren für den Milcherzeuger kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Er konnte seine durchdachten Ideen umsetzen und hatte dabei immer die Wirtschaftlichkeit im Blick: In Eigenregie und mit Unterstützung von Familie und Freunden entstand ein innovativer Stall. Bemerkenswert ist, dass es Peter Raich gelungen ist, vorhandene Räumlichkeiten so umzubauen, dass sie heute eine enorme Arbeitserleichterung darstellen und gleichzeitig für mehr Tierwohl sorgen. An Mut und Ideen für die Zukunft mangelt es nicht. So möchte er beispielsweise in naher Zukunft den Futtertrog so optimieren, dass eine Futtervorlage pro Tag ausreicht.
Kuhverstand
Betritt man den Stall, ist sofort erkennbar, dass Peter Raich vor allem aus Sicht der Kuh jede einzelne Bauentscheidung getroffen hat. Die Tiergesundheit liegt ihm sehr am Herzen. Das wird auch an der Lebensleistung seiner Kühe deutlich: Mit durchschnittlich 45. 712 kg Milch haben seine Kühe 2023 den Betrieb verlassen. Vier von zehn Kühen sind mindestens in der 5. Laktation. Auch die Eutergesundheit ist mit 67.000 Zellen/ ml im Vergleich zu dem Durchschnitt der Betriebe in der Gemeinde und des Bundeslandes überdurchschnittlich gut.
Erfolgsfaktoren im Stall
Luft, Licht und Sauberkeit
Peter Raich hat keine Kosten und Mühen gescheut, auch in einem Stall für „nur“ 11 Kühe in Tierwohl zu investieren. So stehen seinen Kühen rund um die Uhr ein Auslauf, mit Stroh eingestreute Tiefboxen und eine Bürste zur Verfügung. Nicht nur der Kuhstall ist mit einer automatischen Schieberanlage ausgestattet, sondern auch der Jungviehstall. Im Melkstand achtet der Betriebsleiter stets auf Melkhygiene und Sauberkeit.
Qualitatives Heu
Da die Kühe auf dem Heumilchbetrieb kein Gärfutter fressen dürfen, ist der Betrieb auf hochwertiges Heu angewiesen. Nicht nur aus Pflichtbewusstsein, sondern vor allem aus Überzeugung sorgt Peter Raich dafür, dass seine Tiere nur bestes Heu bekommen - auch wenn das bei niederschlagsreichem Wetter eine große Herausforderung ist.
Klauenpflege
Neben der Fütterung ist ihm die Klauengesundheit seiner Kühe sehr wichtig. Ist eine Kuh auffällig, kommt sie sofort in den Klauenstand. Der Klauenstand befindet sich im Auslauf. Ohne Probleme kann Peter Raich dort alleine die Klauenpflege durchführen.