In engen Serpentinen gelangt man vom Tal des Flüsschens Landquart nach Furna auf 1.350 m Höhe. Milcherzeuger Armin Herger vom „Hof Bild“ kennt die Kurven in- und auswendig. Denn im Winterhalbjahr fährt er sie mit seinem Pick-up jeden zweiten Tag, oft auch mit Schneeketten. Dann lädt er nach dem Melken seiner 17 Brown Swiss-Kühe den mit rund 700 Litern gefüllten Milchtank per elektrischer Seilwinde auf die Pritsche und fährt hinunter zur Milchsammelstelle in 7 km Entfernung. „Der Sammelwagen fährt nicht bis zu uns hoch, außerdem bin ich von uns drei Milchlieferanten im Dorf der Einzige mit Biomilch. Da kommt einfach zu wenig Menge zusammen.“
Betriebsspiegel
- 17 Brown Swiss-Kühe und 30 Jungtiere
- 6548 kg Milch mit 3,82 % Fett und 3,11 % Eiweiß, 47.000 Zellen/ml
- 28 ha Grünland, zwei Drittel in Bergzone 4
- 2,5 AK
- Direktvermarktung von Alpkäse, Alpbutter, Fleisch, eigens hergestellte Kuhschellen
Dem jungen Bio-Landwirt bleibt nichts anderes übrig, als den zusätzlichen Aufwand für den Milchtransport – der Landwirt ist dafür rund eine Stunde unterwegs – in Kauf zu nehmen. „Ich muss zwischen 7:20 und 7:30 Uhr am Sammelplatz sein und die Milch sollte bereits auf unter 5 °C runtergekühlt sein. Das ist gerade morgens so kurz nach der Melkzeit oft stressig.“ Wenigstens könne man dadurch die Transportpauschale sehr tief halten. „Statt heute 5 Franken pro Halt müssten wir bei Hofabholung über 40 Franken bezahlen“, sagt der Familienvater. Dabei entspricht 1 Franken 1,03 Euro. Positiv sei daran außerdem, dass man dabei Berufskollegen treffe und sich austauschen könne.
Früher, als er noch konventionell Milch erzeugte, hat der Milcherzeuger durch die Kälbermast auf dem Hof die eigene Milch vertränkt. „Aber Biokälber zu mästen, rechnet sich nicht.“ Um für den Milchtransport eine sich lohnende Menge zusammenzubekommen, blockt Familie Herger die Abkalbungen auf die Monate September bis Dezember. „Damit das klappt, bin ich in der Stallperiode alle zwei Stunden zur Brunstbeobachtung im Stall.“
Damit genug Milch für den Transport zusammen kommt, blocken wir die Kalbungen auf September bis Dezember.
Betriebsleiter Armin Herger
An der Sammelstelle wird die Milch von seiner Produzentenorganisation Mooh erfasst und in verschiedene Absatzkanäle vermarktet. Da es im Tal keine größere Biokäserei gibt, hat er keine Alternative. Die Wertschöpfung seiner Biomilch könnte besser sein: Zuletzt erhielt Herger für 1 kg Milch 75 Rappen (78 Cent). „Wir müssen sehr viel Abzüge hinnehmen. Zum Beispiel verlieren wir 3 Rappen aufgrund der futterbedingt niedrigen Inhaltsstoffe.“
Alles von Hand, aber intensiv
Die Alpwirtschaft ist ein zentraler Bestandteil des Konzepts vom Hof Bild. „Ohne die Alp hätten wir zu wenig Futter für die Herde. So können wir den kompletten Aufwuchs von fast allen Flächen für das Winterfutter, Grassilage und Heu, nutzen“, sagt Herger. Die Hänge am Betriebsstandort seien für die Weidehaltung zudem vielfach zu steil, im Frühjahr auch zu nass.
Erst in höheren Lagen und auch auf den Alpflächen werden sie wieder etwas flacher. Zwei Drittel der 28 ha liegen in Bergzone 4 (die höchste Bergzone) , der Rest in Zone 3. Die Vegetationsperiode ist kurz, sie beginnt erst Ende April und oft fällt Mitte Oktober schon mal Schnee. „Die Futterqualität ist nicht mit dem Futter vom Tal zu vergleichen, eine gute Qualität zu erzeugen, ist eine echte Herausforderung.“ In diesem Jahr besonders, da es wie vielerorts überdurchschnittlich viel geregnet hat. Erst Mitte Juni gab es endlich einmal ein ausreichend langes Zeitfenster fürs Heuen, das in den einzelnen Höhenlagen jeweils gestaffelt vorgenommen wird. „Um möglichst flexibel zu sein, sind wir komplett eigenmechanisiert.“
Junges Heu und eine gute Grassilage sind dem jungen Landwirt wichtig: „Wir wollen möglichst viel Milch aus dem Grundfutter melken und die Leistung sowie die Inhaltsstoffe noch etwas steigern.“ Reine Heumilchproduktion kommt für ihn nicht infrage: „Der Absatz reiner Heumilch-Produkte entwickelt sich am Markt eher schleppend. Und auch die Biomarge könnte besser sein.“ Bei den eigenen Kunden zähle eher die Regionalität der Produkte und nicht das Biolabel, ergänzt Karin Herger-Bärtsch.
Viehbestand anpassen
Die 4 ha arrondierter Fläche fährt der Betrieb mit drei Schnitten für die Lage recht intensiv, im Herbst wird sie von den Kühen noch abgeweidet. Der erste Schnitt kommt in der Regel auf den Heustock mit 650 m3, der zweite in die beiden Hochsilos. Im Frühjahr und Frühsommer bringt er jeweils Gülle per Verschlauchungstechnik aus. Aufgrund der steilen Hänge unterliegt er nicht der Schleppschlauch-Pflicht und darf daher von der Straße aus per Weitwurf-Düse Gülle ausbringen. Mist spiele laut Herger eine untergeordnete Rolle.
Die Herde ist auf den Alpweiden nachts öfter unruhig und brüllt. Wir vermuten den Wolf als Ursache.
Armin Herger
Auf die immer wieder schwankenden Futterqualitäten und Futtermengen reagiert Armin Herger mit der Anpassung des Viehbestandes. Denn Futtervorräte anzulegen, geht kaum. Im sehr trockenen Sommer 2018 hat er den Bestand aufgrund von zu wenig Aufwuchs auf 14 Kühe abgestockt und das Jungvieh an andere Betriebe abgegeben. Futterzukauf war dennoch unvermeidlich. „Weiter runter mit dem Bestand konnten wir aber nicht, denn das ist ja unsere Lebensgrundlage.“ Den Anteil an Ökoflächen hat er im Laufe der Zeit reduziert, um mehr gutes Futter zu haben und um auch die Gülle unterbringen zu können.
Alpweiden: Gefahr von Wolfsrissen
Gemeinsam mit rund 78 Kühen von sieben anderen Bauern aus Furna verbringen seine Tiere den Alpsommer in 1.745 m Höhe. In diesem Jahr begann die Saison auf den Hochweiden erst Anfang Juni, sonst Ende Mai. Meist grasen die Tiere hier bis Anfang September. Alle zwei Tage kommen sie auf eine andere der insgesamt 20 Weideparzellen. Auch diese Flächen werden nach der Beweidung vielfach noch ausgemäht und von Ampfer, Borstgras oder kleine Baumschößlinge befreit. „Durch den Klimawandel wächst hier oben inzwischen deutlich mehr.“
Die sehr gut erschlossene Genossenschaftsalpe mit modernen Gebäuden und einem komfortablen 1 x 8er-Side-by-Side-Melkstand wird von drei bewährten Fremd-AKs bewirtschaftet: „Das gibt uns ausreichend Zeit zum Heuen, denn schließlich müssen wir alle Flächen mit dem handgeführten Motormäher mähen und das Heu zum Teil mit dem Laubbläser ins Tal blasen.“ Allerdings nimmt ihn seit diesem Jahr auch die Aufgabe des sogenannten Alpmeisters mehr in Beschlag: So ist Armin Herger dafür zuständig, dass auf der Alp alles läuft. Aktuell gibt es z.B. Probleme mit der Milchkühlung, um die er sich kümmern muss. Und auch die Gefahr von Wolfsrissen auf den Hochweiden ist mittlerweile real: In der Region Prättigau sind mehrere Fälle bekannt. „Die Herde ist nachts öfter unruhig und brüllt. Wir vermuten zudem, dass die Sehnenzerrung bei einer Kuh davon kam, dass sie von einem Wolf gejagt wurde.“
Frühe Hofübergabe
Trotz der erschwerten Bedingungen mussten Karin und Armin Herger nicht lange überlegen, als es um die Hofübernahme ging. Das lag nicht zuletzt an dem komfortablen und durchdachten Laufstall aus Holz, den Karin Herger-Bärtschs Vater, Lieni Bärtsch, 2012 errichtet hat. Um dem jungen Paar Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, hat er ihnen den Betrieb schon im Alter von 56 Jahren übergeben und ist dann mit seiner Frau von der Hofstelle weggezogen. Armin und Karin Herger wissen das ebenso zu schätzen wie seine tatkräftige Mitarbeit in der Saison. Im Winter bewirtschaftet der Hofnachfolger mit seiner Familie den Betrieb allein.
Der erste Schritt des jungen Paares als eigene Betriebsleiter war die Umstellung auf Biomilch-Erzeugung. „Wir mussten dafür lediglich das Kraftfutter umstellen und den Pflanzenschutz gegen Ampfer reduzieren.“ Die rund 300 kg Bio-Kraftfutter pro Kuh und Jahr, die es über die Station gibt, kaufen sie zu. Pro Tag beträgt die Menge maximal 2 kg pro Tier. Sonst besteht die Ration aus zwei Drittel Heu und ein Drittel Silage.
Die reine Liegehalle mit 18 Kuhplätzen bietet großzügige Liegeboxen mit einer Kalk-Stroh-Matratze. Zum Fressen gehen die Tiere in den als Fresshalle umgebauten ehemaligen Anbindestall. Vom Laufhof haben sowohl die Kühe als auch das Jungvieh einen Blick ins Tal. Entmisten kann man ihn sowie den breiten Laufgang im Stall per Hoflader. Besonders praktisch dafür auf dem Laufhof: Die zwei Abwurfschächte für Mist. Gemolken wird im Winter in einem 4er Side-by-Side-Melkstand.
Ohne Direktzahlungen trägt sich der Betrieb nicht, aber dafür müssen wir auch Leistungen erbringen.
Armin Herger
Weil zuletzt überwiegend Bullenkälber auf die Welt kamen, fehlte Armin Herger eigene Nachzucht. Er musste Kühe zukaufen. Auch die saisonale Abkalbung und die Alpung bringe manchmal frühere Kuhabgänge mit sich. Daher liegt die Lebensleistung aktuell nur bei 23.000 Liter. Die Stierkälber kann er gut an benachbarte Kälbermäster verkaufen.
Kleine Direktvermarktung
Familie Herger bietet ihre eigenen Produkte, wie Alpkäse, Alpbutter und Fleisch, in einem Kühlschrank vor der Haustür an. Oder auf der Alp, wo Wanderer bewirtet werden. Der Absatz laufe gut, auch wenn sie dafür wenig Werbung machen. Ein kleiner Nebenerwerb stellt außerdem die Produktion von Kuhglocken dar. Rund um Furna werde eher sanfter Tourismus gelebt, die Akzeptanz für die noch verbliebene Landwirtschaft ist gut. Mit Kuhpatenschaften betreibt der Familienbetrieb selbst etwas Öffentlichkeitsarbeit für die Milcherzeugung.
„Für Furna und die Region wäre es wichtig, dass die landwirtschaftlichen Betriebe weiter existieren“, sagt Armin Herger. Drei hätten unlängst mangels Nachfolger bereits aufgehört. Das politische Klima mit der SVP in der Regierung sei aktuell gut für die Landwirtschaft. Der Vater von zwei Kindern sagt ganz klar: „Der Betrieb trägt sich ohne Direktzahlungen nicht. Aber im Gegenzug müssen wir auch Leistungen erbringen.“
Aktuell laufe im Betrieb alles rund, sagt das junge Landwirtspaar: „Unsere verfügbaren Ressourcen, z.B. an Futter, Platz oder Arbeitskräften sind optimal aufeinander abgestimmt. Und das soll auch so bleiben.“ Aktuell wird auf dem gedämmten Stalldach eine 30 kW-PV-Anlage montiert. Sie soll vor allem zum Betreiben der Heubelüftung und der Energieversorgung im Wohnhaus dienen. Weitere Investitionen sind nicht geplant, jetzt heißt es erstmal noch „Schulden tilgen“.
Das hat uns beeindruckt:
Stimmiges Betriebskonzept
Das rundum stimmige und an die verfügbaren Ressourcen angepasste Betriebskonzept hat uns beim Betriebsbesuch besonders beeindruckt.
Passion für Kühe und Tradition
Der Betriebsleiterfamilie ist nicht nur ihre Passion für die Kühe anzumerken, sondern auch ihr Wille, regionale Traditionen zu pflegen. Sie schätzen und genießen die Alpwirtschaft im Sommer und sind bereit, für ihren Erhalt auch mehr Arbeit in Kauf zu nehmen.
Wertschätzung des Familienlebens
Dennoch haben sie alles gut im Griff, sie kennen ihre Grenzen und halten den Wert des Familienlebens hoch.
Erfolgsfaktoren im Stall
Komfortabler Laufstall mit Laufhof
Mit Weitsicht und viel Planung hat der Betrieb an einem herausfordernden Standort am Hang eine pfiffige Umbaulösung für den alten Anbindestall realisiert. Jetzt stehen nicht nur den Kühen, sondern auch dem Jungvieh komfortable Liegeboxen, breite Laufgänge, eine Abkalbebox sowie ein super Laufhof zur Verfügung.
Intensive Tierbeobachtung
Armin Herger ist in der Winterperiode alle zwei Stunden zur Brunstbeobachtung im Stall. Damit garantiert er, dass alle Kalbungen zwischen September und Dezember erfolgen und er dann im Folgeherbst genug Milch abliefern kann.
Grundfutter satt
Viel Heu und viel Grassilage im Winter, Weidefutter im Sommer. Armin Herger legt viel Wert auf die Qualität des Grundfutters, um möglichst wenig Futter zukaufen zu müssen. Zumal Zukauffutter im Biobereich teuer ist. Er fährt die Wiesen trotz der Steillagen relativ intensiv und fängt für die Region früh an zu heuen.
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