Milchproduktion Norditalien

Gesündere Euter mit Heumilch

Familie Niederstätter (Südtirol) produziert seit einem Jahr mit 30 Holsteinkühen Heumilch. Trotz der schwierigen Energieversorgung der Kühe sind sie begeistert.

Es regnet Bindfaden, als wir auf das Betriebsgelände des Stürzhof in Aldein (Südtirol) fahren. Michael Niederstätter winkt uns rüber in den Eingang des alten Stallgebäudes. 2015 hat die Familie hier angebaut und ist mit 17 Holsteinkühen aus der Anbindung in den neuen Laufstall umgezogen. Heute melken Niederstätters 29 Holsteins und eine Simmentalkuh. Michael öffnet die Holztür, die den alten, dunklen Stall vom Futtertisch im neuen Laufstall trennt.

Milchproduktion in Norditalien

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Erst mit dem Bau der Heutrocknung wurden die Pläne zur Umstellung auf Heumilch konkreter. (Bildquelle: Simon)

Trotz des grauen Wetters wirkt der Stall dank einer komplett offenen Stallseite und den weißen Wänden sehr hell und einladend. Ein großer Holzkarren steht gefüllt unter der Heuklappe. Alois Niederstätter, der Vater von Michael, zieht ihn gerade an und verteilt neues Heu an die melkenden Kühe auf der linken Futtertischseite sowie an die Jungrinder und Kälber an der rechten Seite.

Seit einem Jahr nur Heu

„Wir haben vor einem Jahr auf die Heufütterung umgestellt und haben uns für mindestens fünf Jahre dazu verpflichtet“, erklärt Alois Niederstätter. Sein Sohn fügt schnell bei: „Wir sind sehr zufrieden, diesen Schritt gewagt zu haben. Die Eutergesundheit der Herde ist deutlich besser geworden.“ Vater und Sohn vermuten: „Nacherwärmung gibt es beim Heu nicht- Also auch weniger oder gar keine schädlichen Silierstoffe. Außerdem haben wir keine Futterverluste. Wir können fast 100 % der Ernte verfüttern. Steine und Stängel sind alles was überbleibt.“

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Hochboxen= weniger Stroh und Keime

Aus Sicht der Eutergesundheit ist Alois Niederstätter sehr großer Fan von Hochboxen: „Viele unserer Kühe lassen die Milch früh laufen und liegen dann in einem Milchsee. Dank der Gummimatte können wir die Liegefläche leicht reinigen. Bei Tiefboxen wäre uns das nicht möglich.“ Kurzes Häckselstroh wird zugekauft und zweimal täglich auf den Liegeflächen verteilt. Um den Keimdruck gering zu halten, nutzen Niederstätters zweimal pro Woche zusätzlich Kalk. In naher Zukunft möchte Alois Niederstätter die Gummimatten gerne austauschen: „Ich finde die Matten nach fast 10 Jahren zu hart. Wir halten Ausschau nach einer komfortableren Gummimatte für unsere Kühe.“
Auf die Eutergesundheit ihrer Herde legen Alois und Michael Niederstätter großen Wert. Vor fünf Jahren haben sie einige Kühe, die mit Aureus infiziert waren, gezielt selektiert. Damals haben sie sich auch für eine Zwischendesinfektion im Melkstand entschieden, die nach jeder Kuh das Melkgeschirr mit einer 2%-igen Peressigsäure desinfiziert. Seitdem ist die Eutergesundheit der gesamten Herde deutlich stabiler, sodass Vater und Sohn nun selektiv trocken stellen. Fünf Tage vor dem Trockenstellen wird eine Milchprobe gezogen. Nur wenn ein behandelbarer Erreger nachgewiesen, oder die Kuh in der Laktation bereits an einer Mastitis erkrankte, wird Antibiotika genutzt. Vor dem Trockenstellen wird die Kraftfuttermenge auf ein Minimum reduziert, um den Kühen nur noch die nötigen Mineralstoffe anzubieten. Sowohl das Kraftfutter als auch die Mineralien werden leistungsabhängig über eine Kraftfutterstation zugefüttert.

Bei den Kühen kommt 50 % Fleischrassesperma (Weiß-Blaue-Belgier oder Limousine) zum Einsatz. (Bildquelle: Simon)

Vorsicht Azidose

Die Energieversorgung der Kühe ist bei der Heumilch-Produktion schwieriger.
Michael Niederstätter
Das Tor der Kraftfutterbox fährt hoch und eine mehrlaktierende Kuh parkt rückwärts aus. Unverzüglich drängt sich die nächste Holsteinkuh in die Station. „Eine Kraftfutterstation sollte immer schließen. Ansonsten haben die Kühe keine Ruhe beim Fressen, weil sie von anderen gestoßen werden“, sagt Michael. Aus diesem Grund haben sie ein pneumatisches Tor nachgerüstet. Zu viel Unruhe entstand rund um die Futterstation. Bis zu 11 kg Kraftfutter können sich die Kühe, je nach Leistungsniveau hier täglich abholen. Mit der Umstellung auf die Heumilch wuchs die Angst vor Azidosen. „Wir setzen nun ein Kraftfutter mit Sojaschalen und Trockenschnitzeln ein. Das ist weniger scharf und funktioniert bei uns super“, erklärt Michael Niederstätter, der aktuell noch als Fütterungsberater aktiv ist.

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In Sorge vor einer Fremköprer-Erkrankung, setzt Familie Niederstätter Magneten ein. Jedes Tier der Herde ist damit ausgestattet. Alois Niederstätter erklärt: „Natürlich achten wir beim Verteilen des Heus auf Fremdkörper, aber alles finden wir nicht. Und bei der groben Faser des Heus haben wir Sorge, dass die Kühe auch große Fremdkörper leicht übersehen.“
Heu bringt uns viel Rohfaser. Leider ist nur wenig davon verdaulich.
Michael Niederstätter

Die Herde ist nicht genotypisiert. Die Anpaarung übernimmt Rinderzuchtverband Südtirol. Dafür verwendet er die Milchkontrolldaten. Zusätzlich gibt Michael je drei zu verbessernde Exterieurmerkmale pro Einzeltier durch. (Bildquelle: Simon)

Sommerzuschlag nutzen

Auf der gegenüberliegenden Futtertischseite der laktierenden Kühe ist die weibliche Nachzucht in einem einreihigen Laufstall untergebracht. Michael Niederstätter gibt zu, dass sie Probleme haben, die Rinder im passenden Besamungsalter und der richtigen Kondition zu belegen: „Unsere Rinder gehen ab dem zwölften Lebensmonat auf die Alm. Die meisten Rinder werden bei uns daher zu spät, also nach ihrem Almsommer belegt.“

Den richtigen Besamungszeitraum verpassen Niederstätters bei manchen Jungrindern aufgrund der Sommeralmen. (Bildquelle: Simon)

Aber wieso die meisten? Michael muss dafür ausholen und begründet, dass es im Sommer durch die Almen weniger Milch gibt, gleichzeitig aber mehr Milch für den Tourismus gesucht ist: „Von Juni bis August kriegen wir daher einen Sommer-Milchpreiszuschlag von 12 Cent pro Liter Milch, den wir natürlich ausnutzen möchten. Unser Ziel ist es, die Herde in diesen Monaten möglichst frischmelk und hochleistend zu melken, um viel Milch abliefern zu können.“ Um nun zurück zum Besamungsalter der Jungrinder zu kommen: Niederstätters versuchen, die Kühe aus diesem Grund so zu belegen, dass viele von ihnen im April abkalben. Deren Nachzucht ist dann im darauffolgenden Jahr genau zur Almzeit besamungsreif, sodass sie erst im Herbst belegt werden können.
Eins von zehn tragenden Rindern kommt leer von der Alm. Dann belegen wir sie wieder.
Alois Niederstätter

Flexible Ernte durch Heutrocknung

Alle Futtermittel und Maschinen sind in der im Jahr 2015 gebauten Halle untergebracht. Der Betrieb ist komplett eigenmechanisiert. Die Maschinen reihen sich auf einer Hallenseite aneinander. Auf der gegenüberliegenden Seite wird das restliche Heu des letzten Jahres sowie einige zugekaufte Heuballen gelagert. Das eigene, lose Heu lehnt in der Ecke an eine etwa sechs Meter hohe Holzwand. Dahinter befinden sich die drei Kammern der Heutrocknung. Der Bau der Halle mit integrierter Heutrocknung war Voraussetzung für die Umstellung zur Heufütterung. Beim Bau hat Alois Niederstätter viel Eigeninitiative gezeigt, um die Baukosten so gering wie möglich zu halten. Eigenes Holz, ein befreundeter Schreiner und viel eigene Mitarbeit haben geholfen. „Ohne Heutrocknung würde es nicht funktionieren. So können wir kurze regenfreie Abschnitte nutzen, das Gras zu mähen, einmal zu wenden und einzufahren. Mit dem Heukran schichten wir die noch feuchte Ernte in den Folgetagen dann um“, erklärt Alois Niederstätter.

Die farblichen Linien helfen dabei, nicht mit dem Heukran in das Holzrost über dem Boden zu greifen. (Bildquelle: Simon)

Bei unserem Besuch sind die drei Heukammern komplett leer. Denn meistens erfolgt der erste Schnitt frühstens Ende Mai oder Anfang Juni. Michael erklärt uns, dass etwa 16 ha der Grünlandflächen mindestens zweimal gemäht werden können. Bei12 ha davon sind sogar drei Grasschnitte pro Jahr möglich. Wir treten nacheinander durch die Holztüren in die erste Trocknungskammer. An der Wand erkennt man zwei horizontale Linien, eine rote und eine blaue, im unteren Drittel der Wände: „Das sind für uns Grenzlinien, wenn wir Heu aus der Trocknung mit dem Heukran laden. Unterhalb der zweiten roten Linie würden wir in das Holzrost am Boden greifen.“
Auf 1.400 Höhenmetern gibt es keine Konkurrenz zur Milch.
Alois Niederstätter
Zukünftig möchte Alois Niederstätter den Hof möglichst schuldenfrei an seinen Sohn Michael abgeben. An Stillstand ist nicht zu denken: „Unser Hof liegt auf 1.400 Metern und es gibt dadurch keine Konkurrenz zur Milch. Daher müssen wir weiter in die Milchkuhhaltung investieren“, ist sich Alois Niederstätter sicher. Auch sein Sohn hat schon einige Zukunftspläne im Kopf. Er träumt zum Beispiel von einem automatischen Futteranschieber. Doch bis er den Hof übernimmt weiß er: „Ich bringe meine Meinung ein, wenn sie gefragt ist. Ansonsten halte ich mich aus den Entscheidungen raus, solange mein Vater Betriebsleiter ist.“

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