Milchproduktion Norditalien

Deutsche Holsteinkühe als italienisches Erfolgsrezept

Seit 2013 setzt Antonio Bozzoni 100 % Fleischrassesperma ein. Klare Vorstellungen beim Kauf der Remontierungsfärsen ermöglichen ihm eine 42 Liter-Herdenleistung.

Vor mehr als zehn Jahren hat Antonio Bozzoni die Entscheidung getroffen, seine Holsteinherde in Pontevico (Lombardei, Italien) ausschließlich mit Sperma der Fleischrasse Weißblau Belgier zu belegen: „Wir haben beide Szenarien durchgerechnet. Die Aufzucht eigener Remontierungsfärsen war im Vergleich zum Färsenimport zu teuer.“ Er erklärt, dass er in der Vergangenheit für die Jungrinder einen zusätzlichen Stall zu pachten musste, weil der Hauptstandort keine Stallplätze für die Rinder bietet. Dadurch war die Aufzucht sehr teuer: „Und das, obwohl wir immer das Glück hatten, genügend Futter zu haben.“ Dies sei in dieser warmen Region mit extrem hohem Kuhbestand nicht selbstverständlich.
Die eigene Nachzucht war zu teuer. Jungrinder brauchen Futter und produzieren dafür keine Milch.
Antonio Bozzoni

Milchproduktion Norditalien

Familie Pelizzari: Von 27 auf 1.500 Kühe in 30 Jahren

von Wiebke Simon

Die Milchkuhherde von Familie Pelizzari (IT) ist kontinuierlich gewachsen. Erst im letzten Jahr haben sie ein neues Melkhaus sowie einen neuen Stall eingeweiht.

Antonio Bozzoni (links) zusammen mit Marco Moscardi (rechts). Sein Vater Francesco Moscardi (Viehhandel La Nuova ACB) importiert für Antonio Bozzoni die Remontierungsfärsen und handelt seine Kreuzungskälber. (Bildquelle: Simon)

An einem warmen Samstag im Mai beginnen wir den Betriebsbesuch zusammen mit Marco Moscardi. Sein Vater Francesco Moscardi gehört der Viehhandel La Nuova ACB, der für Bozzoni schon seit vielen Jahren sowohl abgekalbte Färsen vorrangig aus Deutschland als auch die Fleischrassekreuzungen im Alter von 14 Tagen handelt. Wir folgen Antonio Bozzoni als erstes zum Kälberstall. Hier sind einige Einzelboxen für die neugeborenen Kälber. Unter einem offenem Abdach gibt es drei Strohbuchten für Kleingruppen mit zwei bis drei Kälbern. Sie bekommen zweimal täglich vier Liter Vollmilch. Für den eigene Verbrauch mästet die Familie wenige der Kreuzungen selbst. Sie ziehen nach der Milchphase in einen Vollspaltenbereich.

Milchproduktion in Norditalien

Paradoxes Norditalien: Milchproduktion unter Extremen

von Wiebke Simon

In Norditalien stehen über 80 % der italienischen Kühe: Die kleinbäuerliche Idylle in Südtirol trifft auf professionelle Großbetriebe in der heißen Po-Ebene.

Entgegner Hitze

Wir gehen über eine asphaltierte Fläche weiter zum Kuhstall. Links vom Futtertisch ist die Herde in einem Laufstall mit Tiefboxen untergebracht. Rechts vom Futtertisch sieht man schon vom weitem einen tiefblauen Sonnenschutz. Bozzoni erklärt: „In unserer Region ist der Hitzestress bei den Kühen ein großes Thema. Dieser Stoff spendet Schatten und ist dennoch luftdurchlässig.“ Zusammen mit den Ventilatoren, die sowohl horizontal über den Liegeboxen als auch schräg über den Fressplätzen montiert sind, wird ein angenehmes Stallklima geschaffen. Im Hochsommer schafft der Betriebsleiter den Kühen zusätzlich mit der Verneblung oberhalb der Fressgitter Abkühlung für die Kühe.

100% Zukaufskühe

Auffällig ist die Ruhe im Kuhstall- außer den Ventilatoren und dem automatischem Futteranschieber sind nur leise Geräusche der Tiere zu hören. Die Kühe stören sich nicht daran, als wir mit unseren knisternden Plastiküberziehern über den Futtertisch gehen. Trotz des Zukaufs fremder Genetik ist die Herde relativ homogen: Es sind sehr rahmige Kühe mit guten Eutern, klaren Fundamenten und breiten Becken. Bei näheren Anblick fallen uns auch die ganzen DE-Nummern in den Ohrmarken auf. „Außer Ausnahmen kommen alle Kühe aus Deutschland“, erklärt Bozzoni und lächelt.

Strikte Selektion

Die homogene Kuhqualität und gleichzeitig hohe Milchleistung von durchschnittlich 42 Litern pro Kuh und Tag hätten wir vor unserem Besuch aufgrund der ausschließlichen Auktionsremontierung nicht erwartet. Wie schafft Bozzoni das?
Den Grundstein für seinen Erfolg wird beim Kauf der Färsen gelegt. Dafür fährt Bozzoni alle paar Monate mit ACB auf eine Auktion im Nordwesten Deutschlands: „Eine Jungkuh wähle ich nach festen Kriterien aus.“ Vier seiner Auswahlkriterien spiegeln deutlich seine Herde zu Hause in Pontevico wider – das sind die gute Euter- und Fundamentqualität, die breiten Becken für die Fleischrassebesamung und die hohe Milchleistung. „Wenn ich eine Färse kaufe muss sie mindestens 34 Liter Milch oder besser noch mehr geben.“ Ein weiteres entscheidendes Selektionskriterium ist, wie lange das Tier schon in Milch ist. Bozzoni sucht Tiere, die maximal 45 Tage melk sind: „Nach der Auktion kommen die Kühe einen Tag später bei mir an. Nach dem Transport fallen sie erstmal 15 Tage in ein Milchloch bevor die Leistung wieder steigt. Um den Milchpeak bis zum 100.Laktationstag mitzunehmen müssen sie möglichst frischmelk am Auktionstag sein.“ Besonders gefällt ihm, dass die Färsen im Laufe der Laktation die Milch lange auf einem hohen Niveau halten.

Der Blick für die Kuh und die Zahlen

Sein Erfolg liegt neben der erfolgreichen Wahl der passenden Remontierungsfärsen im Herdenmanagement. Denn ohne zu fragen sieht man schnell, dass im Kuhstall vieles sehr gut läuft. Bei unserem Besuch sehen wir nicht eine lahme Kuh bzw. eine Kuh in Schonhaltung. Auffallend ist auch, wie sauber die Tiere sind und das es nicht ein Selektionsbedingtes Fraßloch am Futtertisch gibt. „Wir müssen alles machen, sodass es den Kühen gut geht. Denn nur dann können sie solche Leistungen bringen. Dennoch müssen wir immer dran denken, dass wir mit ihr Geld verdienen müssen. Und dafür halte ich alle Produktionszahlen im Blick“, sagt der Betriebsleiter zufrieden.

In Zukunft soll ein Teil der Herde automatisch gemolken werden. (Bildquelle: Simon)

Ein Beispiel dafür ist die Selektion der Schlachtkühe. Auch hier folgt der Betriebsleiter einem strikten Schema. Alle Kühe, die am 240. Laktationstag nicht tragend sind, besamt er nicht mehr: „Wir starten am etwa 90. Tag mit der Besamung. Wenn die Kühe in der langen Zeit nicht tragend geworden sind, ist es unrealistisch dass sie es noch werden. Außerdem steigt das Risiko einer Stoffwechselerkrankung und den damit verbundenen Kosten nach der Kalbung extrem.“ Abhängig von den aktuellen Futterkosten verlassen die Schlachtkühe bei der Unterschreitung von etwa 28 (+/-) Litern Tagesgemelk den Stall: „Es bringt mir nichts eine Kuh zu melken, für die ich mehr Futterkosten zahle, als Milcherlös zu erhalten.“ Oft bleiben seine Schlachtkühe aber noch lange im Stall. Immer wieder ist er von der Persistenzleistung der altmelken Kühe beeindruckt. Zum Zeitpunkt unseres Besuches waren 15 Kühe mit über 500 Laktationstagen und noch immer über 40 kg Milchleistung in der Herde vertreten.

Trockensteher auf Stoff-Resten

Wir gehen an dem zweiten Futtertisch vorbei, der die Herde in zwei Gruppen teilt, und betreten das anliegende Gebäude. Hier sind rechts vom dritten Futtertisch 30 Trockensteher untergebracht. Sofort sticht deren Einstreu ins Auge. Denn die freie Liegefläche ist mit schwarzen Stoffresten eingestreut. „Wir wechseln die Einstreu alle fünf Wochen und bekommen sie zum Glück umsonst“, erklärt der Milcherzeuger. Ihm gefällt die Alternative Einstreu, die zu einer trockenen, weichen Liegefläche beisteuert. Gegenüber ist das Frischmelkerabteil. Bozzoni gibt zu das hier einige der wenigen Probleme im Management liegen: „Ab und zu haben wir Probleme mit Milchfieber-Kühen. Das müssen wir optimieren. Ansonsten haben wir eigentlich nicht viele Baustellen was die Tiergesundheit betrifft.“ Neben dem Frischmelker-Abteil ist ein kleiner abgetrennter Strohbereich. Hier können Bozzonis hochleistende Kühe vor dem Trockenstellen energiearm füttern, um die Milchleistung zu reduzieren.

Die Liegefläche der Trockensteher ist mit schwarzen Stoffresten eingestreut. (Bildquelle: Simon)

Ab nächstem Jahr 100 Kühe mehr

Wir beenden die interessante Hofführung im Stallbüro. Typisch für einen italienischen Betrieb steht hier ein Kaffeeautomat bereit, von dem uns ?? Bozzoni etwas anbietet. Als wir am Tisch sitzen erzählt er uns von seinen Zukunftsplänen. Und die sind schon mehr als konkret. Denn im nächsten Jahr stockt er die Kuhzahl um weitere 100 Kühe auf: „Wir werden einen Stall anbauen und zwei Melkroboter installieren. Da wir ausriechend Futter für einen Anbau haben, habe ich lange überlegt, ob ich einen Stall für Jungrinder oder Kühe baue. Aber unser Zukaufsystem funktioniert. Daher möchte ich lieber einen Stall für melkende Kühe bauen, die direkt Geld verdienen.“ Bisher melkt Bozzoni die Kühe in einem alten Doppel 10er- Fischgrätenmelkstand. Ein Problem ist, dass er aufgrund der höheren Kuhanzahl ab nächstem Jahr Gülle abgeben muss: „Die werde ich zukünftig zu Teilen an eine nahelegenden Biogasanlage abgeben müssen.“ Der Betriebsleiter holt aus einem Schrank neben dem Kaffeeautomat einen Ordner und holt eine Skizze vom Kuhstallanbau raus. Dieser soll an den bisher außenliegenden Futtertisch mit Sonnenschutz gebaut werden.

Der Melkstand soll weiterhin in Betrieb bleiben. (Bildquelle: Simon)

Sorge vor Melkroboter-Alarmen

Große Sorgen hat Bozzoni vor möglichen Roboteralarmen: „außerdem müssen wir beim Ankauf der Remontierungsfärsen mehr auf die Strichstellung achten. Am liebsten würde ich ab dann nur noch Abgekalbte von Melkroboterbetrieben kaufen. Aber das wird wohl schwer.“ Trotz der Sorgen freut er sich auf sein nächstes Projekt. Denn er hofft auch die Milchleistung durch eine hohen Anzahl von Melkungen pro Tag an den beiden Robotern zu steigern und die Gesundheits- und Brunstkontrolle über die Responder zu vereinfachen.
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