Die niederländische Milchbranche und ihr professionelles Umfeld galten jahrzehntelang als wegweisend in Europa. Eine hohe Effizienz und Produktivität der Milchkuhbetriebe, eine spezialisierte Beratung und eine an der Praxis orientierte Wissenschaft: Die Zukunft unserer Nachbarn schien rosig.
Die niederländische Milchbranche und ihr professionelles Umfeld galten jahrzehntelang als wegweisend in Europa. Eine hohe Effizienz und Produktivität der Milchkuhbetriebe, eine spezialisierte Beratung und eine an der Praxis orientierte Wissenschaft: Die Zukunft unserer Nachbarn schien rosig.
Doch mit steigender Intensität der Tierhaltung kamen (Umwelt-)Probleme, die in den vergangenen Jahren zu immer weiter ausufernden gesetzlichen Vorgaben beim Nährstoffmanagement (Meststoffenwet) führten und die Einführung der Phosphatquoten (Fosfaatrechten) zur Folge hatte.
Das Fass zum Überlaufen brachte dann für viele Landwirte das Ziel der niederländischen Politik, bis 2030 massiv Stickstoffemissionen einzusparen, z.B. durch Aufkauf von Betrieben oder strikte Extensivierung. Für Milchkuhhalter kam hinzu, dass die Derogation (Ausnahmegenehmigung von der EU-Nitratrichtlinie, 250 bis 230 kg N/ha) schrittweise auf 170 kg N/ha abgeschafft werden soll - eine Katastrophe für viele intensiv geführte Milchkuhbetriebe.
Sie als Unternehmer müssen am Ende die Entscheidung treffen
Alex Datema, Rabobank
Politische Landschaft verändert sich
Doch bei den Landwirten keimt mit der neu gewählten Regierung unter Beteiligung der „sozial-konservativen“ Bauern-Bürger-Bewegung neue Hoffnung auf. Denn sie hat angekündigt, mit der EU neue Ausnahmen für die Ausbringung von Wirtschaftsdünger auszuhandeln und Steuervergünstigungen für Agrardiesel einzuführen. Aufgrund dieser aktuellen Entwicklungen und Stimmung fragten sich die Teilnehmer der Jahreskonferenz der European Dairy Farmers 1) im niederländischen Zwolle wie die Kollegen künftig reagieren wollen, wo sie ihre Zukunft sehen? Das Motto des Kongresses gab bereits eine erste Antwort: „Vielfalt für die Zukunft“.
Fünf Zukunftsszenarien
Einen Einblick wie die niederländische Rabobank die Zukunft der Milcherzeugung sieht, gab Alex Datema, Direktor Food & Agri. Er selbst bewirtschaftet zusammen mit einem Partner einen Milchkuhbetrieb mit 120 Kühen, 70 ha Grünland sowie einem 15 ha großen Schutzgebiet für Wiesenvögel (sehr extensive Nutzung).
Alex Datema sieht die Landwirtschaft in den nächsten Jahren vor einem großen Wandel. Die Politik helfe nicht bzw. sie traue sich nicht, langfristige Entscheidungen zu treffen, damit u.a. die Milcherzeuger Planungssicherheit haben. Deshalb würde die Rabobank selbst ihren Kunden bei der Suche nach der richtigen Strategie für ihren Betrieb helfen und sich dabei sowohl die Finanzen als auch die Nachhaltigkeit genau anschauen. So könnte man sehen, wie es um die Betriebe bestellt sei, wo der Milchkuhbetrieb genau steht. „Aber sie als Unternehmer müssen am Ende die Entscheidungen treffen!“
Bei der Einteilung der Betriebe nutzt die Rabobank das 9-Box-Grid Modell, um deren Leistung und Potenzial einschätzen zu können (siehe Übersicht). „Unser Ziel ist es, so viele Landwirte wie möglich im grünen Bereich zu haben. Wir ermutigen die Landwirte in mehr Nachhaltigkeit zu investieren“, so Alex Datema.
Wenige Ressourcen, hohe Kosten
Steffi Wille-Sonk (Wissenschaftlerin bei den European Dairy Farmers), zeigte in ihrem Vortrag, dass die niederländische Milchkuhhaltung nicht nur vor sehr großen Herausforderungen steht, sondern dass durch die lange Wachstumsperiode auch viel Potenzial für den Futterbau bzw. die Weidehaltung besteht. Denn mit 200 möglichen Weidetagen und 850 mm Wasser pro Jahr z.B. in der Region um Zwolle sind die Bedingungen für die Milcherzeugung ideal.
Bedingt durch die sehr intensive Nutzung und Flächenknappheit (hohe Dichte der Tierhaltung und Bevölkerungsdichte) zeigen die Auswertungen der EDF-Mitglieder² (313, davon 32 niederländische Milchkuhbetriebe) jedoch, dass die Kosten für Fläche und Arbeit in den Niederlanden im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten hoch sind.
Zu den höheren Preisen kommen noch die Kosten für Phosphatquoten und die Gülleentsorgung, was die Produktion in den Niederlanden sehr teuer macht. Dieser Nachteil aufgrund der höheren Flächenpreise und den Kosten für die Phosphatquote beträgt im Vergleich zu anderen EDF-Mitgliedergruppen 1,7 bis 4,6 ct/kg ECM.
Insgesamt lagen die niederländischen EDF-Betriebe im Vier-Jahres-Vergleich damit mit ihren Gesamtkosten bei 49 ct/kg ECM.
Trotz der hohen Kosten sind die Milchleistungen der niederländischen Kühe jedoch im EDF-Vergleich eher durchschnittlich und liegen bei 9.566 kg ECM (Vergleich belgische Gruppe 11.079 kg ECM).
Die Rentabilität der niederländischen Milchkuhbetriebe fiel in den letzten Jahren deshalb deutlich niedriger aus, als in den meisten Nachbarländern. So erzielten sie im Durchschnitt der vergangenen vier Jahre einen Unternehmergewinn von 1,4 ct/kg ECM wohingegen z.B. die Belgier bei 6,8 ct/kg ECM lagen.
Aber dennoch ist eine rentable Milchproduktion auch in den Niederlanden machbar, das betonte Steffi Wille-Sonk. Denn wenn man in den Niederlanden effizient und standortangepasst wirtschaftet, sei man mit deutschen und dänischen Kollegen durchaus konkurrenzfähig, wie die Auswertungen der einzelnen Betriebe erkennen ließ.
Dennoch ist auch in den Niederlanden eine rentable Milchproduktion machbar
Steffi Wille-Sonk, EDF
Denn auch in den Niederlanden gibt es zwischen den einzelnen Betrieben große Unterschiede in der Kostenstruktur und im unternehmerischen Erfolg. Die guten niederländischen EDF-Mitglieder (europäischen Vergleich) zeigten:
- Geringere Grundfutterkosten;
- Sie verfüttern weniger Kraftfutter pro kg Milch und haben damit eine bessere Kraftfuttereffizienz.
- Die erfolgreichen Betriebe benötigen in allen Bereichen weniger Arbeitsstunden.
- Sie erzielen höhere Milchleistungen.
- Außerdem haben die guten Betriebe weniger Kapital investiert.
2) Hinweis: Ergebnisse der EDF sind nicht repräsentativ, es lässt sich aber ein regionaler Trend ablesen!
Sommerliche Temperaturen verstärken Rückgang der Milchanlieferung ++ Butter wird teurer, Spotmilchpreise steigen: Gute Aussichten für Milchpreise ++
1) Die vorgestellten Erkenntnisse wurden auf dem Kongress der Europäischen Milchviehhalter (EDF), 25-27 Juni 2024 in Zwolle, Niederlande, gewonnen. Das EDF ist ein globales Netzwerk von Milcherzeugern, die Inspiration und Wissensaustausch suchen. Das EDF bietet eine Plattform für Diskussionen, um die strategischen Entscheidungsprozesse der Landwirte zu verbessern. Jedes Jahr kommen über 350 Landwirte, Partner und Fachleute aus der Milchwirtschaft zusammen, um Themen zu erforschen und Einblicke in die Praktiken der Milchwirtschaft in den Gastländern zu gewinnen. Durch die Zusammenarbeit mit nationalen Beratungsorganisationen und wissenschaftlichen Instituten führt der EDF umfassende Analysen durch. 300 EDF-Milchviehhalter nehmen jährlich am EDF-Produktionskostenvergleich teil und beteiligen sich an Vergleichen und Diskussionen über Betriebszahlen, Benchmarking mit verschiedenen Gruppen und die Bewertung wirtschaftlicher Effizienzen und Entwicklungen.