Die NGOs postulieren es gerne laut, dass die Tierproduktion und damit die Milchbranche eine Mitschuld an der Rodung der Regenwälder trägt. Diesen Vorwurf haben wir uns angeschaut.
Die Fütterung südamerikanischen Sojas ist nicht nur wegen einer veränderten Landnutzung (Rodung) kritisch zu sehen. Es wird auch auf Flächen angebaut, die nach Aussagen einiger NGOs für die Humanernährung fehlen dürfte (siehe Kasten auf Seite 57). In Deutschland wurden, laut Dr. Simon Harnisch...
Die NGOs postulieren es gerne laut, dass die Tierproduktion und damit die Milchbranche eine Mitschuld an der Rodung der Regenwälder trägt. Diesen Vorwurf haben wir uns angeschaut.
Die Fütterung südamerikanischen Sojas ist nicht nur wegen einer veränderten Landnutzung (Rodung) kritisch zu sehen. Es wird auch auf Flächen angebaut, die nach Aussagen einiger NGOs für die Humanernährung fehlen dürfte (siehe Kasten auf Seite 57). In Deutschland wurden, laut Dr. Simon Harnisch (Deutscher Raiffeisenverband e. V.) im Jahr 2020 ca. 3,3 Mio. t Sojabohnen – umgerechnet ca. 2,64 Mio. t Sojaextraktionsschrot (Umrechnungsfaktor 0,8 für Ölentzug) – sowie 1,7 Mio. t Sojaextraktionsschrot von außerhalb Europas eingeführt.
Entwaldungsfreies Soja?
Von diesen insgesamt 5,0 Mio. t landen derzeit ca. 5 bis 7 % (grobe Schätzung) in der Rinderfütterung. Wie sich dieser Anteil in den letzten Jahren entwickelt hat, dazu gibt es keine genauen Angaben. Es ist jedoch aufgrund der Tatsache, dass 78 % der deutschen Kuhmilch (AMI Mai 2022) „ohne Gentechnik“ produziert wird, davon auszugehen, dass der Anteil an Soja in den Rationen gesunken ist.
Dennoch bleibt es dabei, dass die Folgen des Sojaanbaus in Südamerika verheerend sind, weshalb im Jahr 2015 der europäische Mischfutterverband FEFAC eine Leitlinie zum Bezug von nachhaltigem Soja entwickelte. Viele europäische Futtermittel-Unternehmen haben in der Folge eine freiwillige Selbstverpflichtung unterzeichnet, die vollständig auf nachhaltiges Soja setzt, so Dr. Simon Harnisch.
Nachhaltig bedeutet u. a., dass Soja nicht auf Flächen angebaut wird, die nach dem Jahr 2008 illegal gerodet wurden. Es ist davon auszugehen, dass inzwischen 60 bis 70 % des nach Deutschland importierten Sojas „entwaldungsfrei“ und damit nachhaltiger ist. Bei einer Importmenge von 5,0 Mio. t bleiben dennoch derzeit weit mehr als 1 Mio. t Soja in Deutschland übrig, die nicht nach den genannten Richtlinien produziert wurden!
Rückverfolgbarkeit entwaldungsfreies Soja nahezu unmöglich
Aufgrund komplexer Lieferketten sowie unzureichender Transparenz der Rückverfolgbarkeit ist es für Milcherzeuger und damit für Molkereien nahezu unmöglich, herauszufinden, ob das eingesetzte Soja diesen Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Dennoch steigt der Druck auf die Molkereien, den Einsatz „entwaldungsfreien“ Sojas nachzuweisen. Gelöst wird dies derzeit über den Kauf von Soja-Credits (RTRS, Roundtable on Responsible Soy) durch Molkereien.
Dieses Vorgehen wird vom LEH akzeptiert. Mit dem Kauf von Credits soll das Angebot an „entwaldungsfreiem“ Soja indirekt erhöht werden. Aber auch die europäischen Gesetzgeber sind an dem Thema dran. Mit dem Ziel, ausschließlich entwaldungsfreies Soja auf den EU-Markt zu bringen, plant sie im Jahr 2025 eine Entwaldungsverordnung im Rahmen eines Lieferkettengesetzes.
Daneben wird diskutiert, die Eiweißlücke durch heimischen Anbau zu reduzieren. Eine Studie* ging der Frage nach, ob die deutschen Nutztierbestände vollständig mit heimischen Eiweißfuttermitteln bis zum Jahr 2030 versorgt werden könnten. Dazu wurden die Nutztierbestände erfasst, Einsatzmengen in der Fütterung von heimischen Körnerleguminosen (auch Sojabohnen bzw. daraus hergestellter Sojakuchen) und Rapsprodukten ermittelt und Fütterungsstrategien (N- und P-reduziert) in die Kalkulation mit einbezogen. Bei der Kalkulation zeigte sich, dass Kühe – auch bei hohen Leistungen – mit Rapsprodukten und Körnerleguminosen allein versorgt werden können.
Rapsaussaat müsste sich verdoppeln
Bei einem moderaten Rückgang der gesamten Nutztierbestände (Milchkühe -10 %) bis zum Jahr 2030 gehen die Autoren der Studie davon aus, dass man ca. 1,8 Mio. ha Körnerleguminosen (245.000 ha in 2021, destatis) und ca. 2,1 Mio. ha Rapssaat (1,1 Mio. ha Winterraps Aussaat Herbst 2021) in Deutschland anbauen müsste, um die Eiweißlücke zu schließen. Davon würden bei Körnerleguminosen die Hälfte und bei Raps 70 % auf den Rinderbereich fallen.
Betriebseigene Strategie
Viele Milcherzeuger überlegen, wie sie bei der Eiweißversorgung unabhängiger werden könnten. Folgende Schritte können, laut Prof. Olaf Steinhöfel (Sächsisches Landesamt für Landwirtschaft), u. a. dabei helfen:
Bei der Fütterung den Pansen im Blick behalten. Denn hier wird 60 bis 70 % des nötigen Eiweißes von den Mikroben selbst synthetisiert. Deshalb auf eine ausgewogene Eiweiß- und Energieversorgung achten.
- Bei der Fütterung den Pansen im Blick behalten. Denn hier wird 60 bis 70 % des nötigen Eiweißes von den Mikroben selbst synthetisiert. Deshalb auf eine ausgewogene Eiweiß- und Energieversorgung achten.
- Eiweißüberschüsse in der Ration vermeiden und über den Milchharnstoffgehalt überprüfen. „Wir haben die Fütterung in der Versuchsanstalt Köllitsch inzwischen auf einen Milchharnstoffgehalt von 100 bis 150 mg/l eingestellt.“
- Mehr Grobfutterprotein z. B. Luzerne/Kleegras nutzen.
- Trockengrün (getrocknetes Gras oder Luzerne) weist einen hohen UDP-Gehalt von mehr als 40 % auf und ist damit gut für hochleistende Rationen geeignet.
- Regionale Eiweiß(neben)produkte wie Pülpen oder Schlempen sind ein interessanter Eiweißlieferant.
- Körnerleguminosen können ein wichtiger Eiweißlieferant sein. Welche Leguminose gewählt wird, richtet sich in erster Linie nach der Anbauregion.
- Eiweißautark heißt nicht immer wirtschaftlich sinnvoller.
- Fazit: Milchkuhbetriebe können auf Importsoja verzichten und eiweißautarker werden. Dabei müssen Anbaustrategien überdacht werden und die pansengerechte Fütterung stärker in den Fokus rücken.
* Bellof u. a. (2022); Titel: Können die Nutztierbestände in Deutschland vollständig mit heimischen Eiweißfuttermitteln versorgt werden?
Konkurrenz zwischen Kühen und Lebensmitteln?
Milchkühe fressen pflanzliche Futtermittel, die sich z. T. auch für die menschliche Ernährung eignen würden. Wie hoch dieser Anteil ist, hängt von der Region, der Futtergrundlage und der Rationsgestaltung ab.
So kann eine Kuh mit einer Leistung von 20 kg ausschließlich mit einer sehr guten, aber für den Menschen nicht nutzbaren, Grassilage versorgt werden, so Prof. Katrin Mahlkow-Nerge (FH Kiel). Bei hochleistenden Kühen sieht dies etwas anders aus.
Die Fütterungsexpertin hat praxisübliche Beispielrationen und -mengen für eine Kuh mit einer Leistung von 31 kg erstellt. Als Futtermittel wurden Mais- und Grassilage, Weizenstroh, Roggen, Körnermais, Trockenschnitzel, Rapsschrot und Harnstoff einbezogen. Nicht für die Humanernährung geeignet sind: Grassilage und Stroh sowie Trockenschnitzel und Rapsschrot. Die Maispflanze ist mind. zu 50 %, Roggen und Körnermais gänzlich für den menschlichen Verzehr geeignet. Bei dieser Ration benötigt die Kuh im Jahresverlauf 1,04 t Eiweiß (Rohprotein), wovon nur 142 kg, also 14 %, vom Menschen nutzbar sind. Dieser pflanzlichen Eiweißmenge steht eine mehr als doppelt so hohe, von der Kuh produzierte Milcheiweißmenge gegenüber.
Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in der „Lebensmittel-Konversionseffizienz“ (LKE) wider. Sie stellt den Lebens- mittelanteil der erzeugten Produkte (Milch) dem Lebens- mittelanteil der Futtermittel gegenüber. Werte über 1 bzw. über 100 % zeigen an, dass die untersuchten Tiere unterm Strich mehr Lebensmittel produzieren als sie „vernichten“. Im Vergleich mit anderen Tierarten erreichen meist nur Milchkühe eine positive LKE (viel Grobfutter).
Nicht alle Futtermittel, die Kühe fressen, sind für die menschliche Ernährung nutzbar. Wie hoch ist die Nahrungskonkurrenz tatsächlich?