Die letzten Jahre, besonders aber die diesjährige Anbausaison haben es gezeigt: Selbst der Mais ist nicht mehr überall eine sichere „Bank“. Durch Trockenheit und Hitzephasen schwanken die Erträge inzwischen auf vielen Standorten gewaltig. Der Grund: Bei hohen Temperaturen zur Zeit der Blüte kommt es verstärkt zu Befruchtungsproblemen, da sich die Lebensdauer des Pollens verkürzt. Außerdem leidet durch die Wasserknappheit die Kornfüllung zum Teil massiv. Was bedeutet das für die aktuell anstehende Sortenwahl?
SY Liberty ist eine neue Silomais-Sorte von Syngenta, die eine sehr gute Restpflanzenverdaulichkeit mit hohen Stärkegehalten kombinieren soll. Das Züchterhaus spricht hier von der sogenannten Powercell-Genetik. Auch der Biogasertrag der Sorte wird vom Züchter hervorgehoben.
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Seinen Standort gut kennen
Die Experten sind sich einig: Künftig muss auch beim Maisanbau ein gewisses Risikomanagement gefahren werden, das schon bei der optimalen Sortenwahl beginnt. Dabei reicht es nicht – wie vielfach in der Praxis schon gemacht – das Risiko auf zwei bis drei verschiedene Sorten zu verteilen, sondern es gilt vor allem zu versuchen, das Reifespektrum der Sorten noch besser an seinen Standort anzupassen.
Grundvoraussetzung dafür ist natürlich, seinen Standort gut zu kennen und zu wissen, in welchem Zeitraum der Maisentwicklung es in den Vorjahren jeweils besonders trocken wurde. Wichtige Voraussetzung dafür: Man muss sich mit Wettermodellen beschäftigen. Den größten Einfluss auf Ertrag und Qualität hat Trockenstress zwischen dem Rispenschieben und beginnender Kornbildung.
Ziel muss künftig sein, das Reifespektrum der Sorten zu erweitern, um für den Zeitraum häufiger Trockenheit an Ihrem Standort gewappnet zu sein.
Dr. Elke Grimme, LWK Schleswig-Holstein
Reifespektrum erweitern
Ein pauschaler Wechsel in eine frühere Reifegruppe wird nicht empfohlen. Denn der Stress kann in jedem Jahr zu einer anderen Zeit auftreten und man würde dadurch womöglich auch auf Ertragspotenzial am Standort verzichten. Ein Beispiel: Während bis etwa zum Jahr 2018 in der Tendenz die späteren Sorten eher von Vorteil waren, hat sich jetzt das Bild gedreht: „2022 war man mit frühen Sorten klar im Vorteil, weil die Vegetationsperiode nach hinten deutlich begrenzt war“, sagt Norbert Erhardt von der LWK NRW.
Eine Sorte mit hoher Kältetoleranz und früh ausgesät, kann die Frühjahrsfeuchtigkeit nutzen und bedeckt schnell den Boden. Sorten mit sehr gutem Stay-Green-Verhalten können dagegen später in der Saison noch hohe Erträge liefern.
„Ziel muss in jedem Fall sein, das Reifespektrum seiner Sorten zu erweitern, um für den Zeitraum an dem die Trockenheit am Standort nach den Erfahrungen der letzten Jahre gehäufter auftritt, gewappnet zu sein. Wer zum Beispiel bisher eher mittelfrühe angebaut hat, sollte 2023 eine frühe hinzunehmen“, sagt Dr. Elke Grimme, LWK Schleswig-Holstein. Das ganze Reifespektrum abdecken zu wollen, kann für eine schlagkräftige Ernte der Schläge natürlich nicht zielführend sein. Fünf bis sechs Tage Streuung in der Abreife sind dagegen machbar.
KWS testet wie die meisten anderen Maiszüchter auch neue Maissorten über ein großes Versuchsnetz in Deutschland und in allen anderen europäischen Silomaismärkten, um verschiedene Klimabedingungen abzudecken. Die Doppelnutzungssorte KWS Emporio kommt jetzt neu auf den Markt.
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Mehr Standorte, mehr Jahre einbeziehen
Generell sollte man sich vor dem Maiskauf die Sortenergebnisse von mehreren Jahren und von verschiedenen Standorten anzuschauen. Sind dabei die Ertragsschwankungen gering, handelt es sich um eine relativ ausgeglichene Sorte:
„In den letzten fünf Jahren hatten wir in vier Jahren viel Trockenheitsstress und Hitze. Sorten, die in dieser Zeit stabil gute Ergebnisse geliefert haben, zeigen eine gewisse Robustheit“, erklärt Klaus Ahrens von Limagrain. Die Ertragsstabilität über mehrere Jahre ist künftig eines der entscheidenden Kriterien, damit eben auch Jahre mit sehr kalten Frühjahren, hohem Krankheitsdruck oder stürmischen Phasen berücksichtigt werden. „Lieber mit relativ 100 % zufrieden sein, dafür ist die Sorte konstant und unabhängig von Standort und Jahreswitterung“, sagt Wilhelm Wurth. Weiteren Kriterien wie Qualität, Standfestigkeit, Stay-green-Verhalten oder Jugendentwicklung sollten künftig ebenfalls mehr Bedeutung bekommen.
Die ExtraRobust-Sorten vom Dekalb-Programm von Bayer verbinden laut Hersteller ein hohes Ertragspotenzial mit ausgeprägter Ertragsstabilität. Hier die Sorte DKC3418, seit 2021 auf dem Markt.
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Zur Risikominimierung trägt nach Aussage der Saaten-Union ebenfalls bei, auf verschiedene Sortentypen zu setzen, die sich z.B. im Stay-green-Verhalten deutlich unterscheiden. Christoph Gellermann von KWS empfiehlt für Milchkuhhalter außerdem Doppelnutzungssorten mit hohem Kolbenanteil, um bei der Ernteentscheidung noch flexibler zu sein. Aus Sicht von Firma Bayer sollte neben der Kolbenleistung vor allem auch der Zellwandverdaulichkeit der Sorten noch mehr Bedeutung beigemessen werden.
P8255 von Pioneer soll hohe Stärkegehalte mit hohen Verdaulichkeiten vereinen.
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Mix aus alten und neuen Sorten wählen
Sinnvoll ist, für das Gros der Flächen bekannte und bewährte Sorten auszuwählen und neue oder nur einjährig geprüfte für eine kleinere Testfläche von 20 bis 30 %. Aber keine Sorge: Nicht nur bei neuen, sondern auch wer nur auf geprüfte Sorten setzt, nimmt automatisch am Zuchtfortschritt teil. Denn die Sorten in den Prüflisten sind heute meist nicht älter als fünf Jahre. Ältere Sorten fallen bedingt durch die vielen Neuzulassungen immer früher raus.
Was leisten Trockenheits-tolerante Sorten?
Ob die von den Herstellern als besonders trockenheitstolerant oder wassersparend ausgelobte Sorten in den letzten Jahren im Feld überzeugt haben, können unabhängige Berater nicht eindeutig beurteilen. Ein oftmals vitaleres Wurzelwachstum könne man bei diesen Sorten aber feststellen, sagt Norbert Erhardt, LWK NRW. Generell würden kleinrahmige, kompakte Sorten in trockenen, heißen Jahren besser zurecht kommen als großrahmige – bei gleicher Bestandsdichte. Wer dennoch auf großrahmige setzt, sollte in jedem Falle künftig die Aussaatstärke anpassen und z.B. auf 6 Pflanzen pro m2 gehen. Kleinrahmige Sorten können mit 8 bis 9 Pflanzen pro m2 stehen.
Man kann mit ackerbaulichen Maßnahmen z.B. für ein besseres Wurzelwerk sorgen, das mit weniger Wasser klarkommt.
Wilhelm Wurth, LAZBW Aulendorf
Einzelne Züchterhäuser haben inzwischen für besonders trockenheits-tolerante Sorten spezielle Labels eingeführt, wie z.B. das Cactus-Label von Lidea, das Aquamax-Label der Saatgutmarke Pioneer von Corteva Agriscience oder die Dachmarke Artesian von Syngenta. „Diese Sorten haben zwar unter den herausfordernden Bedingungen in diesem Jahr absolut überzeugt. Trotzdem gibt es natürlich Grenzen. Ganz ohne Wasser kommen aber auch sie nicht aus. Die höhere Toleranz, u.a. durch eine verbesserte stomatäre Kontrolle der Blätter, hat in der Praxis ihre Grenzen“, sagt Matthias Kraft von Corteva Agriscience.
Von einem züchterischen Merkmal Hitzetoleranz sind wir laut der Beratung aber noch weit entfernt. „Doch man kann über eine standortangepasste Bodenbearbeitung und Saatvorbereitung, z.B. für bessere Wachstumsbedingungen in der Jugend sorgen und damit für ein besseres Wurzelwerk, das mit weniger Wasser klarkommt“, sagt Wurth.
Soll Hitze und Trockenheit gut standhalten können: Die mittelfrühe Sorte Plutor von der Baywa.
(Bildquelle: Werkbild )
Frühkauf nutzen, weil Saatgut knapp ist
Die Berater empfehlen in diesem Jahr, den Frühkauf für das Gros des Saatgutbedarfs vor allem aufgrund der zum Teil eingeschränkten Saatgutverfügbarkeit zu nutzen. Kleinere Portionen könne man später noch kaufen. Preisvorteile würden dabei oft überbewertet: „Meine Erfahrung ist, dass das Maissaatgut oftmals an Ostern auch nicht teurer ist. Lassen Sie sich nicht verrückt machen“, rät Norbert Erhardt, LWK NRW.
Züchtung: Wo geht die Reise hin?
Die auch 2023 wieder zahlreichen Neuzulassungen zeigen, dass vor allem beim Ertrag immer noch Zuchtfortschritt möglich ist. Allerdings zeigt er sich nur bei optimalen Wachstumsbedingungen.
In Zukunft gehören laut den Experten aus den Züchterhäusern die Zucht auf Robustheit und Stresstoleranz zu den wichtigen züchterischen Herausforderungen. Die Prüfung der Sorten findet daher vielfach mehrjährig an verschiedenen Standorten – oft Europaweit – und unter den verschiedensten klimatischen Bedingungen statt. Dabei gehe man laut Saaten-Union bewusst mit den neuen Sorten schon bei der ersten Prüfung an die Grenzen, um bereits frühzeitig das Verhalten unter extremen Bedingungen abzutesten (z.B. Trockenstress). Nur so sei es möglich, mehrjährig stabiles und angepasstes Material valide zu selektieren.
Ein großes Thema in der Zucht sind auch Low-Input-Sorten, die z.B. mit wenig Stickstoff auskommen und auch einen gewissen Nährstoffstress ertragen. Hier stehen die Merkmale Jugendentwicklung, kräftiges Wurzelwachstum oder eine länger grün bleibende und damit vitale Restpflanze im Fokus.
Nehmen Sie sich Zeit, um die optimalen Sorten für Ihren Standort zu finden. „Fest steht aber auch, dass die Sorte Fehler in der Anbautechnik wie z.B. bei der Saatbettbereitung oder bei der Nährstoffversorgung nicht kompensieren kann.“ so Erhardt. Eher im Gegenteil: Wer sich hochqualitative Maissorten leistet, darf sich im Anbau und im Silierprozess keine Fehler erlauben.
Auch die Züchterhäuser beraten inzwischen verstärkt in Richtung einer optimierten Anbaupraxis. Dazu gehört zum Beispiel die Empfehlung der BayWa, leguminosenreiche Zwischenfrüchte als Vorfrüchte vor Mais anzubauen, um für den Mais eine bessere Bodenstruktur und eine höhere Wasserspeicherung zu erzielen. Oder auch der Rat von Syngenta zu einer teilflächenspezifischen Aussaat, um eine homogenere Kolbenausbildung zu erreichen.
Welche Sorten die Firmen für 2023 besonders empfehlen (Auswahl)
Wir haben die Züchterhäuser nach jeweils zwei Sortenempfehlungen für 2023 gefragt. Alle bieten darüber hinaus auch eine einzelbetriebliche Beratung in Sachen Sortenwahl an.
Bayer: Bei den Bayer-Sorten mit dem ExtraRobust-Label nimmt die Ertragsstabilität neben dem Ertragspotenzial eine zentrale Rolle ein. Die Sorten DKC3414 und 3418, die 2021 eingeführt wurden, seien gute Beispiele dafür. Beide punkten mit einer hohen Kolbenleistung und einer sehr guten Zellwandverdaulichkeit.
Baywa: Baywa bringt die neue mittelfrühe Allround-Sorte Plutor (S 240/K 240) auf den Markt, die in den eigenen Anbauversuchen Spitzenerträge mit guter Silagequalität kombinieren und auch bei Trockenheit und Hitze durchhalten soll. Als bewährte Sorte ist im frühen Reifebereich LG31222 (S210/K210) im Angebot. Die Doppelnutzungs-Sorte zeigt gute und stabile Erträge. Für späte Reifegruppen wird Plesant (S260/K260) empfohlen, mit besonders guter Jugendentwicklung und Standfestigkeit.
Corteva Agriscience: Auch die Pioneer-Züchtung von Corteva Agriscience hat ein spezielles Label für trockenheitstolerante Sorten. Mit Aquamax sind Sorten gekennzeichnet, die unter Trockenheit eine sichere Bestäubung und Kornfüllung erreichen sollen. Sie sollen zudem unter verschiedenen Umweltbedingungen eine gute Ertragsstabilität erwiesen haben. P8153 (S240/240) zeichne sich durch eine hohe Kältetoleranz und gute Jugendentwicklung aus. Das Ertragspotenzial sei hoch. Ein Vertreter der Aquamax-Sorten ist P8834 (ca. S260/K250). Sie soll durch eine hohe Trockenheitstoleranz und besonders hohe Stärkegehalte überzeugen.
KWS: Für den Norden hebt KWS die Doppelnutzungssorte KWS Emporio (ca. S 220/K210) sowie KWS Editio (ca. S 250/ca. K240) hervor. In Süddeutschland bietet KWS besonders stressstabile Sorten unter dem Label: „Grün, gesund und standfest“ an. Für diese Region wird KWS Gustavius empfohlen (ca. S 240/K 230), für kühlere Lagen ebenfalls Emporio.
Lidea: Lidea kennzeichnet mit seinem Cactus-Label diejenigen Hybridsorten mit einer besonders hohen Wassernutzungseffizienz. Sie seien sehr trockenheitstolerant und würden auch bei Stress hohe Erträge erzielen. Die Selektion nach den drei Profilen: Wasserversorgung, sonstiger Stress und Klima hätte in diesem Jahr zum Beispiel bei den Sorten Tonifi, Luxuri und Belami überzeugt. In der Zulassung ist derzeit die Sorte ESZ21317 mit S 270. Neben sehr hohem Ertrag verspricht das Unternehmen eine hohe Verdaulichkeit und Energiedichte.
Limagrain: Laut Klaus Ahrens von Limagrain haben im Trockenjahr 2022 sowohl alte als auch bewährte Sorten überzeugt. Dazu gehören z.B. LG 30.258, LG 31.219, LG 31.238, LG 31.245, von den neuen LG 32.257 und Ashley. Limagrain zeichnet besonders hochwertige Sorten mit einer hohen Energiekonzentration mit dem Siegel LGAN aus. Für grasbetonte Rationen sei das zusätzliche Siegel: stärkereich für die Entscheidung sinnvoll. Für maisbetonte dagegen das Siegel: „hoch restpflanzenverdaulich“. Zum Empfehlungssortiment 2023 gehören bei Limagrain LG32.257 mit S230/K240 ein mittelfrüher Allrounder. Ashley ist mit S230/K210 eine körnermaisbetonte Doppelnutzungssorte.
Saaten-Union: Das Unternehmen kommt mit der Neuzulassung Wesley (S 210) auf den Markt. Sie würde hohe Trockenmasse-Erträge mit überdurchschnittlichen Qualitäten bei Stärke und Verdaulichkeit kombinieren. Im mittelspäten Bereich wird SU Crumber (S 270) empfohlen. Unter den trockenen Bedingungen 2022 hätten sich Micheleen, Sumumba und Susann bewährt. Auf den Standorten mit kühlerem Frühjahr wie in Bayern überzeugte Neutrino.
Syngenta: Die Firma bietet unter der Dachmarke Artesian Sorten mit einer besonderen Anbaueignung für trockene Bedingungen an und verspricht den Kunden empfiehlt sie als „Ertragsversicherung“ bei trockenen Bedingungen. Zu den empfohlenen Sorten bei Syngenta gehört SY Liberty (S 210, ca. K 240) mit sehr guter Restpflanzenverdaulichkeit und hohen Stärkegehalten. Zusätzlich liefere diese Sorte einen sehr guten Biogasertrag. Die mittelspäte Silomaissorte SY Amfora (S 260) habe ihre sehr guten Ertrags- und Qualitätseigenschaften in den Landessortenversuchen unter Beweis gestellt. Syngenta stellt mit MaxiMaize zudem für jede Reifegruppe spezielle Sortenmischungen zur Erhöhung der Anbausicherheit zusammen.