Investieren Milcherzeugerinnen und Milcherzeuger in Melktechnik, wählen gegenwärtig schätzungsweise 50 bis 70 % Melkroboter. Neben den einzeln stehenden AMS werden automatische Karussellmelkanlagen und Batch Milking-Systeme installiert. Die Kosten dafür sind hoch.
Die Menschen erhoffen sich Erleichterungen durch die Technik:
Der Landwirt spart Arbeitszeit in großem Umfang. Das löst Personalprobleme.
Familienarbeitskräfte und auch Mitarbeiter in größeren Unternehmen „wünschen“ sich den Melkroboter, um von schwerer Arbeit befreit zu sein.
Die Gesundheitsüberwachung der Kühe ist kein Problem, es gibt Sensoren, die jedes Tier genau überwachen können.
Die automatischen Melkverfahren sind sehr tiergerecht, die Kuh kann sich ihren „Arbeitstag“ selbst gestalten und hat dadurch weniger Stress.
Doch Vorsicht: Diese Vorteile realisieren sich nur dann, wenn Arbeitsorganisation und Auslastung stimmen.
AMS laufen nicht von selbst
Denn automatische Melksysteme sparen nicht automatisch Arbeitszeit. Dafür muss gerade im Vorfeld der Investition einiges bedacht werden. Und vieles davon findet sich in Praxisbetrieben noch lange nicht in der Art wieder, wie es die (teure) Melktechnik erfordert!
Probleme gibt es vor allem bei den Themen:
Stallgestaltung,
Umgang mit Daten aus dem Herdenmanagementprogramm,
Arbeitsaufwand und Arbeitsorganisation.
Hilfreich ist daher, diese Bereiche schon vorab durchzuplanen oder (z. B. in Altgebäuden) die Erwartungen den Gegebenheiten anzupassen.
Tierverhalten: Keine Kompromisse in den Laufgangbreiten!
Sehen Sie in AMS-Ställen von Kompromissen in den Lauf- und Fressgangbreiten ab. Kühe müssen selbstständig zum Melken und Fressen gehen und brauchen darum ausreichend Stallfläche, um ranghöheren Kühen auszuweichen. Das ist gerade in Herden mit einem hohen Anteil „älterer“ Kühe (vierte Laktation und mehr) von Bedeutung. Dazu werden Laufgangbreiten von 3,0 m (besser 3,5 m) empfohlen, für Fressgänge 4,0 m. Sehr enge und lange Laufgänge führen zu einem höheren Nachtreibeaufwand.
Tipp: Gestalten Sie den Weg bis zum AMS und auch den Melkroboter selbst offen und gut einsehbar. Auch ein großer Wartebereich (15 bis 20 m2 pro AMS) rentiert sich.
Nach wie vor wird der „freie Kuhverkehr“ für optimales Tierverhalten favorisiert. Selektiv gelenkter Kuhverkehr („feed first“) ist teurer in der Investition, kann aber Arbeitsaufwand reduzieren und erleichtert die Einrichtung einer Separation. Richtig geplant (Melkanrechte, Kuhzahl pro Roboter, Planung der Gänge und Tore, …), hat es keine negativen Auswirkungen auf Tierverhalten oder Auslastung. Feed first passt jedoch am besten in Neubauten und bedarf Beratung.
Manchmal ist der Raum begrenzt. Was ist dann wichtiger – Liegeboxenlänge oder Fressgangbreite? Mehr Liegeboxen oder ein Übergang? Antworten für die Praxis.
Nach wie vor wird der „freie Kuhverkehr“ für eine optimales Tierverhalten favorisiert. Selektiv gelenkter Kuhverkehr (“feed first“) ist teurer in der Anschaffung, erleichtert aber die Einrichtung einer Separation. Richtig geplant (Melkanrechte, Kuhzahl pro Roboter, Planung der Gänge und Tore, …), hat es keine negativen Auswirkungen auf das Tierverhalten oder Auslastung. Feed First passt selten in Umbauten und ist meist nur in Neubauten geeignet. Das System richtig einzusetzen, bedarf Beratung, z.B. durch die die Mitglieder der Wissenschaftlichen Gesellschaft der Milcherzeugerberater (WGM e.V.).
Vorsicht: In Zukunft mehr Mitarbeiter notwendig!
Untersuchungen zum Arbeitszeitaufwand zeigten, dass mittels des Feed First-Systems bis zu 4 Akh je Kuh und Jahr eingespart werden können. Zukünftig kann sich dieser Effekt des Kuhverkehrssystems noch deutlich stärker auswirken, wenn Behandlungen, Besamungen und das Heraussuchen und Abtrennen einzelner Kühe nicht mehr von einer einzelnen Arbeitskraft durchgeführt werden können bzw. dürfen.
Denn die Unfallverhütungsvorschrift Tierhaltung (12.11.2020) enthält folgende verpflichtende Änderungen:
| Kühe müssen für jegliche Behandlung inkl. Besamung separiert und fixiert werden.
| Keine freilaufenden Kühe im Stallabteil während der Behandlung oder Besamung.
| Zwei Personen mit Fachkenntnissen sind erforderlich für die Sortierung und Aussonderung einzelner Tiere.
Informationen wirklich nutzen!
Moderne Sensoren liefern so viele Informationen, dass die Tierbetreuenden Gefahr laufen, von Einzeldaten „überladen“ zu werden oder sich zu sehr auf die Technik zu verlassen. Planen Sie darum vor Einführung, welche Daten und Zahlen täglich, wöchentlich oder in einem noch längeren Zeitabstand benötigt werden.
Tipp: Erstellen Sie noch vor der Inbetriebnahme des Melksystems eine Übersicht zur Datenstruktur, den Verantwortlichkeiten und den abzuleitenden Entscheidungen. Fordern Sie vom Hersteller der Melkroboter ein, erklärt zu bekommen, welche Informationen Sie täglich, monatlich oder in bestimmten Fällen benötigen und wo (welche Listen) Sie sie herbekommen. Außerdem muss klar sein, was passiert, wenn Kühe auf einer bestimmten Liste auftauchen.
Welche Tätigkeit ist wann zu tun, wie lange dauert das? Vor Einzug die Arbeiten durchzuplanen, hilft dabei, Überraschungen zu vermeiden.
(Bildquelle: Gregor Veauthier, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Erstellen Sie hierfür Arbeitsanweisungen, die für alle Mitarbeitenden korrekte Abläufe und Entscheidungsvorgaben festlegen. Auf welche Liste schaut man morgens, was macht man dann, wie lange dauert das? Es gilt, dies vor Einzug durchzuplanen.
Besonders wichtig ist auch die Auseinandersetzung mit der diagnostischen Eignung der Sensoren. Einfach gesagt, sollten auf einer Alarmliste möglichst viele „richtig positiv“ erkannte Kühe mit gesundheitlichen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten auftauchen. Andersherum würde man viele Kühe suchen und umsonst kontrollieren, die zwar auf der Liste auftauchen, aber letztlich gar nicht krank sind. Komplett lässt sich das leider nicht vermeiden, wichtig zu wissen ist jedoch: Je weniger „richtig“ kranke Tiere in der Herde, umso weniger sind diese mit dem Sensor zu finden! In Herden mit guter Tiergesundheit spart es darum Arbeitszeit, auf gute Kontrollroutinen durch Menschen zu setzen, statt sich „blind“ auf die Sensoren zu verlassen.
Die Daten vom Herdenmanagementsystem auch wirklich zu nutzen – eine Herausforderung für Neueinsteiger!
(Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)
Arbeitszeitbedarf realistisch ansetzen
Die Arbeit im Stall besteht beim automatischen Melken aus folgenden Tätigkeiten:
Tierbewegung (Treiben, Sortieren, Umstellen)
Säubern der Liegeboxen, der Tränken und Übergänge
Separation und Behandlung von Kühen und
Tiergesundheitsmanagement.
Übersicht 1 zeigt Richtwerte für diese Tätigkeiten, erstellt anhand von Arbeitszeitmessungen in einem Neubaustall mit 120er Kuhgruppen an zwei Melkrobotern mit selektiv gelenktem Kuhverkehrssystem und Tiefliegeboxen. Für kleinere Herden oder Umbauställe sind diese Werte jedoch kaum erreichbar. Hier sind 30 bis 35 Akh je Kuh und Jahr bei durchdachter Verfahrensauswahl realistisch.
Die Arbeitsplanung muss für jeden Betrieb angepasst erfolgen!
Gegenwärtig benötigen Roboterbetriebe rund 5 bis 6 Akh pro Kuh und Jahr für tiergesundheitsrelevante Tätigkeiten sowie 7 Akh/Kuh und Jahr für das Herdenmanagement. Besonders die Aufgaben in Bezug auf Tiergesundheit werden zukünftig durch die Änderungen der Unfallverhütungsvorschrift Tierhaltung (siehe Kasten oben) deutlich mehr Arbeitszeit in Anspruch nehmen.
Separation optimieren
Daher sollte bei jedem Um- bzw. Neubau ein Separationsverfahren eingeplant werden, vorzugsweise eine Langzeitseparation. Dort können Kühe längere Zeit, auch über Nacht, separiert werden. Sie können Fressen, Saufen, Liegen und Melken; alle Behandlungen und Tätigkeiten am Tier werden innerhalb der Separationsbox durchgeführt. Neben dem Fangfressgitter kann sollte die Separationsbucht einen einfachen Tierbehandlungsstand enthalten. So kann eine einzelne Person Kühe behandeln oder besamen, ohne gegen Unfallverhütungsvorschriften zu verstoßen.
Eine Langzeitseparation braucht viel Platz, spart aber Personal – und sichert so langfristig die Wirtschaftlichkeit der Milchkuhhaltung ab.
Prof. Steffi Geidel, HTW Dresden
Der Platzbedarf für eine Langzeitseparation ist hoch, es werden zwischen 6 und 8 m² Stallgrundfläche je Separationsplatz sowie Separationsplätze für 10 bis 12% der Kuhgruppe benötigt.
Tipp: Wochenplan aufstellen, um festzulegen, wie viele Kühe wann separiert werden müssen. Eine hohe Investition – sichert aber künftig sich ändernde Rahmenbedingungen ab!
Diese Separationsform ist vor allem für einzelnstehende AMS geeignet und zukünftig unter Berücksichtigung der Arbeitsschutzanforderungen bei Neuinvestitionen die optimale Wahl.
Fazit: Wenn die Vorbereitung stimmt, ist die Technik (fast) egal!
Wird vom konventionellen auf ein automatisches Melksystem umgestellt, ändert sich der Arbeitsinhalt gravierend. Tätigkeiten mit hohem Anspruch an die Aus- und Weiterbildung, wie zum Beispiel die Bewertung von Alarmlisten, stehen sehr einfachen Tätigkeiten, wie das Entmisten der Liegeboxen, gegenüber. Von den Herstellern werden meist Anweisungen zur Pflege, Wartung und Kontrolle der Melkroboter vorgegeben.
Dies dennoch zu kombinieren ist aber wichtig, um wirtschaftlich zu melken. Damit ein automatisches Melksystem für Sie auch tatsächlich den erhofften Nutzen bringt, sollten Sie noch vor dem Start eine solche komplexe Arbeitsplanung angehen, welche die Abläufe und Schnittstellen für alle beteiligten Personen aufzeigt.
Sollen die Arbeitsplätze im Melkroboterstall zukünftig attraktiv und kostengünstig gestaltet werden, müssen vor allem
Arbeitsabläufe durch Richtwerte zu einzelnen Tätigkeiten im Roboterstall planbar werden und
Daten noch besser strukturiert werden, damit daraus Entscheidungen für den Landwirt und den Tierarzt ableitbar sind!