Blauzungenkrankheit

BTV-3: Rinder impfen oder nicht?

Seit Juni dürfen in Deutschland drei Impfstoffe gegen das Blauzungenvirus Serotyp 3 eingesetzt werden. Update: Die StIKo Vet empfiehlt unverzügliche Impfung.

Wie sicher sind die BTV-3-Impfstoffe? Bewertung durch Paul-Ehrlich-Institut

Nach dem im April 2024 in NRW und Niedersachsen kurzzeitig unter Ausnahmereglungen ein autogener Impfstoff gegen das Blauzungenvirus Typ 3 geimpft werden durfte, es dadurch zu teilweise schweren Nebenwirkungen (inklusive Aborten und Tierverlusten) kam und die Verabreichung des Impfstoffes umgehend gestoppt wurde, sind einige Tierhalter nun verunsichert, was die Entscheidung zur Bestandsimpfung gegen BTV-3 mit den aktuell drei Notfall-zugelassenen Impfstoffen betrifft. Die Wirksamkeit der drei Impfstoffe war zum Zeitpunkt der Notfallzulassung nicht an Rindern getestet, sie befinden sich allerdings im regulären Zulassungsprozess, welcher eben auch die Studien am Tier beinhaltet.
Das Paul-Ehrlich-Institut hat nach einer beschleunigten Nutzen-Risiko-Bewertung drei Impfstoffe zur Prophylaxe gegen BTV-3-Infektionen benannt – BULTAVO 3, BLUEVAC-3, Syvazul BTV 3 und dazu öffentliche Bewertungsberichte ausgestellt (siehe unten „Update: Drei Impfstoffe gegen BTV-3 mit Notfallzulassung in Deutschland“).  Deren Anwendung hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Anfang Juni 2024 per Eilverordnung zum Schutz von Schafen und Rindern für die Dauer von sechs Monaten gestattet (bis einschließlich 06.12.2024), solange es keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Derzeit gibt es in der Europäischen Union (EU) nach wie vor keinen „zugelassenen“ Impfstoff.
Das Paul-Ehrlich-Institut erklärt zu den drei Impfstoffen mit Notfallzulassung:
  • Die Unternehmen und die Impfstoffhersteller haben bereits Erfahrung in der Herstellung von BTV-Impfstoffen. Sie besitzen ein gültiges GMP-Zertifikat. Die Herstellung der Impfstoffe erfolgt also nach den Grundsätzen der guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP).
  • Die BTV3-Impfstoffe sind inaktivierte Impfstoffe, d.h. sie enthalten kein vermehrungsfähiges Virus. Um eine ausreichend gute Immunantwort im geimpften Tier zu erzielen, enthalten sie die seit langem bewährte Kombination der Adjuvanzien Aluminiumhydroxid und Saponin (Quil A). Für die BTV3-Impfstoffe ist keine Wartezeit festgelegt.
Das Paul-Ehrlich-Institut erfasst zentral Meldungen zu unerwünschten Ereignissen (UE) nach der Anwendung von Impfstoffen in der Veterinärmedizin und bewertet diese (Pharmakovigilanz). Dies gilt auch für Meldungen im Zusammenhang mit den Impfungen gegen BTV-3.
Das Ziel dieser Bewertung ist es, angesichts der Notfallsituation und der noch wenigen verfügbaren Daten das Nutzen-Risiko-Verhältnis der nicht zugelassenen BTV-3-Impfstoffe, sofern sachgemäß angewendet, zu analysieren.
Meldungen zum Verdacht eines unerwünschten Ereignisses nach der Anwendung von BTV3-Impfstoffen können, wie auch bei allen Impfstoffen in der Veterinärmedizin, strukturiert über das Online-Meldeportal erfolgen oder direkt per E-Mail (vetmittelsicherheit@pei.de) dem Paul-Ehrlich-Institut mitgeteilt werden. Zur Original-Meldung des Paul-Ehrlich-Instituts. Hier finden Sie auch die Packungsbeilagen der drei Impfstoffe.
Tierärzte berichten, dass die Impfstoffe bislang weitgehend „beschwerdefrei“ in der Anwendung verlaufen.

StIKo Vet Stellungnahme: Rinder in nicht-BTV-3-freien und angrenzenden Gebieten unverzüglich impfen

Eine Impfung ist die einzige Möglichkeit, schwere Verläufe der Blauzungenkrankheit zu verhindern. (Bildquelle: Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)

Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) empfiehlt in einer Stellungnahme (03.07.2024), Rinder, die in nicht-BTV-3-freien Gebieten (NRW, Niedersachsen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Hessen – Stand 09.07.24) sowie angrenzenden Regionen stehen, unverzüglich mit einem der drei Notfall-zugelassenen Impfstoffe zu impfen. Die StIKo Vet erwartet, dass BTV-3 sich über die aktuell betroffenen Gebiete hinaus ausbreiten wird. Hier finden Sie die Stellungnahme der StIKo.

Update: Tierseuchenkassen bzw. Länder zahlen teilweise Beihilfen zur BTV-3-Impfung

Nachdem Anfang Juni per Eilverordnung drei Impfstoffe gegen das Blauzungenvirus Serotyp 3 eine Notfallzulassung für Deutschland erhielten, haben einige Bundesländer und ihre Tierseuchenkassen bereits Beihilfen zur freiwilligen Schutzimpfung von Rindern beschlossen. So etwa in den BTV-3-Restriktionsgebieten NRW (2 Euro je Impfdosis/Rind, ab de, 14.06.2024), Rheinland-Pfalz (2,5 Euro je Impfdosis/Rind) und Hessen (3 Euro je Impfdosis/Rind), aber auch in Bayern (1 Euro je Impfdosis/Rind), Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein (jeweils 2 Euro je Impfdosis/Rind), (Stand: 09.07.2024).
Einige Länder gewähren Beihilfen nur für Schaf- und Ziegenhalter/innen. So auch das Restriktionsgebiet Niedersachsen – hier werden zur Impfung von Rindern gegen BTV-3 keine Beihilfen gewährt – „aufgrund der zu erwartenden generell milderen klinischen Symptomatik“, so die Argumentation der Niedersächsischen Tierseuchenkasse.
Rinderhalter/innen sollten sich im Falle einer geplanten Bestandsimpfung gegen BTV-3 zwecks Beihilfe bei den jeweils zuständigen Behörden über die nötigen Voraussetzungen informieren – u.a. ist die Eintragung der Impfung in HIT durch den Hoftierarzt erforderlich.
Bei Nichteinhaltung der vorgenannten Voraussetzungen kann die Beihilfe von der Tierseuchenkasse versagt werden, bereits gezahlte Leistungen für die Impfung können zurückgefordert werden. So gibt es etwa die Tierseuchenkasse NRW vor. Diese weist auch darauf hin, dass
  • die Kosten für die Impfdurchführung, den HIT-Eintrag oder evtl. auftretende Impfschäden weder entschädigungs- noch beihilfefähig sind und vom Tierhalter getragen werden müssen.
  • auch für geimpfte Tiere weiterhin Handelsbeschränkungen zwischen BTV-3 freien und nicht-freien Ländern gelten, da der zurzeit verfügbare Impfstoff nicht nach der Verordnung (EU) 2019/6 zugelassen ist. Er unterliegt lediglich einer Notfallzulassung.

Aktuelle Informationen auf Bundeslandebene der BTV-3-Restriktionsgebiete

NRW: LANUV
Niedersachsen: LAVES
Rheinland-Pfalz: MKUEM
Ausbruchszahlen: Das Friedrich-Löffler-Institut dokumentiert seit Mai 2024 einen Anstieg der BTV-3 Infektionen – Stand 05.07.2024 sind 83 Fälle der Blauzungenerkrankung Serotyp 3 für Deutschland gemeldet. Experten erwarten einen raschen Anstieg der Fälle über das Sommerhalbjahr mit Höhepunkt im Herbst

Update: Drei Impfstoffe gegen BTV-3 mit Notfallzulassung in Deutschland

Seit Freitag dem 07. Juni 2024 dürfen in Deutschland drei Impfstoffe gegen die Blauzungenkrankheit des Serotyps 3 (BTV-3) unter den Bestimmungen einer Notfallzulassung angewandt werden.
Für die drei Impfstoffe wurden vom Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), öffentliche Bewertungsberichte ausgestellt – Stand: 18.06.2024 – siehe Verlinkungen.
Die entsprechende „Zweite Verordnung über bestimmte Impfstoffe zum Schutz vor der Blauzungenkrankheit“ (BTV-3 ImpfgestattungsV) wurde im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und nach dieser dürfen folgende Impfstoffe nun für zunächst sechs Monate (bis zum 06.12.24) eingesetzt werden:
| Bultavo 3 (Firma: Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH), öffentlicher Bewertungsbericht vom Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel
| Bluevac-3 (Firma: CZ Vaccines S.A.U., über CEVA Tiergesundheit GmbH in Verkehr gebracht), öffentlicher Bewertungsbericht
| Syvazul BTV 3 (Firma: Laboratorios Syva S.A., über Virbac Tierarzneimittel GmbH in Verkehr gebracht), öffentlicher Bewertungsbericht (Stand 18.06.2024)
Seitens des Paul-Ehrlich-Instituts heißt es: „Diese Unternehmen und die Impfstoffhersteller haben bereits Erfahrung in der Herstellung von BTV-Impfstoffen. Sie besitzen ein gültiges GMP-Zertifikat. Die Herstellung der Impfstoffe erfolgt also nach den Grundsätzen der guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP).“
Die Eilverordnung gestattet die Anwendung der Impfstoffe zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten, d.h. bis zum 06.12.2024 einschließlich. Sobald regulär ein Impfstoff gegen BTV-3 in der EU zugelassen ist, dürfen diese Impfstoffe mit Notfallzulassung nicht mehr angewendet werden.
Hinweis: Um die Nachvollziehbarkeit von durchgeführten Impfungen gewährleisten zu können, sollen die Impfungen von den verschreibenden bzw. impfenden Tierärzten in der HIT-Datenbank eingetragen werden. Bitte die aktuellen Informationen auf Länderebene beachten:
NRW: LANUV
Niedersachsen: LAVES
Rheinland-Pfalz: MKUEM

Blauzungenkrankheit

Update: Blauzungenvirus Serotyp 3

von Katrin Schiewer

In Hessen, Rheinland-Pfalz, NRW und Niedersachsen sind Fälle von BTV-3 bestätigt. Was bedeutet der neue Ausbruch der Blauzungenkrankheit und wie geht es weiter?

Update: Impfstoffe von Sya und Boehringer Ingelheim in den Niederlanden zugelassen

Während in Deutschland nach wie vor kein Impfstoff gegen den Serotyp 3 der Blauzungenkrankheit (BTV-3) zugelassen ist, sind es in den Niederlanden nun bereits zwei (Stand: 21.05.2024):
  • Seit Ende April 2024 ein Impfstoff des spanischen Herstellers Sya.
  • Seit Mitte Mai 2024 der Impfstoff BULTAVO 3 des deutschen Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim, der noch vor Mitte Juni für die niederländischen Tierhalter verfügbar sein soll.
Das niederländische Landwirtschaftsministerium hatte die Impfstoffe nach positiven Stellungnahmen der „Agentur für die Bewertung von Arzneimitteln und des Ausschusses für die Zulassung von Tierarzneimitteln“ genehmigt.
Laut Boehringer Ingelheim ist BULTAVO 3 der erste Impfstoff, der Mortalität und klinische Symptome durch das Blauzungenvirus vom Serotyp 3 (BTV-3) verhindere. Er reduziere die Zirkulation des Virus im Blut und verringere so das Risiko einer Krankheitsübertragung erheblich. Für den ersten Schutz seien bei Rindern zwei Impfungen mit einem Abstand von drei Wochen erforderlich.

Update: Achtung – Stopp und Rückruf autogener Impfstoff-Chargen!

Die Herstellerfirma des autogenen Impfstoffes – SAN Group Biotech Germany GmbH – ruft alle im April 2024 ausgelieferten Chargen des autogenen Impfstoffes gegen Bluetonguevirus Serotyp 3 (BTV-3) ANIVAC BTV-3 zurück. Die Verabreichung des Impfstoffes ist umgehend zu stoppen. Bereits geimpfte Tiere sind regelmäßig tierärztlich zu beobachten.
Hintergrund: Bei Nachuntersuchungen wurden Mängel bei Inprozesskontrollen festgestellt und es kam nach Impfung zu Nachweisen des Virus mittels PCR.
Quelle: Tierärztekammer Niedersachsen

Anstieg der BTV-3-Infektionen für das Sommerhalbjahr erwartet

Die Vermehrung des BTV-3-Virus in den Gnitzen und die Stärke der Gnitzen-Population ist von warmen  Temperaturen über 25° C abhängig. (Bildquelle: Thiemann)

Im Frühjahr 2024 verhielt sich das Auftreten von Fällen des neuen Blauzungenvirus Typ 3 noch ruhig, Experten erwarten einen Anstieg der BTV-3-Infektionen über das Sommerhalbjahr. Das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) schätzt die weitere Ausbreitung des Virus jetzt so schnell ein, wie es im Rahmen des Seuchengeschehens vom Serotyp 8 (BTV-8) in den Jahren 2006 bis 2009 zu beobachten war.
Entsprechend fragen sich rinderhaltende Betriebe aktuell, wie sie ihre Herden schützen können, insbesondere in den bisherigen BTV-3-Restriktionszonen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Denn in Fällen von Infektionen drohen den Rinderhaltern wirtschaftliche Schäden durch Behandlungskosten, Leistungseinbußen und unfreiwillige Abgänge.
In den Niederlanden sind im vergangenen Jahr mehr als 50.000 Schafe und fast 8.000 Rinder an den Folgen der Virusinfektion verendet. Die Ausbruchszahlen in Deutschland sind bislang überschaubar – insgesamt sind seit dem ersten Fall im Oktober 2023 beim FLI 52 Fälle gemeldet (Stand 04.04.2024).
Die einzige Möglichkeit, Herden vor den schweren Verläufen der Virusinfektion zu schützen, würde eine Impfung bieten. Ein „richtiger“ zugelassener, geprüfter Fertigimpfstoff gegen BTV-3 steht bislang nicht zur Verfügung. Möglicherweise kann Ende Mai 2024 ein Impfstoff mit einer „Notfallzulassung“ aus der Pharmaindustrie auf den Markt kommen – allerdings ohne die üblichen zwei bis dreijährige Prüfphase am Tier.

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Fliegen, Stechmücken und Bremsen auf der Weide bedeuten Stress. Sie können bei Kühen und Jungrindern für Leistungseinbußen sorgen. Wie kann man sie bekämpfen?

BTV-3 Schutzimpfung bislang nur mit autogenen Impfstoffen möglich

Kurzfristig hat sich die Möglichkeit entwickelt, dass in den gefährdeten Regionen ein „bestandsspezifischer“, autogener Impfstoff zum Schutz vor dem BTV Typ 3 zum Einsatz kommen kann – dieser wurde aufgrund positiver PCR-Nachweise am 22.04.2024 zurückgerufen! Der Begriff „bestandsspezifisch“ ist dabei auf die gesamten betroffenen Regionen ausgeweitet worden.
  • Das in dem autogenen Impfstoff enthaltene Impfvirus ist abgetötet und beruht auf dem BTV-3 Virusisolat aus einem Schaf im Kreis Kleve von Oktober 2023.
  • Ähnlich einem früheren „bestandsspezifischen Impfstoff“, müssen autogene Impfstoffe für die jeweils zu impfenden Tiere eines Betriebes verschrieben und abgefüllt werden. Von der Verschreibung durch den Tierarzt bis zur Impfung der Tiere vergehen etwa zwei Wochen. Die Herstellungserlaubnis eines Herstellers in Niedersachsen liegt vor, sodass tierärztliche Verschreibungen an die Herstellungsfirma gesendet werden können, heißt es seitens des LAVES (Niedersachsen, Stand: 24.04.2024).
  • Durchgeführte Impfungen sind von den Tierarztpraxen in der Datenbank HI-Tier zu dokumentieren. Nach Auffassung der EU-Kommission eröffnet der Einsatz von autogenen Impfstoffen aber leider keine Möglichkeit, BTV-3 empfängliche Tiere ohne vorherige PCR-Untersuchung und Behandlung mit Repellentien in freie Zonen zu verbringen. Entsprechende Handelserleichterungen sind demnach durch diese Impfung nicht zu erwarten. So die Informationen des LANUV (NRW, Stand: 23.04.2024).
  • Wichtig: Bei jeder neuen bestandsspezifischen Impfung liegen vor dem Einsatz keine Prüfungen zu Wirksamkeit und Verträglichkeit vor. In der praktischen Anwendung wird daher eine kleine Gruppe von Tieren im Bestand vorgeimpft und bei guter Verträglichkeit der Rest der Herde nach einigen Tagen nachgeimpft – der Anwender alleine trägt das Risiko von Nebenwirkungen.
  • Gleichzeitig wird erwartet, dass die Produktionskapazitäten für die Bestandsimpfung begrenzt sind, so dass unter Umständen eine rechtzeitige Impfung vor der BTV-Saison nicht mehr möglich ist. Gleichzeitig soll die Impfung für die, mit deutlich schwereren Erkrankungsverläufen betroffenen, Schafe und Ziegen Vorrang haben.
Vor diesem Hintergrund stehen die Tierärzte und Tierhalter vor einer schweren Entscheidung. Diese muss jeder Betrieb auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit dem Hoftierarzt besprechen, erklärt Dr. Mark Holsteg vom Rindergesundheitsdienst NRW.
Aktuelle Meldungen seitens der zuständigen Behörden:
Die Tierseuchenkassen befinden sich derzeit im bundesweiten Austausch über weiteres Vorgehen sowie Beihilfezahlungen rund um das Thema Blauzungen-Virus Typ 3 – wir berichten hier, sobald es neuen Informationen gibt.

Interview: Entscheidung zur Impfung gut abwägen! (Stand: 10.04.2024)

Mark Holsteg

Rindergesundheitsdienst NRW

Für welche Betriebe kann der Einsatz des autogenen Impfstoffs sinnvoll sein?
Dr. Mark Holsteg: Eine Impfung der Rinder vor der Hauptflugzeit der Gnitzen im Juli ist zu empfehlen. Die Auswirkungen der Blauzungeninfektion sind sehr unterschiedlich, da es sich um eine Virusinfektion handelt, die unter anderem die kleinen Blutgefäße betrifft. Hauptprobleme bei Rindern sind: Fieber, Leistungsdepression, Lahmheiten und Störungen bei Trächtigkeit und Reproduktion, außerdem kommt es zur Geburt lebensschwacher Kälber. Todesfälle bei erwachsenen Tieren sind eher selten.
Wie sind die Nebenwirkungen solcher Impfstoffe einzuschätzen?
Dr. Mark Holsteg: Der Herstellungsprozess autogener Impfstoffe unterliegt staatlichen Kriterien. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit werden bei der Herstellung nicht geprüft und sind für jede autogene Vakzine unterschiedlich. Eine Bewertung der Nebenwirkungen ist im Vorfeld daher nicht möglich, die Entscheidung zur Impfung gegen BTV-3 muss jeder Landwirt gemeinsam mit dem Hoftierarzt gründlich abwägen.
Eine Bewertung der Nebenwirkungen des autogenen Impfstoffs ist im Vorfeld nicht möglich.“
Dr. Mark Holsteg
Schützt diese Art der Impfung nur die einzelne Herde vor schweren Symptomen, oder trägt sie auch dazu bei, die weitere Ausbreitung von BTV-3 einzuschränken?
Dr. Mark Holsteg: Die weitere Ausbreitung der BTV-3 ist mit einer freiwilligen Impfung wahrscheinlich nicht zu verhindern. Eine gesetzliche Pflichtimpfung, wie sie im Jahr 2007 gegen BTV-8 eingeführt wurde, ist nicht zu erwarten. Jeder Betrieb muss sich individuell schützen.
Eine Impfpflicht ist nicht zu erwarten. Jeder Betrieb muss sich individuell schützen.“
Dr. Mark Holsteg
Aktuell sind bereits aufgrund der feucht-warmen Witterung über die vergangenen Monate reichlich Mücken, Kribbelmücken etc. unterwegs – auch die BTV-übertragenden Gnitzen?
Dr. Mark Holsteg: Aktuell findet keine relevante Ausbreitung der BTV-3 statt. Die gemeldeten Fälle sind höchstwahrscheinlich Infektionen von Rinder aus dem vergangenen Jahr. Das Virus bleibt bis zu 200 Tagen im Blut von infizierten Rindern nachweisbar. Die Vermehrung des Virus in den Gnitzen und die Stärke der Gnitzen-Population ist von warmen  Temperaturen über 25° C abhängig. In normalen Jahren erreicht die Aktivität in der zweiten Jahreshälfte ihren Höhepunkt. Ich rechne im Juni mit einzelnen Nachweisen frischer Infektionen und einer stetigen Steigerung der Fälle bis zu Höhepunkt im September und Oktober.
Ich rechne mit einer stetigen Steigerung der Fälle bis zu Höhepunkt im September und Oktober.“
Dr. Mark Holsteg
Was sind autogene Impfstoffe?
Autogene Impfstoffe sind Impfstoffe, die nach ausführlicher Diagnostik individuell für einen bestimmten Bestand (= bestandsspezifisch) hergestellt werden. Sie sind eine Möglichkeit zur Immunprophylaxe, sofern die Impfung nicht verboten ist, zugelassene Impfstoffe nicht verfügbar oder nachgewiesenermaßen nicht wirksam sind.
Autogene Impfstoffe werden aus, aus dem zu impfenden Betrieb stammenden Erregerisolaten hergestellt und dürfen nur als Inaktivat-Impfstoffe eingesetzt werden. Heißt, sie enthalten nur abgetötete Krankheitserreger oder auch nur Bestandteile der Erreger. Diese regen das körpereigene Abwehrsystem zur Antikörperbildung an, ohne dass die jeweilige Krankheit ausbricht.
Autogene Impfstoffe sind sie von der Zulassungspflicht ausgenommen. Zulassungsstudien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit werden nicht durchgeführt. Um mögliche Nebenwirkungen und Schäden räumlich und zahlenmäßig zu begrenzen, dürfen diese Impfstoffe gemäß Tierimpfstoff-Verordnung nur in demselben Bestand eingesetzt werden, aus dem das jeweilige Erregerisolat stammt.
Autogene Impfstoffe sind verschreibungspflichtig. Die Herstellung darf nur von Tierärzten in Auftrag gegeben werden. Tierärzte sind stärker in die Pflicht genommen, als bei der Anwendung regulär zugelassener Impfstoffe, da es in der Verantwortung des beauftragenden Tierarztes steht, das richtige Erregerisolat auszuwählen. Er hat sicherzustellen, dass die Produkte korrekt angewendet werden, und eine Kontrolle des Anwendungserfolges durchzuführen.
Quelle: Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet)
Quellen: FLI, LAVES, LANUV, LWK NRW, StIKo Vet, Tierseuchenkasse NRW und Niedersachsen


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