Blauzungenkrankheit

Update: Blauzungenvirus Serotyp 3

In Hessen, Rheinland-Pfalz, NRW und Niedersachsen sind Fälle von BTV-3 bestätigt. Was bedeutet der neue Ausbruch der Blauzungenkrankheit und wie geht es weiter?

Blauzungenkrankheit

BTV-3: Rinder impfen oder nicht?

von Katrin Schiewer

Seit Juni dürfen in Deutschland drei Impfstoffe gegen das Blauzungenvirus Serotyp 3 eingesetzt werden. Update: Die StIKo Vet empfiehlt unverzügliche Impfung.

Aktuelle, bestätigte Fälle von BTV-3 in Deutschland

Die Blauzungenkrankheit Serotyp 3 (BTV-3) ist weiter auf dem Vormarsch: Am 05.07.2024 wurde nun ein Verdachtsfall in Hessen bestätigt, das Bundesland verliert den BTV-Freiheitsstatus. Damit einhergehen unmittelbare Handelseinschränkungen für die hessische Tierhaltung.
Am 08.05.2024 wurde nun auch im Eifelkreis Bitburg-Prüm bei einer Kuh die Blauzungenkrankheit, verursacht vom Serotyp 3, festgestellt. Somit sind auch in Rheinland-Pfalz die Bedingungen für den Status „frei vom Virus der Blauzungenkrankheit“ nicht mehr gegeben und das Bundesland gilt nicht länger als BTV-frei. Es gelten bestimmte Regelungen für das Verbringen von empfänglichen Tierarten innerhalb nicht- BTV- freier und BTV-freier Bundesländer und Mitgliedsstaaten bzw. Zonen in anderen Mitgliedsstaaten.
Ende Oktober 2023 wurde in Niedersachsen der erste BTV-3-Fall bei einem Rind in einem Mutterkuhbetrieb bestätigt. Am 25.10.2023 wurde der Ausbruch der Blauzungenkrankheit Serotyp 3 (BTV-3) in einem Schafbestand in Niedersachsen, amtlich festgestellt. Damit hat Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen (amtliche Feststellung BTV-3 in NRW am 12.10.2023) den Status „seuchenfrei in Bezug auf Infektionen mit BTV“ verloren.
Bereits seit Anfang September 2023 bestätigen sich in den Niederlanden laufend Fälle des neuen Blauzungenvirus-Typs. Mittlerweile auf über 2.000 Betrieben, darunter sind auch Rinderbetriebe. In Belgien ist ein Virusgeschehen ebenfalls nachgewiesen.
Die Ausbreitung bzw. Bestätigung weiterer Fälle in Deutschland schreitet seit Beginn des Sommerhalbjahres fort – das Virus wird schließlich über blutsaugende Gnitzen (Stechmücken) verbreitet. Bei kühleren Temperaturen wird von einer geringeren Aktivität der Gnitzen ausgegangen und damit von einer verlangsamten Ausbreitung. Seit Jahresbeginn 2024 sind zum Stand 05.07.2024 beim FLI 83 Fälle der Blauzungenkrankheit bestätigt.
Hinweis: Derzeit stehen in Deutschland für Impfungen gegen den BTV Serotyp 3 drei Impfstoffe mit einer Notfallzulassung zur Verfügung. Mehr Informationen dazu hier.

Blauzungenkrankheit

BTV-3: Rinder impfen oder nicht?

von Katrin Schiewer

Seit Juni dürfen in Deutschland drei Impfstoffe gegen das Blauzungenvirus Serotyp 3 eingesetzt werden. Update: Die StIKo Vet empfiehlt unverzügliche Impfung.

Impfung BTV-8 in Baden-Württemberg weiter empfohlen

Das Ministerium in Baden-Württemberg rät im eigenen Land dringend dazu, die Impfung gegen das Blauzungenvirus Serotyp 8, welches dort zuletzt aktiv war, weiter zu führen. Denn neben dem Risiko einer Verschleppung des neuen Serotyp 3 aus Norddeutschland, Belgien und den Niederlanden nach Baden-Württemberg besteht in Baden-Württemberg unverändert ein hohes Eintragsrisiko für den Serotyp 8 entlang der Grenze zu Frankreich und der Schweiz. Empfehlung zur BTV-Situation in Baden-Württemberg.
Um einem erneuten Ausbruch bestmöglich vorzubeugen wurde Baden-Württemberg hierzu in 3 Impfzonen mit unterschiedlich hoher Bezuschussung eingeteilt. Und zwar, um in besonders eintragsgefährdeten Bereichen durch eine höhere Bezuschussung der Impfungen eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen. Das Land und die Tierseuchenkasse Baden-Württemberg unterstützen weiterhin finanziell die Schutzimpfung.

Restriktionszonen: Tiertransport nur unter bestimmten Bedingungen

Durch das neue Ausbruchsgeschehen von BTV wird das innergemeinschaftliche Verbringen von lebenden Wiederkäuern sowie Produkten, z. B. Sperma oder Embryonen, für Deutschland eingeschränkt. Verbringungen in und aus BTV-3-freien Bundesländern können unter bestimmten Bedingungen weiterhin erfolgen. 
Innerhalb der BTV-Restriktionszonen ist der Transport von Zucht- und Nutztieren sowie Tieren zur unmittelbaren Schlachtung ohne besondere BTV-3-relevante Tiergesundheitsbedingungen möglich.
Der Handel innerhalb von Deutschland von Zucht- und Nutz- und Schlachttieren aus den Restriktionszonen in freie Gebiete können laut den Informationen des Tiergesundheitsdienst NRW (Stand 03.11.2023) unter den folgenden Bedingungen erfolgen:
Die Verbringung von Schlachttieren in BTV-freie Gebiete zur sofortigen Schlachtung ist unter folgenden Bedingungen möglich,
  • Die Tiere müssen von einer Eigenerklärung des Unternehmers begleitet sein, in der bestätigt wird, dass im Herkunftsbetrieb während der letzten 30 Tage vor der Verbringung keine klinischen Anzeichen einer BTV-Infektion aufgetreten sind bzw. kein bestätigter Fall einer BTV-Infektion und keine nicht abgeklärte Klinik, die auf eine BTV-Infektion hinweist, festgestellt wurde.
  • Die Tiere werden direkt von der Herkunftszone zum Bestimmungsschlachthof transportiert und dort innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Ankunft geschlachtet und
  • der Unternehmer des Herkunftsbetriebs hat den Unternehmer des Bestimmungsschlachthofs mindestens 48 Stunden vor der Verladung der Tiere über die Verbringung informiert.
Für den Handel mit Zucht- und Nutztieren aus nicht-BTV-3-freien in BTV-freie Gebiete sind erforderlich (Stand 03.11.2023):
  • eine Behandlung mit Repellent oder Insektizid (Insekten abwehrende Präparate) 7 Tage vor dem Transport
  • ein negativer Befund auf BTV-3 aus einem PCR-Test, der aus Blutproben stammt, die bei bereits bestehendem Schutz vor Vektorangriffen (Repellent- oder Insektizidbehandlung) und höchstens sieben Tage vor der Verbringung gezogen wurden.
  • eine Haltererklärung über die Repellentbehandlung
  • eine Tierhaltererklärung, in der bestätigt wird, dass in den letzten 30 Tagen vor dem Transport kein BTV-3 im Bestand nachgewiesen worden ist oder klinische Anzeichen für eine Infektion aufgetreten sind.
Tiere aus den ebenfalls BTV-3-positiven Nachbarländern Niederlande und Belgien dürfen ohne BTV-3 Untersuchung in die Restriktionszonen transportiert werden.

Keine besonderen Verbringungsvorgaben mehr für die Niederlande und Belgien

Update 1.11.2023: Für den Transport von Tieren aus NRW und Niedersachsen in die Niederlande und nach Belgien gibt es keine besonderen Verbringungsvorgaben mehr!

Der Transport von Nutzkälbern aus nicht BTV-3-freien Gebieten in die ebenfalls nicht freien Niederlande sowie Belgien ist nun wieder ohne gesonderte Auflagen wie Blutproben oder Repellent-Behandlung erlaubt. (Bildquelle: Frank Uijlenbroek)

Für das innergemeinschaftliche Verbringen von Tieren sind grundsätzlich die Bestimmungen der DelVO (EU) 2020/688 einschlägig und zu beachten. 
EU-Mitgliedstaaten können von den regulären Verbringungsregelungen der Absätze 1 bis 3 Ausnahmen zulassen. Diese Ausnahmen sind der EU-Kommission und den anderen Mitgliedstaaten bekannt zu machen. Die Ausnahmen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten finden sich auf der Internetseite der EU  https://food.ec.europa.eu/animals/animal-diseases/surveillance-eradication-programmes-and-disease-free-status/bluetongue_en#movements unter der Rubrik „Movements within the EU.“
Hier lautet die aktuelle Ausnahmegenehmigung der Niederlande (27.10.2023) wie folgt:
Die Niederlande akzeptieren Kälber unter 90 Tagen, die aus nicht BTV-freien Gebieten stammen, unter folgenden Voraussetzungen:
1. Die Tiere wurden mindestens 14 Tage vor der Verbringung mit einem Insektizid oder Repellent zum Schutz vor Vektoren behandelt.
2. Sie wurden in diesem Zeitraum einem PCR-Test mit negativem Ergebnis unterzogen, der anhand von Proben durchgeführt wurde, die mindestens 14 Tage nach dem Datum des Vektorschutzes entnommen wurden.
Gemäß Anhang V Teil II, Abschnitt 1, Nummer 8 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 gelten keine Bedingungen für Rinder (…) hinsichtlich BTV, Serotyp 3.“
SPRICH: Hinsichtlich des in NRW und Niedersachsen aktuellen BTV-Geschehens Typ 3, dürfen Rinder unter 90 Tage Alter ohne PCR-Test und Vektorenschutz aus NRW und Niedersachsen in die Niederlande transportiert werden.
Der Transport nach Belgien ist ebenfalls ohne gesonderte Bedingungen möglich.

Stand Oktober 2023: Noch kein Impfstoff und keine allgemeine Bekämpfungsstrategie

Im Falle einer Impfstrategie müsste ein neuer Impfstoff entwickelt werden, da es sich bei BTV 3 um einen neuen Serotyp handelt. (Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)

Zur Frage nach einer Impfstoff-Entwicklung und möglicher Bekämpfungsstrategien erklärt Prof. Dr. Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am FLI:
Bisher gibt es keinen Impfstoff für den BTV-Serotyp 3“
Prof. Dr. Martin Beer
„Bisher gibt es keinen Impfstoff für den BTV-Serotyp 3. Ob es im Jahr 2024 einen passenden Impfstoff geben wird, lässt sich ­derzeit noch nicht beurteilen. Eine verpflichtende Impfung wird es höchstwahrscheinlich nicht geben. Die Impfung würde auf freiwilliger Basis erfolgen. Ob es dann finanzielle Unter­stützungen gibt und falls ja in welchem Umfang, können wir derzeit nicht sagen. Impfstoff-Firmen wurden kontaktiert und es wurde der deutliche Bedarf an der zeitnahen Verfügbarkeit eines BTV-3-Impfstoffs artikuliert. Die Bedingungen zur ­Einschränkung einer weiteren Ausbreitung ­klären derzeit Bund und Länder.“
Eine verpflichtende Impfung ist unwahrscheinlich.“
Prof. Dr. Martin Beer

Martin Beer

Zur Frage, ob das Blauzungenvirus Serotyp 3 aggressiver ist als vorherige Varianten, erklärt Prof. Dr. Beer:
„Es gibt Hinweise aus dem Nationalen Referenzlabor in den Niederlanden, dass es insbesondere bei Schafen zu schweren Erkrankungen kommen kann, unter Umständen häufiger als es beim BTV-8-Ausbruch 2006 bis 2008 zu beobachten war. Allerdings fehlen uns bisher publizierte Daten oder eigene Beobachtungen. Das infizierte Schaf des ersten deutschen ­Ausbruchs war klinisch erkrankt, hat sich aber ­wieder erholt. Wir rechnen mit weiteren Ausbrüchen, insbesondere in NRW und Niedersachsen.“

Blauzungenkrankheit: Meldepflicht und Symptome

Die Blauzungenkrankheit unter liegt der Meldepflicht. Bei Verdacht ist die zuständige Behörde – das Veterinäramt – zu kontaktieren.
Symptomatik: Das Virus der Blauzungenkrankheit wird durch Gnitzen (blutsaugende Stechmücken) übertragen und führt bei Wiederkäuern zu akuten Verläufen mit Fressunlust, Apathie, hohem Fieber, Speichelfluss, Schwellung des Kopfes, der Zunge und der Lippen, Entzündungen am Kronsaum der Klauen mit Lahmheit und geröteten Schleimhäuten, Einbruch der Milchleistung.
Bei laktierenden Kühen stehe im aktuellen Geschehen der über Gnitzen übertragenden Infektionskrankheit ein massiver Milchverlust im Vordergrund der Symptome, schwere Krankheitsverläufe wie beim Schaf treten selten auf.
Bei schweren Verläufen können Tiere versterben, in den Niederlanden werden derzeit bei Infektionen mit BTV 3 (Oktober 2023) bei infizierten Schafen bis zu 25 Prozent Verluste verzeichnet.
Quelle: FLI
Offizielle Meldungen zum Geschehen beim FLI und Ministerium NRW

Tiergesundheit

Droht uns eine neue Rinderkrankheit?

von Silvia Lehnert

In der Schweiz ist ein erster Fall der Epizootischen Hämorrhagie (EDHV) aufgetreten. Experten des FLI raten auch im Umland zu erhöhter Wachsamkeit.

Quellen: u.a. FLI, LANUV, LAVES, Ministerien NRW und Niedersachsen, EU Kommission


Mehr zu dem Thema