Milchleistung mal Faktor 2 – mit dieser einfachen Formel wird häufig die freiwillige Wartezeit berechnet, die den frisch abgekalbten Kühen zugestanden wird, bevor sie erneut belegt werden. Dahinter steckt ein nachvollziehbares Kalkül: Je höher die Einsatzleistung bzw. je höher die Milchleistung während der ersten Laktationswochen, desto mehr Zeit benötigen die Tiere um wieder „aufzutanken“. Auch wird immer wieder unterstellt, dass ein früher Besamungsbeginn nur selten zu einer...
Milchleistung mal Faktor 2 – mit dieser einfachen Formel wird häufig die freiwillige Wartezeit berechnet, die den frisch abgekalbten Kühen zugestanden wird, bevor sie erneut belegt werden. Dahinter steckt ein nachvollziehbares Kalkül: Je höher die Einsatzleistung bzw. je höher die Milchleistung während der ersten Laktationswochen, desto mehr Zeit benötigen die Tiere um wieder „aufzutanken“. Auch wird immer wieder unterstellt, dass ein früher Besamungsbeginn nur selten zu einer Trächtigkeit führt, da die meisten Kühe noch nicht wieder bereit sind.
Wenn dem tatsächlich so wäre, dann müssten verlängerte freiwillige Wartezeiten ja automatisch zu deutlich besseren Fruchtbarkeitsergebnissen führen. Das ist aber in aller Regel nicht der Fall. Fruchtbarkeitsstörungen zählen immer noch zu den häufigsten unfreiwilligen Abgangsgründen der Tiere.
Wartezeit kurzhalten
Wenn frischgekalbte Milchkühe nach acht bis zehn Wochen nicht wieder besamt werden können, dann besteht dringender Handlungsbedarf beim täglichen Herdenmanagement. Warum? Das Herausschieben der ersten Besamung und damit einhergehende geringe Trächtigkeitsraten am 120. bis 130. Laktationstag (spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten alle frischabgekalbten Kühe wieder trächtig sein) führt zumeist zu überkonditionierten Kühen zum Zeitpunkt des Trockenstellens. Auch wenn die hochtragenden Kühe nicht auf den ersten Blick sogleich als „verfettet“ eingestuft werden, haben die meisten doch zu viele Reserven angelegt.
Hier kommt der Body Condition Score, BCS, ins Spiel. Er ist ein praktisches Managementtool, um den Körperfettanteil von Kühen zu bestimmen. Veränderungen im BCS sind zudem ein guter Marker für die Energiebilanz einer Kuh. Der BCS wird auf einer Skala von 1 (extrem abgemagert) bis 5 (stark verfettet) gemessen.
Neuere Studien belegen, dass selbst bei hochleistenden Holsteinkühen die bislang unterstellten BCS-Werte zu hoch angesetzt sind. Holsteins sollten zum Trockenstellen einen BCS von rund 3,0 aufweisen, so die Empfehlung von Repro-Spezialist Paul Fricke von der Universität Wisconsin.
„Das kann doch gar nicht sein“, werden sich jetzt viele Herdenbetreuer denken, „bei Milchleistungen von über 10.000 kg, Tagesleistungen zum Trockenstellen von mehr als 25 kg Milch, verfettet doch keine Kuh am Laktationsende!“ Leider doch! Das Problem ist auch nicht die Körperkondition an sich, sondern vielmehr das massive Einschmelzen von Körperfett nach der nächsten Kalbung.
Möglichst „schlank“ zum Abkalben
Die Ergebnisse mehrerer, mit vielen Tausend leistungsstarken Kühen durchgeführten Studien belegen, dass jede dritte Kuh nach dem Kalben krank geworden ist, sofern sie in den ersten 30 Tagen mehr als 0,5 BCS-Punkte eingeschmolzen hat. Schon 1992 stellte der Tierarzt und Wissenschaftler Jack Britt die Hypothese auf, dass der Verlust von BCS nach der Kalbung, also eine negative Energiebilanz, negative Einflüsse auf die Follikelentwicklung und damit die Fruchtbarkeit der Kühe hat. Mittlerweile wurde dieser kausale Zusammenhang zwischen einer BCS-Veränderung und dem Auftreten von Erkrankungen in den ersten Laktationswochen und -monaten vielfach überprüft und bestätigt.
Bleibt festzuhalten: Kühe, die nach der Abkalbung Körpersubstanz (BCS) verlieren, haben eine schlechtere Fruchtbarkeit als solche, die ihren BCS halten oder sogar im BCS zulegen können. Die Kernfrage ist also, welche Faktoren beeinflussen, wie sich die Körperkondition, der BCS einer Kuh nach der Abkalbung verändert?
1 | Lange ZKZ „fördert“ BCS-Verluste
Ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung des BCS nach der Kalbung scheint der BCS drei Wochen vor der Kalbung zu sein. Über 90 % der Kühe, die zu diesem Zeitpunkt einen BCS von über 3,0 aufweisen, verlieren nach der Kalbung Substanz, während es bei einem BCS unter 3,0 nur 34 % der Tiere sind. Außerdem konnte in Studien nachgewiesen werden, dass Kühe, die nach der Kalbung ihren BCS erhöhten oder hielten, später zu einem deutlich geringeren Anteil an Metritis, Mastitis, Ketose oder Pneumonie litten (40 %) als Tiere, die BCS verloren (60 %).
2 | Mehr Mastitiden und Lungenentzündungen bei BCS-Verlusten
Das Ziel sollte es also sein die Abkalbung überkonditionierter Tiere zu vermeiden, um einem übermäßigen BCS-Verlust entgegenzuwirken und zeitgleich eine bessere Fruchtbarkeit und Gesundheit in der Herde zu etablieren. Wie kann also vermieden werden Tiere mit einem hohen BCS (überkonditionierte Tiere) zur Abkalbung zu haben?
Kühe, die es nicht schaffen, nach der freiwilligen Wartezeit zeitnah tragend zu werden, z. B. aufgrund gesundheitlicher Probleme, verbringen mehr Zeit in der späten Laktation mit einer niedrigeren Leistung. Sie neigen zu einem höheren Fettzuwachs in dieser Zeit und exzessiver Fettmobilisation in der folgenden Transitphase. Das betrifft durchaus auch hochleistende Kühe, denn diese könnten theoretisch ja noch mehr Milch geben als ohnehin schon.
Studie mit 850 Kühen
In einer auf einer großen Milchfarm im US-Bundestaat Michigan durchgeführten Studie wurden 850 Kühe aus einer Herde mit einer durchschnittlichen Tagesleistung von 42 kg Milch im Zeitraum einer Woche vor der Kalbung bis drei Wochen nach der Kalbung beobachtet. Hierbei konnte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der vorherigen Zwischenkalbezeit und dem BCS-Verlust nach der aktuellen Kalbung festgestellt werden (siehe Übersicht 2); je länger die Zwischenkalbezeit, desto stärker der BCS-Verlust!
Die Länge der Zwischenkalbezeit wird von drei Parametern bestimmt:
- Trächtigkeitsdauer (circa 280 Tage),
- freiwilliger Wartezeit (betriebsindividuell),
- Güstzeit (Zeit von Kalbung bis Trächtigkeit).
Da die Wartezeit und die Güstzeit maßgeblich von den Entscheidungen des Herdenmanagers abhängen, lässt sich hier steuernd auf die Fruchtbarkeit einwirken. Wird die Zwischenkalbezeit kurz gehalten, „verfetten“ unabhängig von der Milchleistung weniger Kühe am Laktationsende, der BCS-Verlust nach der Kalbung minimiert sich, weniger Kühe erkranken (schwer), die Kühe werden nach dem Abkalben schneller wieder tragend. Besteht hingegen der Wunsch, die Zwischenkalbezeiten bewusst zu verlängern, bedarf es eines sehr guten Controllings über die gesamte Laktation hinweg (u. a. Anpassung der Futterration) und einem sehr guten Besamungsmanagement, um dem Verfetten der Kühe vorzubeugen!
Die Kuh zeigt Brunstsymptome, obwohl sie laut Untersuchung tragend sein soll. Was sind die Gründe und weist das auf Fehler im Management hin?
Geringere Milchleistung einkalkulieren
Wir wissen nun, dass eine längere Zwischenkalbezeit und ein damit einhergehender höherer BCS-Verlust nach der Kalbung sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken. Leider aber ist er positiv mit der Milchleistung verbunden. Im Klartext: Kühe mit einem höheren BCS-Verlust geben in den ersten Laktationswochen mehr Milch. Es muss also sorgfältig zwischen Fruchtbarkeit und Erkrankungs- bzw. Remontierungsrate auf der einen und einer maximalen Milchleistung auf der anderen Seite abgewogen werden.
Konkrete Tipps, zum Erreichen einer top Fruchtbarkeit in einer hochleistenden Milchkuhherde von Paul Fricke:
- BCS-Bestimmungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten: drei Wochen vor der Kalbung, zur Kalbung, drei Wochen nach der Kalbung und zur Besamung.
- Gegebenenfalls gezielte Nutzung von hormonellen Fruchtbarkeitsprogrammen (Pre-/Ovsynch), um die Kühe zum „richtigen“ Zeitpunkt tragend zu bekommen.
- Maximale Anzahl an Besamungen pro Kuh im Vorhinein festlegen.
- Fütterungsstrategien für spätlaktierende Kühe erarbeiten, um eine Verfettung zu vermeiden.
Exakte Hormongaben (Menge und Uhrzeit) eines OvSynch-Programms sind für den Erfolg unerlässlich. Wieso bullen Kühe dennoch außer Plan und was ist dann zu tun?