In den Ställen der Milchproduktion Kreinitz GmbH steht eine neue Herde: Vor kurzem wurden die Holsteins gegen Jerseys getauscht. Über Erfahrungen, Rückschläge und Erfolge.
Alle Augen und Ohren sind auf die beiden Menschen gerichtet, die gerade den Futtertisch betreten. Für einen Moment scheint die Kuhherde erstarrt, dann kommt wieder Bewegung rein. Einige Jerseys kommen neugierig nach vorne. Andere widmen sich wieder genüsslich dem Wiederkäuen oder neigen den Kopf zur Ration, wo ihre Nasen in dem vorlegten Futter abtauchen. „Die Jerseys wühlen richtig und wollen sich das Beste herauspicken“, erzählt Herdenmanagerin Christine Freitag.
Sie ist fasziniert von den 560 Jersey-Kühen. Denn solange gibt es die braun-beige Herde noch gar nicht auf dem Betrieb. Mehr als zehn Jahre lang betreute Christine Freitag hier schwarzbunte Holsteins. „Der Stall wurde den immer größer werdenden Kühen am Ende nicht mehr gerecht“, berichtet sie. Für den Betriebsleiter Sander Hendriks war klar: Entweder wir bauen neu oder wechseln die Rasse. In Absprache mit den Mitarbeitern entschied man sich für Letzteres.
Die zugekauften Jerseys stammen größtenteils aus Dänemark.
(Bildquelle: Thiemann)
Jerseys aus Dänemark
Geplant war, dass sie zwei bis drei Jahre brauchen für den Bestandswechsel. Doch dann ging alles viel schneller. Auf einen Schlag konnte Sander Hendriks eine komplette Herde aus Dänemark kaufen – rund 200 Tiere. „Da war alles dabei“, erzählt Christine Freitag. „Von Jungkühen bis hin zur achten Laktation.“
Ein Teil der Holsteinherde wurde verkauft und eine komplette Stallseite frei gemacht. „Einfach war das nicht, die Holstein-Kühe abzugeben. Man hat ja doch so seine Lieblinge“ sagt sie. Doch für Wehmut blieb keine Zeit. Schon rollten die Lastwagen mit der ersten Gruppe Jerseys auf den Betrieb. Ein Jahr lang standen dann zwei verschiedene Rassen in den beiden Ställen rechts und links vom Melkstand.
Nur die Rinderpässe und ein Zettel
Die Umstellung war anstrengend, aufregend, aber auch schön.
Christine Freitag
Auf einmal 200 fremde Kühe auf dem Betrieb zu haben – wie ist das? Christine Freitag erinnert sich: „Es war vor allem aufregend, weil es mal etwas ganz anderes war. Die Zeit war unglaublich anstrengend, aber auch schön.“ Außer dem Rinderpass und einem Zettel mit den Besamungsdaten hatte der Betrieb keine weiteren Informationen zu den neuen Tieren. Als erstes wurden Blutproben gezogen und zur Sicherheit nochmal TUs durchgeführt.
Kein leichter Start
Im Melkstand herrschte anfangs großes Chaos. Die Melkbecher waren zu groß für die kleinen Striche der Jerseys. Das Melkgeschirr fiel beim Melken einfach ab. Die Tiere konnten sich im Melkkarussell drehen. Aber man konnte auch nicht alles anpassen - es wurden ja noch Holsteins gemolken. „Ich würde jedem raten, nicht zwei verschiedene Rassen gleichzeitig zu melken“, spricht Christine Freitag daher aus Erfahrung. Auch für die Melkerinnen und Melker war diese Zeit eine Bewährungsprobe. „Wir haben vor dem Rassenwechsel nicht so darüber nachgedacht, weil wir dachten: ,Kuh ist Kuh'", gesteht die Herdenmanagerin.
Nach und nach konnte der Bestand weiter mit Jerseys aufgestockt werden. Die letzten Holsteins verließen 2022 den Betrieb. Im Juli 2023 kam der letzte Lastwagen mit 43 tragenden Jersey-Färsen aus Dänemark.
Von zweimal auf dreimal Melken umgestiegen
Gemolken wird mittlerweile dreimal am Tag. „Bei den Holsteins haben wir nur zweimal gemolken, aber das schien den Jerseys zu langweilig zu sein.“ Christine Freitag blickt über die Herde. „Bei denen hab ich das Gefühl, die müssen mehr beschäftigt werden.“
Bei der Milchleistung können die Jerseys nicht mit den Schwarzbunten mithalten. Der Durchschnitt liegt bei 22,5 kg Tagesleistung. „Dafür sind die Inhaltsstoffe aber sehr gut“, sagt Christine Freitag. Sie zeigt auf ihrem Handy die Daten der letzten Tankabholung. 5,54 % Fett und 4,34 % Eiweiß. „Dabei sind die Inhaltsstoffe durch die warmen Temperaturen schon etwas zurück gegangen“, sagt sie. Anfang Mai lagen die Fettprozente beispielsweise noch bei 5,85 %.
Die Milch wird an zwei Molkereien geliefert. Holland-Jersey – eine niederländische Molkerei, die ausschließlich Jersey-Milch verarbeitet - kommt zwei bis dreimal pro Monat. Der Rest der Milch geht an die regionale Heinrichsthaler-Molkerei, die überwiegend Käse produziert.
Im Herbst nach der Umstellung kamen dann die ersten Jersey-Kälber auf dem Betrieb zur Welt. Die Kälberaufzucht lief bei den schwarzbunten Kälbern reibungslos, erklärt Christine Freitag. Doch bei den Jerseys traten schnell Probleme auf. Die Kälber erkrankten, einige starben. „Das war eine schmerzhafte Erfahrung“, sagt sie betrübt. „Mir tat auch die Kälberfrau so leid in der Zeit.“ Doch man holte sich schnell Hilfe und passte die Haltung an vielen Stellen an.
Kolostrum: Statt nur am ersten Tag Kolostrum zu vertränken und dann auf Milchaustauscher umzusteigen, bekommen die Jersey-Kälber drei Tage lang das Kolostrum bzw. die Transitmilch verabreicht. Die Qualität wird mit einer Spindel getestet.
Tränke: Die Tränke wurde von Milchaustauscher auf warme Vollmilchtränke umgestellt. Zu der Vollmilch wird ein Milchpulver mit extra Eiweiß zur weiteren Aufwertung gegeben.
Decke: In den kalten Monaten werden die Kälber konsequent eingedeckt. Das mussten sie bei den Holsteins nicht machen, doch bei den Jerseys geht es ohne Decke nicht.
Pärchenhaltung: Zusätzlich zu der Decke kommen die Kälber im Winter zu zweit in eine Box, um sich gegenseitig Wärme zu spenden.
Im Winter drinnen, im Sommer draußen: Außerdem sind die Kälber nun im Winter im Stall untergebracht, um Zugluft zu vermeiden. Den Sommer verbringen sie draußen im Iglu.
Ab dem ersten Tag Heu, Pellets und Wasser zur freien Verfügung: Dafür wurden sie sogar vom Veterinärsamt gelobt.
„Mein Chef wollte, dass wir nur 25 % der Jerseys gesext besamen“, sagt die Herdenmanagerin. „Da habe ich gesagt: Das schaffe ich nicht. Was, wenn es bei der ersten Besamung nicht klappt? Es ist doch etwas anderes Jerseys anstatt Holsteins zu besamen.“ Mittlerweile werden alle Kühe ab der dritten Laktation mit Weißblaue-Belgier-Sperma belegt. Bei der Bullenauswahl wird vor allem auf Leichtkalbigkeit geschaut.
„Wenn mir eine ältere Kuh gut gefällt, dann drücke ich auch mal ein Auge zu“, sagt Christine Freitag. An das Besamen der anderen Rasse hat sie sich mittlerweile gewöhnt: „Eigentlich ist es sogar einfacher bei den Jerseys. Die sind handlicher, kleiner und fruchtbarer.“
Die Kreuzungskälber aus Jersey und Weiß-Blau-Belgier sehen alle unterschiedlich aus. Dabei haben diese drei Kälber sogar den gleichen Bullen als Vater.
(Bildquelle: Thiemann)
Bei den Jungrindern war es eine besonders große Umstellung. Mit 13 Monaten werden sie besamt. „Ich stand da und dachte: Die kann ich doch jetzt unmöglich besamen, so klein wie die sind.“ Bei den jungen Tieren macht sich der Größenunterschied nochmal deutlich bemerkbar.
Bei den Jungrindern stand ich da und dachte: Die kann ich doch jetzt unmöglich besamen.“
Christine Freitag
Die besamungsfähigen Rinder stehen in einem neueren Stallkomplex, der circa dreizehn Jahre alt ist. Die Liegeboxen wurden durch eine Bugplatte verkürzt und auch in der Breite verkleinert.
Die Liegeboxen wurden mit einer Holzlatte vorne verkürzt und die Bügel schmaler eingestellt.
(Bildquelle: Thiemann)
Ein gutes Team hält zusammen
Groß ausfallen darf bei der Milchproduktion Kreinitz keiner. „Das ist aber überall so. Man findet keine Leute. Es ist einfach ein schwerer Job. Ich bin immer abrufbereit. Wenn ich nachts um zwölf herkommen muss, dann komm ich auch. Das ist so, wenn man mit Tieren arbeitet“, erzählt Christine Freitag. Arbeitskräfte kommen zum Teil über eine Vermittlung, es gibt aber auch viele Festangestellte, die schon länger dabei sind. „Die sind alle Gold wert“, sagt Christine Freitag, die selbst hier vor fünfzehn Jahren als Kälberfrau angefangen hat.
An der Entscheidung die Rasse umzustellen, haben sie in den ersten Monaten schon gezweifelt. Darüber gesprochen haben sie nicht. „Das hat jeder so für sich selbst ausgemacht“, sagt Christine Freitag. „Aber bereuen tun wir es auf keinen Fall. Die Jerseys kommen gut zurecht in den Ställen. Mittlerweile läuft alles super.“ So gut, dass der Betriebsleiter darüber nachdenkt in Zukunft einen weiteren Stall zu bauen und die Herde zu vergrößern.
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