Elite Dairy Tour 2024

Mit Spitzenleistung der Trockenheit getrotzt

In trockenen Jahren Mais ohne Kolben ernten oder teuer Futter zukaufen? Die Agrargenossenschaft eG Dobra reagiert auf die Trockenheit mit einem ausgeklügelten Anbaukonzept.

Zwischen kleinen Hügeln schlängelt sich eine Landstraße vorbei an Maisfeldern in Richtung Thiendorf, eine Gemeinde im Norden von Sachsen. Bei unserem Besuch Ende Juli haben die Maispflanzen mit dem Fahnenschieben begonnen. Doch die grüne Idylle trügt: Einige Blätter der Pflanzen sind eingerollt - ein erster Indikator für Wassermangel. Obwohl es in diesem Jahr in Deutschland vergleichsweise viel geregnet hat. Aber Wasserknappheit ist in dieser Region ein wiederkehrendes Problem.

Der Betrieb liegt in einem Dürregürtel. Der Ackerbau ist daher herausfordernd. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Das wird auch im Gespräch mit Andreas Richter, Betriebsleiter auf der Agrargenossenschaft eG Dobra, schnell deutlich. „2021 zu 2022 haben wir für über eine Million Euro Grundfutter zugekauft“, erzählt er ganz offen. „Gott sei Dank hatten wir durch den hohen Milchpreis ein gutes Wirtschaftsjahr, so dass die hohen Futterzukäufe den Betrieb nicht so stark belastet haben“, fügt er hinzu. Dennoch: Das Geld ist weg.
Das Gebiet liegt in einem regelrechten Dürregürtel. Die trockenen Jahre häufen sich. Vor allem im Frühjahr und Frühsommer haben sie mit extrem niedrigen Niederschlägen zu kämpfen, was zu geringen Erträgen im Grünland und Mais führt. Hügel, Baumreihen, Wiesen und Wälder durchziehen die Flächen, die mit durchschnittlich zehn Hektar deutlich kleiner strukturiert sind als in den umliegenden Regionen. Eine Installation von Bewässerungsanlagen ist daher nicht möglich.
„Wir haben schonmal am ersten August Mais ohne Kolben gehäckselt, da stand der gerade mal tischhoch.“
Andreas Richter
Zudem ist der Betrieb in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen und benötigt daher heute mehr Futter. Mittlerweile werden knapp 1.300 Milchkühe mit einer stolzen Leistung von knapp 13.000 kg Milch gemolken, die gesamte weibliche Nachzucht aufgezogen und Mastbullen gehalten.
Zur Sicherung des Grundfutters in passender Menge und Qualität hat der Betrieb verschiedene, ausgeklügelte Anbaustrategien etabliert. Dazu gehört der Anbau und das frische Zufüttern von Luzerne, GPS-Roggen- und Hafer-Anbau, Mais im Strip-Till-Verfahren zu legen, intensive Grünlandpflege...

Ein Rundgang über den Betrieb

Betriebsspiegel

  • 1.295 Holsteinkühe plus 1.300 weibliche Nachzucht und 920 männliche Kälber und Bullen
  • 13.050 kg Milch, 3,75 % Fett; 3,40 % Eiweiß
  • Melken: Dreimal täglich im GEA-2x20er Side-by-Side-Melkenstand
  • Betriebsfläche ca. 1.860 ha (circa 425 ha Eigentum; Rest Pachtflächen) davon für den Futterbau: 490 ha Dauergrünland, 1.370 ha Ackerland
  • 18 bis 40 Bodenpunkte (lehmiger Sand), ca. 600 mm Jahresniederschlag
  • Biogasanlage (450 KW), Inputstoffe: Gülle, Stallmist, Silageabfälle

Mit Grünroggen die Futterlücke schließen

Von den 550 ha Mais sind 150 ha Zweitfrucht nach Futterroggen. Den bauen sie zur Sicherheit jedes Jahr an. „Dann haben wir in Jahren in denen es sehr trocken ist und wir keinen zweiten Schnitt ernten können, wenigsten schonmal 1.500 Tonnen Roggen liegen“, sagt Andreas Richter. Der GPS Roggen gelingt eigentlich immer, spricht er aus Erfahrung. „Wir versuchen ihn sehr zeitig zu ernten, am Ende des Fahnenblattstadiums, um eine hohe Verdaulichkeit zu erreichen, weil wir davon Milch melken wollen und nicht die Biogasanlage füttern möchten.“ In der Regel ist das Ende April. „Meistens ist der schon vor dem ersten Schnitt weg“, ergänzt Jonas Rühle, Leiter der Pflanzenproduktion.
Je nach Bedarf bauen sie nach der Getreideernte (Gerste, Weizen oder Roggen) noch bis zu 300 ha Hafer-GPS an. „Wir entscheiden dann von Jahr zu Jahr, ob wir den Aufwand betreiben“, sagt Andreas Richter. Je nachdem wie die Futtersituation in diesem Jahr ist. Fällt die Entscheidung dafür, wird der Hafer Ende Juli bis Mitte August ausgesät und Ende Oktober/Anfang November geerntet. Das haben sie schon einige Male mit Erfolg gemacht - im vergangenen Jahr hat es allerdings nicht so gut geklappt. „Der Aussaattermin ist sehr wichtig“, erklärt Jonas Rühle. „Man muss versuchen, den Hafer möglichst früh in den Boden zu bringen.“

Anbau im Strip Till-Verfahren

Seit drei Jahren bauen sie außerdem 95 % der Maisflächen im Strip Till-Verfahren an. Vom Pflügen und dem tiefen Grubbern haben sie sich aufgrund der Trockenheit verabschiedet. Bisher sind sie mit den Ergebnissen zufrieden. Bei Trockenheit zeigen die Unterschiede in den Beständen deutlich, dass die Strip-Till-Flächen länger durchhalten. „Gerade nach dem Futterroggen-Anbau macht das absolut Sinn“, sagt Andreas Richter.
Der Boden ist vorwiegend lehmiger Sand mit Bodenpunkten von 18 bis 40. Innerhalb der Schläge besteht aber viel Heterogenität, weshalb sie Mais seit drei Jahren teilflächenspezifisch anbauen.
Auch das richtige Erntezeitfenster ist entscheidend. „Wenn man so ein Backofenwetter hat wie letztes Jahr, kommt man mit der Ernte vom Mais nicht hinterher. Wir brauchen circa drei bis vier Wochen für das Häckseln der 550 ha. Bei über 30 Grad konnten wir dabei zusehen, wie alles gleichzeitig zusammentrocknet ist. Angefangen haben wir mit 32 % TS und aufgehört mit 50 %“, erinnert sich Andreas Richter. „Und damit müssen wir irgendwie Milch produzieren.“

Frisches Gras oder Luzerne füttern

Um in knappen Jahren Futterlücken zu schließen und die Schmackhaftigkeit der Ration zu erhöhen, haben sie außerdem die Frischgrasfütterung ausprobiert. Das hat sich bewährt. Dafür haben sie sich letztes Jahr extra einen großen Ladewagen mit einem 400er Frontmähwerk zugelegt. Das frische Futter wird richtig in die TMR mit eingemischt, um Selektion zu verhindern. „Wir haben sowieso immer eher trockene Silagen und anstatt Wasser kommt eben Frischfutter in die TMR“, sagt Andreas Richter. Dieses Jahr ist es Luzerne, die auf hundert Hektar direkt am Betrieb angebaut wird. Bis kurz vor unserem Besuch kam sie noch frisch in die Ration. Mit dem Ladewagen kommen sie auf eine theoretische Schnittlänge von 3,5 – 4 cm. Das ist nicht ganz optimal. Die Gras- und Maissilage häckselt der Betrieb deutlich kürzer. Aber es funktioniert so gut, dass sie keine Selektion des Futters beobachten können.
„Wir haben jetzt mit der frischen Luzerne aufgehört, weil wir bei den Temperaturen keine Qualität mehr hinkriegen“, erklärt der Betriebsleiter. Die Luzerne wird zu schnell alt, der Rohfasergehalt steigt. In diesem Jahr haben sie bereits am 10. April mit der Luzerneernte begonnen und teilweise drei Schnitte auf den Flächen geerntet.

Im Mischwagen wird die frisch gemähte Luzerne mit in die Ration eingemischt. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Selber die Ration anpassen

Die Rationsberechnung nach CNCPS macht Andreas Richter selbst. Seitdem er sich das vor drei Jahren angeeignet hat, hat ein ganz anderes Verständnis für Futtermittel bekommen, traut sich mehr Kraftfutter einzusetzen. Die neue Futterberechnung hat ihnen außerdem einen großen Schub in der Milchleistung gebracht – von 10.700 auf mittlerweile knapp 13.000 kg.
Die Ration der laktierenden Herde besteht derzeit aus Gras, Mais, Biertreber, Getreidemix, Maisschrot, Rapsschrot, kleine Menge getoastete Sojabohne, pansengeschützte Fette und Ausgleichsfuttermittel/Mineralstoffe. Gefüttert wird nach Leistung. Die Trockensteher erhalten eine zweiphasige Fütterung mit einer extensiven, energiearmen Far-off-Ration über fünf Wochen, gefolgt von einer angesäuerten Close-up-Ration über drei Wochen (DCAB -110).

Grassilage wird vorgemischt

Die Grassilage wird vorgemischt, bevor sie in die TMR kommt, damit sie in der Ration später auch wirklich homogen ist. „Rechts im Stapel kann völlig anderes Futter sein als links im Stapel, die Schichten im Silo unterscheiden sich sehr stark“, erklärt Andreas Richter. Dass die Silage im Silo so heterogen ist, hängt mit der Flächengröße des Betriebes und dem Erntezeitfenster zusammen: Der erste Schnitt dauert zehn Tage.

Die Trockensteher bekommen eine zweiphasige Fütterung. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Nachsaat und Rohrschwingel

Damit die Grassilage gelingt, investiert der Betrieb viel. Für die optimale Nährstoffversorgung wird intensiv gedüngt. Die erste Gabe ist meist mineralisch, auch weil sie im Frühjahr nicht mit der schweren Gülletechnik auf die Grünlandflächen fahren wollen. Ausbringen tun sie die Gülle mit Schlitzgerät direkt in die Erde.
Außerdem wird beinahe jährlich nachgesäht – für 20.000 € Saatgut gekauft. Aber der Aufwand ist es Andreas Richter wert. Im Dauergrünland setzt er auf weidelgrasbetonte Nachsaatmischungen. Rohrschwingel, Knauelgräser und Rispen halten sich sowieso auf den Flächen und kommen gerade nach trockenen Jahren sofort wieder.
Im Ackerfutterbereich bauen sie zu 90 % sanftblättrigen Rohrschwingel an. Er steht auf Flächen, auf denen sie Probleme haben, vernünftigen Mais zu ernten. „Das Zeug wächst eigentlich immer sofort wieder los, wenn es ein bisschen Wasser kriegt“, beobachtet Jonas Rühle.

Zugekauftes Futter selber ernten

Trotz der verschiedenen Maßnahmen kommt es vor, dass der Betrieb Futter zukaufen muss. „Wenn unsere Flächen vertrocknen, vertrocknen auch die Nachbarflächen.“ Daher können sie nicht aus direkter Nähe zukaufen. Das Problem sind außerdem die Qualitäten, denn die meisten umliegenden Betriebe produzieren Silagen für gewerbliche Biogasanlagen. Bedeutet: Wenn sie zukaufen, dann aus weiter entfernten Regionen.
Wenn wir zukaufen, wollen wir selber ernten!
Andreas Richter
Darum kümmert sich Andreas Richter frühzeitig, sobald ein trockener Sommer absehbar ist, damit er selber die Ernte der zugekauften Bestände durchführen kann und somit die passenden Häckselqualitäten sicherstellt. Das macht er aber nicht nur beim Futter so, sondern auch beim Stroh. Dafür hat der Betrieb extra eine Strohpresse mit TS-Messer gekauft.
Mit den Unsicherheiten im Futterbau hat der Betriebsleiter nach fast 15 Jahren Betriebszugehörigkeit gelernt umzugehen. Sein Fazit: Letztendlich muss man flexibel sein und vorausschauend planen!

Das hat uns beeindruckt:

In die Zukunft investiert
In den letzten Jahren hat der Betrieb intensiv in die Tierhaltung investiert – und das gut durchdacht mit Fokus auf Tierwohl und aktuellen Empfehlungen. Ein Boxenlaufstall im Zweireiher für die Kühe, ausreichend Luft durch Ventilatoren, bequeme Tiefliegeboxen… Selbst die Jungrinder genießen Komfort in einem eigenen, großzügigen, modernen Boxenlaufstall.
Den Herausforderungen optimistisch gegenüberstehen:
Nicht nur die Trockenheit ist eine Schwierigkeit für den Betrieb, sondern auch die extreme Dorfnähe, Fachkräftemangel, Bürokratie... Trotzdem hat man hier das Gefühl, dass allen Herausforderungen lösungsorientiert begegnet wird. Für die Dorfbewohner veranstalten sie z.B. regelmäßig Hoffeste. Um Mitarbeiter zu binden, wird selbstverständlich mehr als Mindestlohn gezahlt, Mittagessen angeboten, Betriebskleidung und Tankgutscheine gestellt und insgesamt der Teamzusammenhalt gefördert.
Das optimierte Herdenmanagement und die starke Zucht:
Auch im Stall merkt man, dass alle Prozesse durchdacht sind und der Fokus auf der Optimierung von Leistung und Gesundheit liegt. Viele Empfehlungen wurden hier schon früh umgesetzt wie z.B. das Bilden einer eigenen, stabilen Färsengruppe. Das Erstkalbealter hat sich bei 24 Monaten eingependelt, nachdem sie schon einmal unter 22,5 Monaten lagen. Aber Andreas Richter waren die jungen Tiere nicht entwickelt genug. Jetzt erreichen die Färsen eine Leistung in der ersten Laktation von 11.800 kg im Schnitt. Grund dafür ist aber auch die gute Zucht auf die ein besonderes Augenmerk gelegt wird. Dafür werden alle weiblichen Kälber aufgezogen und genotypisiert (bereits seit 2016!).

Erfolgsfaktoren im Stall

Fütterung: Ein Erfolgsfaktor ist ganz klar die ausgeklügelte Fütterung. Dadurch, dass Andreas Richter selber die Rationen berechnet, ist er nah dran, kann schnell Anpassungen vornehmen und handeln. Dass es funktioniert beweist der starke Leistungsanstieg seit er auf die Berechnung nach CNCPS umgestiegen ist.
Bei den Kleinen fängt es an: Schon bei der Kälberaufzucht wird auf die Details geachtet. Der Kälberstall liegt zentral auf dem Betrieb, so dass die Kleinen immer im Blick sind. Moderne Stallungen und Technik schaffen einen optimalen Start ins Leben. Dazu gehören Impfungen gegen Rindergrippe, Aufstallung der Gruppen im Rein-Raus-Prinzip für besondere Hygiene, langes Vertränken von Transitmilch…
Die personelle Besetzung (ein starkes, motiviertes Team!) und der gelebte Vorsatz trotz elektronischer Hilfsmittel die Nähe zum Tier nicht zu verlieren!

(Bildquelle: Elite Magazin)

Wir sind mitten drin: Elite nimmt Sie wieder mit auf große Reise! Diesmal zu Milcherzeugern in Deutschland, Österreich, der Schweiz und sogar in Südtirol! Folgen Sie uns.


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