Lüftung, Licht und Befeuchtung an eine einzige Steuerung hängen und nur mit einer App bedienen? Das wünscht sich wohl jeder Betriebsleiter. Erste Lösungen gibt es am Markt. Pioniere berichten.
Im neuen Kuhstall von Karl Müller aus Allmansweiler in Oberschwaben schließen die Curtains und der Hubfirst bei Schlagregen, Sturm oder Frost automatisch. Das Lichtprogramm läuft per dimmbarer LED-Beleuchtung ebenfalls automatisch ab. Das regelmäßige Rühren...
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Im neuen Kuhstall von Karl Müller aus Allmansweiler in Oberschwaben schließen die Curtains und der Hubfirst bei Schlagregen, Sturm oder Frost automatisch. Das Lichtprogramm läuft per dimmbarer LED-Beleuchtung ebenfalls automatisch ab. Das regelmäßige Rühren der Gülle mit den zwei elektrischen Tauchrührwerken ist per Zeitschaltuhr voreingestellt und sobald die Futterschnecke in der Kraftfutterstation leer ist, erhält der Milchviehhalter eine Push-Nachricht aufs Handy.
Möglich macht das ein neues Steuerungssystem der Firma Lock aus Ertingen – das so genannte SBE Farm-Management-System – das all diese Funktionen integriert und das über nur eine App zu steuern ist.
Karl Müller ist einer der ersten Milchviehbetriebe in Deutschland, die damit ausgestattet wurden. Für seinen Betrieb mit 150 Kühen ist er schon jetzt davon überzeugt und überlegt bereits, es auch im Altstall zu installieren. „Ich kann bequem von zuhause aus sämtliche Funktionen im Stall mit einer App steuern und brauche nicht x verschiedene Programme“, betont Müller. Die erfassten Messwerte des Systems schaut sich der Betriebsleiter nicht groß an, dafür fehlt ihm im Alltag die Zeit. „Ich reagiere nur auf Push-Nachrichten.“
Mit einer App lassen sich sämtliche Funktionen im Stall wie Lüftung, Licht, Schieber etc. steuern. Nur die Melktechnik lässt sich bisher nicht in die neue Lock-Steuerung integrieren.
(Bildquelle: Lehnert )
Mehrere Sensoren installiert
Für die Curtains- und Firststeuerung ist in seinem Stall nicht nur die Wetterstation außerhalb des Stalles verantwortlich, sondern auch Temperatur- und Luftfeuchtesensoren, die in gewissen Abständen über den Tieren hängen. Der ideale Messpunkt dafür ist ca. 3 m über den Tieren, erklärt Christian Weiß von Fa. Lock, der vor der Installation der Steuerung einen individuellen Stallklimacheck vor Ort durchgeführt hat.
Für die Steuerung der Beleuchtung hängt ebenfalls ein Lichtsensor im Stall und für den Füllstand ist in der Futterschnecke ein Sensor montiert. Wenn Karl Müller, wie geplant, auch noch die Kuhdusche und die Ventilatoren über die Lock-Steuerung laufen lässt, hat er sechs Funktionen in einer App vereint.
Karl Müller hat in der Kraftfutterstation einen Sensor installiert. Über den Kühen hängen Temperatursensoren.
(Bildquelle: Lehnert )
Ein Temperatursensor im Hubfirst. Sinnvoll ist eine Steuerung, die z.B. ab – 7°C die Öffnung verhindert und den Stall in diesen Fällen dann über die Curtains stoßlüftet.
(Bildquelle: Lehnert )
„Früher waren dafür sechs verschiedene Steuerungen und sechs Apps nötig“, erklärt Tobias Jäggle von Fa. Lock die Vorteile. Dadurch ergebe sich nicht nur eine Arbeitszeiteinsparung sondern auch ein deutlicher Kostenvorteil, außerdem habe man bei Störungen nur einen Ansprechpartner. Konkrete Zahlen zu den Kosten will der Firmenvertreter allerdings nicht nennen, da sie sich durch die individuelle Anpassung der Funktionen von Betrieb zu Betrieb stark unterscheiden können. Je nach Ausstattung und Herdengröße seien die Kosten aber in ein bis 2,5 Jahren erwirtschaftet.
Keine Schnittstellen für die Melktechnik
Beim SBE Farm-Management-System von Fa. Lock handelt es sich um eine Smarthome-Steuerung, die pro Einheit bis zu sechs verschiedene Funktionen im Stall steuern kann. In den häufigsten Fällen sind das laut Tobias Jäggle von Fa. Lock die Funktionen Licht und Lüftung. Darüber hinaus sei die Steuerung von z.B. Stallkamera, Selektionstore, Laufgangbefeuchtung, Verneblungsanlagen, Einstreuroboter, Futterschieber oder Brandmelder anhand bestimmter Parameter möglich.
Einige Beispiele aus der Praxis: Kuhduschen können über die Temperatur oder über die Zeit gesteuert werden. Der Ventilator wird mit nicht nur mit dem Temperatursensor verschaltet, sondern auch mit der Windrichtung und Windstärke, um bei starkem Wind Schäden an den Flügeln zu vermeiden. Für die Intervalle des Einstreuroboters kann die Windrichtung, die Staubbelastung und/oder die Zeit herangezogen werden. Der Brandmelder sorgt dafür, dass bei einer gewissen Rauchentwicklung der First geschlossen und die Curtains geöffnet werden. Ist die Ammoniakbelastung zu hoch, wird der Stall abhängig von der Außentemperatur stoßgelüftet und die Ventilatoren laufen an. Das Güllerührwerk kann mit dem Wechselrichter der PV-Anlage verschaltet werden, so dass es nur läuft, wenn PV-Strom übrig ist.
„Jeder Kunde kann sich seine Bausteine selbst zusammenstellen und da wir Hersteller-neutral arbeiten, ist das bei allen Endgeräten möglich“, sagt Jäggle. So arbeite man z.B. bereits mit den Firmen Arntjen, Hörmann, Wolf, Huesker, Sonntag oder Kristen zusammen. Nur die Melktechnik bleibe bisher außen vor. „Hier gewähren uns die Hersteller leider bisher keine Schnittstellen“, so Jäggle.
Etliche Funktionen denkbar
Das Besondere an der Steuerung ist laut Fa. Lock die Breite der Funktionen, die sich beliebig erweitern und nachrüsten lassen. Jedes Modul verfügt über sechs Einzelsteuerungen. Sind diese belegt, können beliebig viele Erweiterungsmodule ergänzt werden. Wieviel Sensoren und in welchem Abstand sie jeweils nötig sind, hängt im Wesentlichen von der Geometrie des Stalles ab. Aber auch Altbauten seien in der Regel für eine Nachrüstung kein Problem. Die Sensoren werden in der Regel an Stangen, Stützen oder am Mauerwerk befestigt.
Zur optimalen Auslegung auf die jeweiligen Bedürfnisse kommt die Firma Lock zum Betriebscheck in den Stall. Die Bedienung der Steuerung erfolgt wahlweise über eine App am Handy, Tablet oder Stall-PC.
Das neue SBE-Farm-Management-System wird derzeit auch wissenschaftlich im Rahmen von verschiedenen EIP-Projekten an der HfWU in Nürtingen untersucht. Eine Frage ist dabei z.B. wie das Verhalten der Herde über Klima und Licht zu steuern ist.
Zugluft besser am Tier messen?
Hubert Hämmerle will in seinem Stall die Befeuchtung der Laufgänge in Abhängigkeit von Temperatur und Ammoniakemissionen steuern.
(Bildquelle: Lehnert )
Ein solcher EIP-Stall ist der von Milchviehhalter Hubert Hämmerle aus Bad Wurzach. Er nutzt für das Management seiner 130 Laktierenden ebenfalls das neue SBE Farm-Management-System der Fa. Lock. Hämmerle hat neben Lüftung, Beleuchtung und Brandmelder auch die Ladestation seines Mistschiebers, die Stallkamera im Vorwartebereich sowie sein pneumatisch betriebenes Heukarussell, das er zur Attraktion der Kühe regelmäßig auf und ablässt, an die Steuerung angehängt.
„Bei Schlagregen erwarte ich, dass die Curtains der betreffenden Stallseite von alleine zuverlässig schließen.“
Hubert Hämmerle, Milchkuhhalter aus Bad Wurzach
Das Heben und Senken des Kälberhimmels wird wie die Lüftung im Stall über den Temperatursensor geregelt. Geplant ist bei Hämmerle noch, die in den Kotschwellen der Tiefboxen verbauten Bewässerungsdüsen künftig segmentweise automatisch anzusteuern. „Sobald eine gewisse Temperatur oder ein gewisser Ammoniakgehalt übertroffen wird, sollten die Laufgänge befeuchtet werden“, so sein mittelfristiges Ziel. Die dafür notwendigen Sensoren hängen schon im Abstand von ca. 2,5 m über dem Laufgang.
Der Praktiker betont: „Das System muss von sich aus funktionieren, so dass z.B. bei Schlagregen die Curtains der betreffenden Stallseite von alleine zuverlässig schließen.“ Größtenteils würde das bereits funktionieren. „Übergangs-Wetterlagen sind aber eine Herausforderung“, sagt er. Der Milchkuhhalter würde sich außerdem wünschen, dass nicht nur auf dem Stalldach sondern im Stall die Zugluft gemessen wird. „Denn letztlich will ich ja wissen, was beim Tier ankommt und dann darauf reagieren können.“
Milchkuhhalter Karl Müller (rechts) mit Vertretern der Firma Lock aus Ertingen im neuen Kuhstall.
(Bildquelle: Lehnert )
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