Elite Dairy Tour 2024

Den ersten Grasschnitt fressen die Gänse

Gänse und Wiesenbrüter machen dem Milchkuhhalter Klaus Borde im Landkreis Leer zu schaffen. Wie geht er mit dieser Herausforderung um?

Eine Schar Gänse pickt genüsslich auf einer grünen Wiese. Grashalm für Grashalm beißen sie kurz ab. Was für viele idyllisch und nach intakter Natur aussieht, ist für den Milchkuhhalter Klaus Borde eine echte Herausforderung. „Bis Ende April war hier alles voller Gänse“, erzählt der 57-Jährige aus Jemgum-Oldendorp im Landkreis Leer, „der Ertrag des ersten Schnitts ist durch die Gänse stark eingeschränkt. Das bedeutet, dass wir eine Menge Futter verlieren, das wir normalerweise für unsere Kühe verwenden würden.“
Klaus Borde bewirtschaftet seit 2001 gemeinsam mit seiner Frau Insa einen Milchkuhbetrieb. Der Hof liegt mitten in einem reinen Grünlandgebiet und hat 150 Holsteinkühe. Das Ehepaar hat den Betrieb von Insa Bordes Onkel übernommen. „Damals war hier schon Platz für 120 Kühe“, erzählt der dreifache Familienvater. Im Jahr 2002 wurde ein neues Melkhaus mit einem Doppel-12er-Fischgrätenmelkstand der Marke Fullwood gebaut und die Herde im Laufe der Jahre auf die heutige Größe aufgestockt.

Betriebsspiegel

  • 8.800 kg Milch mit 4,10 % Fett und 3,49 % Eiweiß
  • Durchschnittliche Nutzungsdauer: 45,1 Monate
  • Lebender Bestand: 30,2 Monate
  • ZKZ: 402 Tage
  • EKA: 26 Monate
  • Lebensleistung: 22.300 kg, Lebenstagsleistung 12,2 l/tg
  • ZZ: 70 % der Herde unter 100.000, 11,4 % der Herde zwischen 100 – 200 Tsd. Zellen

Jedes Jahr fallen hunderttausende von Gänsen über die Wiesen und Ackerflächen her und hinterlassen verwüstete Flächen. (Bildquelle: Ziegler)

Gefräßige Gänse

Klaus Borde geht zum Siloplatz und zeigt auf ein abgedecktes Silo. „Ohne die Gänse wäre es fünf bis zehn Meter länger“, sagt er. Seit der Übernahme des Hofes hat Klaus Borde mit der Gänseproblematik zu kämpfen. Die Gänse richten großen Schaden an, indem sie das Gras abfressen und die Wiesen durch ihren Kot unbrauchbar machen. Dadurch verzögert sich die Ernte des ersten Grasschnittes. Die Verkotung ist im Herbst das größte Problem, weshalb die Tiere zusätzlich früher von der Weide geholt werden müssen. Um eine ausreichende Futterversorgung der Kühe zu gewährleisten, ist der Milchkuhbetrieb stark von der Qualität und Quantität des Grünlandes abhängig. Da die Hälfte des Rheiderlandes als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist, ist eine Vergrämung der Gänse stark eingeschränkt, obwohl sich die Population über die Jahre gut erholt hat. Jedes Jahr fallen hunderttausende von Gänsen über die Wiesen und Ackerflächen her und hinterlassen verwüstete Flächen. „Wir dürfen die Gänse höchstens optisch vergrämen, aber das ist schwieriger als gedacht“, erklärt Klaus Borde. „Das ist echte Fleißarbeit. Die Gänse bleiben von den Maßnahmen weitgehend unbeeindruckt.“
Im Laufe der Jahre hat sich gezeigt, dass sich immer mehr Gänse und inzwischen auch Wiesenbrüter auf den Feldern der Region aufhalten. Anfangs kamen die Gänse nur zum Überwintern, inzwischen bleiben immer mehr Schwärme auch im Sommer in der Region. „In der Regel können wir den ersten Schnitt erst ab dem 20. Mai machen, manchmal auch erst Anfang Juni“, sagt Klaus Borde. „Hier in der Region ist der zweite Schnitt ertragreicher als der erste.“ Dies liegt darin begründet, dass der zweite Schnitt, verglichen mit dem ersten, nicht von Gänsefraß betroffen ist. Die Schmackhaftigkeit und der Rohaschegehalt des ersten Schnittes werden durch die Gänse nicht beeinträchtigt. „Zum Glück kann ich nichts Auffälliges feststellen. Der Schnitt ist immer gut siliert und der Milchsäuregehalt ist in Ordnung. Nur die Erntemenge ist halt deutlich geringer“.
Die Gänse bleiben von den Vergrämungsmaßnahmen weitgehend unbeeindruckt.
Klaus Borde

Ausgleichszahlungen reichen nicht

Die Landwirte in der Region können zwar Ausgleichszahlungen erhalten, aber nur einen vor etwa acht Jahren festgelegten Durchschnittswert. Dieser liegt bei 300 € je Hektar, sofern die Flächen im Schutzgebiet liegen und die Landwirte an den Maßnahmen zum Schutz der Gänse und Wiesenbrüter teilnehmen. Angesichts der stark gestiegenen Schäden reichen diese Mittel aus dem für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen vorgesehenen Topf heute nicht mehr aus. „Das bedeutet, dass Landwirte mit großen Schäden viel zu wenig Geld zurückerstattet bekommen, das ihnen dann für den Zukauf von Futter fehlt“, gibt Klaus Borde zu bedenken. Er selbst verzichtet in Zukunft auf die Ausgleichszahlungen. „Die Auflagen werden verschärft und sind zu unflexibel“, begründet er.

Anhand von Feldversuchen mit Drahtkörben soll ermessen werden, welche Schäden die Gänse anrichten. Der Unterschied ist enorm. (Bildquelle: Borde)

Um trotz der Gänse wirtschaftlich zu bleiben und genug hochwertiges Futter für die Kühe zu erzeugen, will Klaus Borde seine Flächen, die nicht im Schutzgebiet liegen, intensivieren und mehr Arbeit in die Pflege der Grasnarbe investieren. Zusätzlich füttert er auch Mais zu. Die Voll-TMR für die Melkenden setzt sich aus einer hofeigenen Mehlmischung, Wasser, Grassilage, Maissilage und Heu zusammen. „So wollen wir erreichen, dass immer genug Futter für die Kühe da ist.“ Darüber hinaus ist Klaus Borde seit 15 Jahren ehrenamtlich aktiv. Als Vorsitzender des LHV-Kreisverbandes Leer setzt er sich für die Zukunft der Landwirtschaft in der Region ein. Dazu tritt er in den Dialog mit der Politik, sensibilisiert u.a. für die Gänse-Problematik und erarbeitet mit Arbeitskreisen Lösungsansätze. „Das ist nicht einfach, aber man muss dranbleiben“, erklärt er.
Die Mittel für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen reichen heute nicht mehr aus.
Klaus Borde

Viel Licht und Luft

Im alten Stall von 1974 sind die Trockensteher, Rinder und Kälber untergebracht. Hier wurden die alten Dachplatten durch Lichtpaneele ersetzt, die ausreichend Sonnenlicht hereinlassen. Einfahrbare Jalousien an den Seiten sorgen für frische Luft. Ein Jungrind liegt entspannt in einer Hochbox und kaut genüsslich wieder. „Langfristig wollen wir alle Liegeboxen mit besseren Gummimatten ausstatten, um den Tieren mehr Liegekomfort zu bieten“, sagt Klaus Borde. Er geht weiter zum Kälberstall. Hier stehen mehrere Gruppen mit jeweils drei bis vier Tieren auf Stroh. Eine Schlauchbelüftung sorgt für frische Luft sowie im Sommer für Abkühlung. Beim Blick in die Abkalbebox fallen die vielen Kreuzungskälber aus Holstein und Weißblauen Belgiern auf. „Wir besamen die Hälfte der Herde mit Fleischrassen, vor allem mit Weißblaue Belgiern, aber auch ab und zu mit Limousin.“

Die Bullenkälber bleiben bei den abgekalbten Kühen in einer Strohbox. (Bildquelle: Stracke)

Die Bullenkälber bleiben bei den Kühen

Doch das will der Milcherzeuger in Zukunft ändern. Seine jüngste Tochter Fenna hat vor kurzem ihre Ausbildung zur Landwirtin erfolgreich abgeschlossen und absolviert nun ihr Praxisjahr auf dem elterlichen Betrieb. Fenna Borde will die Kühe künftig selektieren und gezielter anpaaren.
Die Kälber werden restriktiv getränkt. Um sich die Arbeit zu erleichtern, lässt Klaus Borde die Bullenkälber - bis sie den Hof nach vier Wochen verlassen - bei den abgekalbten Kühen in der Strohbox. „In den Monaten, in denen wir nicht viele Kälber haben, funktioniert das sehr gut“, erklärt er. „Aber man muss die Tiere konsequent beobachten. Ich muss bei den Kälbern konsequent prüfen, ob sie genug trinken und gesund sind.“
Klaus Borde führt uns weiter in den neuen Kuhstall. 2013 hat er einen Boxenlaufstall mit 120 Plätzen bauen lassen. Positiv auffallend: der Stall ist angenehm hell. Außerdem ist er so ausgerichtet, dass immer ein frischer Wind weht. Er steht aktuell jedoch leer. Alle Kühe sind auf der Weide. 42 Hektar stehen den Kühen rund um den Hof als Umtriebsweide zur Verfügung. So können sie frei rein und rausgehen. „Wir sind ein Weidemilch-Betrieb und machen das aus Überzeugung“, erklärt Klaus Borde, „wir wollen die Vorteile natürlich auch für uns nutzen.“ Denn neben besserem Kuhkomfort sorgt die Weidehaltung im Sommer auch für weniger Arbeit.
Wir haben das große Glück, als Familie den schönsten Beruf ausüben zu dürfen.
Klaus Borde

Anpassungen treffen

Die Gänseproblematik bleibt eine ständige Herausforderung. Trotz vieler Modernisierungen und Anpassungen im Laufe der Jahre ist die Futterversorgung der Herde nach wie vor eine zentrale Aufgabe. „Wir erhoffen uns bessere Unterstützung und Lösungen auch von der Politik, um den Betrieb in der gewohnten Qualität weiterführen zu können“, sagt Klaus Borde. Beispielsweise müssten die Ausgleichszahlung je nach Fläche individueller bemessen werden und das Vorkommen von Gänsen auf landwirtschaftlichen Flächen sowie die Fraßschäden intensiver dokumentiert werden. Trotz der Hürden ist der Milchkuhhalter optimistisch. „Der Betrieb ist gut aufgestellt. Wir haben hier einen guten Standort, trotz der Gänse.“ Auch die Zukunft seines Hofes sieht er positiv. Seine Tochter bringt neue Ideen ein, berichtet er stolz. Auch eine Betriebserweiterung sei unter den örtlichen Gegebenheiten noch möglich. Im Moment ist Klaus Borde jedoch mit der aktuellen Bestandsgröße zufrieden und fügt hinzu: „Wir haben das große Glück, als Familie den schönsten Beruf ausüben zu dürfen“, sagt er mit einem Lächeln.

Das hat uns beeindruckt:

Ehrenamtliches Engagement
Klaus Borde setzt sich seit 15 Jahren ehrenamtlich für die Belange der Landwirte ein und fördert u.a. den Dialog zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Seine Bemühungen, politische Unterstützung zu gewinnen und Lösungen für die Gänseproblematik zu erarbeiten, zeigen seine Weitsicht und seinen Einsatz für eine nachhaltige Landwirtschaft.
Modernisierung des Betriebes
Kontinuierliche Betriebsoptimierung und Investitionen zur Verbesserung des Tierwohls.
Integration der nächsten Generation
Die Einbindung seiner jüngsten Tochter in den Betrieb und die Bereitschaft, neue Ideen und Ansätze der Tochter zu integrieren.

Erfolgsfaktoren im Stall

Lichtdurchfluteter, durchdachter Boxenlaufstall

Der 2013 gebaute Boxenlaufstall ist lichtdurchflutet und so ausgerichtet, dass immer ein angenehmer, frischer Wind durch den Stall weht. An den Seiten sind Jalousien angebracht, die bei zu starkem Wind Schutz bieten. Außerdem haben die Kühe freien Zugang zur Weide.

Der Boxenlaufstall bietet Platz für 150 Kühe. (Bildquelle: Stracke)

24/7 Weidegang

Der Milchkuhbetrieb Borde ist ein Weidemilch-Betrieb aus Überzeugung. Den Kühen stehen 42 Hektar als Umtriebsweide jederzeit zur Verfügung.

Die Kühe haben jederzeit Zugang zur Weide. (Bildquelle: Stracke)

Kuhgebundene Kälberaufzucht

Um sich die Arbeit zu erleichtern, lässt Klaus Borde die Bullenkälber bei den abgekalbten Kühen in der Strohbox. Zwar muss er die Kälber gründlich kontrollieren, hat aber weniger Arbeit, da das tägliche Füttern wegfällt. Die Zunahmen der Kälber stellen den Viehhändler und den Milcherzeuger selbst zufrieden.

Bevor die Bullenkälber den Betrieb nach vier Wochen verlassen, bleiben sie bei den abgekalbten Kühen in der Strohbox. (Bildquelle: Stracke)

Die Dairy Tour 2024 im Überblick:

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Die Sponsoren der Elite Dairy Tour 2024 (Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)


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