Alle haben das Problem seit Jahren kommen sehen, mittlerweile ist der Mangel an Tierärzten für Rinder und Schweine mancherorts akut. Vor allem in stark ländlich geprägten, strukturschwachen Regionen mit geringer Milchkuhdichte, wie etwa in der Oberpfalz oder im Sauerland, ist er für die Milcherzeuger längst spürbar. Die Wartezeiten bei Notfällen im Stall werden länger, nachts und am Wochenende gibt es keinen tierärztlichen Notdienst mehr und für Gespräche mit dem Hoftierarzt bleibt...
Alle haben das Problem seit Jahren kommen sehen, mittlerweile ist der Mangel an Tierärzten für Rinder und Schweine mancherorts akut. Vor allem in stark ländlich geprägten, strukturschwachen Regionen mit geringer Milchkuhdichte, wie etwa in der Oberpfalz oder im Sauerland, ist er für die Milcherzeuger längst spürbar. Die Wartezeiten bei Notfällen im Stall werden länger, nachts und am Wochenende gibt es keinen tierärztlichen Notdienst mehr und für Gespräche mit dem Hoftierarzt bleibt immer weniger Zeit.
„In den nächsten zwei bis drei Jahren gehen in unserer Region fünf Tierärzte in den Ruhestand. Das wird für uns als reine Milchregion dramatisch“, sagt Tierarzt Dr. Anton Nowotni aus Waldkirchen im Bayerischen Wald. Denn Nachfolger sind nicht in Sicht. Zwar würden zunehmend Milcherzeuger mit Anbindehaltung aussteigen, an der hohen Viehdichte in der Region ändere das unter dem Strich allerdings wenig. Eine Studie des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Bayern (LGL) zeigt, dass in Bayern schon 2025 erste Gebiete tierärztlich unterversorgt sein werden. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) geht in den nächsten zehn Jahren großflächig von einem Mangel aus. Die Hauptursachen dafür sind längst bekannt:
- In den nächsten Jahren gehen viele Tierärzte in Rente.
- Der hohe Frauenanteil im Beruf von fast 70 % bringt viele Teilzeit-Arbeitsverhältnisse mit sich. Ein Tierarzt, der früher als Einzelkämpfer unterwegs war, muss heute durch bis zu sechs Tierärztinnen ersetzt werden.
- Mindestens 10 % der fertig ausgebildeten Tierärzte wandern in andere Bereiche, wie z. B. die Pharmaindustrie, die Forschung oder in die Verwaltung ab, weil dort die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung attraktiver sind.
- Junge Tierärzte bevorzugen eine gut ausgestattete Praxis mit mehreren Mitarbeitern, in der sie viel selbst machen dürfen, sich im Team austauschen, spezialisieren und aufsteigen können. Und das möglichst in einer Region mit gutem Freizeitangebot. Wer das nicht bieten kann, finden keinen Nachfolger mehr.
Milcherzeuger haften
Klar ist: In den schon jetzt vom Mangel betroffenen Gebieten müssen kurzfristig Lösungen her. Denn nicht nur aus ethischen Gründen muss z. B. eine Kuh mit einem Gebärmuttervorfall oder einer Labmagenverlagerung so schnell wie möglich vor Ort tierärztlich versorgt werden. Transportieren kann und darf der Milcherzeuger das schwer erkrankte Tier dann nicht mehr. Er ist in der Pflicht, für die Gesundheit des Tieres zu sorgen und haftet letztlich, sollte es aufgrund unterlassener Hilfe und unter Schmerzen verenden. Wie die Öffentlichkeit auf solche Fälle reagieren wird, mag man sich erst gar nicht vorstellen.
Standardtherapien selbst durchführen?
Um gerade in solchen Notfällen die immer länger werdenden Anfahrtszeiten sinnvoll zu überbrücken, schulen erste Tierärzte ihre Kunden bereits intensiv in Erste-Hilfe-Maßnahmen und erarbeiten mit ihnen Entscheidungsbäume, was bei welchen Symptomen zu tun ist. Sie halten einen engen Draht zu ihren Milcherzeugern und trimmen sie auf eine effiziente Art der Kommunikation z. B. über WhatsApp. Tierarzt Ulf-Michael Stumpe aus Wriezen in Brandenburg: „Meine Milcherzeuger erklären mir am Telefon, welche Symptome vorliegen, wie lange sie bereits anhalten, was sie unternommen haben und welche Vorgeschichte die Kuh hat. Dann senden sie mir ein Video über Whatsapp. So kann ich abschätzen, wie dringend die Situation ist und welche Utensilien ich zum Hof mitnehmen muss.“ Dieses Vorgehen strukturiere seine Arbeit besser und der Milcherzeuger bekomme so schnell Tipps und Anweisungen.
Grundvoraussetzung für eine solche effiziente Zusammenarbeit seien aber regelmäßige Hofbesuche, um die vorherrschende Situation im Betrieb genau zu kennen. Bei weit entfernteren Kunden hat Stumpe zudem dafür gesorgt, dass sie über eine hochwertige Labortechnik verfügen. „So sind schnellere Therapieentscheidungen möglich.“ Die geltende Rechtslage gibt das her, denn eine fundierte Einzeltierdiagnostik und Therapiemaßnahmen findet ja immer noch vor Ort durch den Tierarzt statt.
Milcherzeuger sollten Standardtherapien bei leichten Verlaufsformen selbst machen dürfen.
Dr. Frank Bootz, Tierärzte Zentrum, Ostrach
Etwas weiter geht der Vorschlag, Milcherzeuger zur Entlastung der Tierärzte stärker tiermedizinisch zu schulen, sodass z. B. mithilfe eines Sachkundenachweises sichergestellt ist, dass sie fachlich korrekt impfen, Blutproben ziehen oder Medikamente verabreichen können. Zumal die Mehrzahl von ihnen oft gute anatomisch-physiologische Vorkenntnisse und praktische Fertigkeiten mitbringen würden. „Denkbar ist aus meiner Sicht, dass Milcherzeuger nach einer entsprechenden Fortbildung bestimmte Standardtherapien bei leichten Verlaufsformen, wie z. B. bei Gebärparese, Endometritis oder bei Mastitis, selbst durchführen dürfen und ich erst am Folgetag nach einer Allgemeinuntersuchung des Tieres das weitere Vorgehen mit dem Tierbesitzer gemeinsam festlege. Sollte die angewandte Standardtherapie greifen, wäre der Nachbesuch nicht notwendig“, schlägt Dr. Frank Bootz vom Tierärzte Zentrum in Ostrach vor.
Widerstand im Berufsstand
Für solche Lösungen müssten allerdings nicht nur die Gesetze (insbesondere die Ausstattung der Notfallapotheke) geändert werden, sondern im Berufsstand selbst wäre dafür noch viel Überzeugungsarbeit nötig. „Die Herdenbetreuer kennen zwar ihre Kühe, aber für eine fundierte Diagnose am Einzeltier ist trotzdem ein Tierarzt mit Berufserfahrung nötig“, meint Dr. Anton Nowotni. Allenfalls bei einer Nachbehandlung des Tieres könne der Landwirt selbst ran.
Wie er denken viele seiner Berufskollegen. Daher wurde auch eine entsprechende bundesweite Initiative einiger Großtierärzte bereits vor einiger Zeit von Uni-Professoren abgeschmettert. Der bpt ist ebenfalls kritisch: „Für die Beurteilung von Gesundheitszustand und Behandlungsmöglichkeiten ist eine fundierte und tiefgreifende Ausbildung erforderlich“, sagt Vorsitzender Dr. Siegfried Moder. Man könne allenfalls, bestimmte Aufgaben an Tiermedizinische Fachangestellte delegieren.
Die Telemedizin werde ebenfalls nur begrenzt Abhilfe schaffen können, zumal sie aktuell laut bpt noch in den Kinderschuhen stecke. Es gibt z. B. erst wenig datenschutzkonforme Plattformen für den Austausch. Im Rahmen einer Bestandsbetreuung könne man hierüber dann zwar Informationen austauschen, im Notfall helfe sie eben auch nicht weiter, so die verbreitete Meinung.
Mehr Tierärzte aus dem Ausland?
Eine weitere kurzfristig wirksame Lösung des Problems ist die gezielte Anwerbung von Tierärzten aus dem Ausland. Die Praxiserfahrungen damit sind vielfach gut: „Diese Kollegen werden in ihrem Herkunftsland sehr gut ausgebildet und bringen Berufserfahrung mit. Sie sind aus fachlicher Sicht direkt einsetzbar, was für unsere Praxis eine erhebliche Erleichterung war“, sagt Dr. Anton Nowotni. Er hat bereits vier Tierärzte aus Nicht-EU-Ländern eingestellt (siehe Kasten). Auch Großtierpraktiker Daniel Fuchs von iQVet aus Neumünster schätzt die ausländischen Tierärzte. „Unsere intensive Unterstützung, zum Beispiel bei den sprachlichen Hürden, belohnen die neuen Kollegen oft mit großer Loyalität gegenüber unserer Praxis.“ Eine Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von ausländischen Tierärzten in Deutschland sei allerdings, so Fuchs weiter, dass die Milcherzeuger sie auch akzeptieren.
Ausländische Kollegen bedanken sich für unsere intensive Unterstützung oft mit großer Loyalität gegenüber der Praxis.
Daniel Fuchs, iQVet, Neumünster
Doch auch dieser Vorschlag stößt – nicht nur beim bpt – auf Skepsis: Vorrangig setze man darauf, die Arbeitsbedingungen für deutsche Absolventen zu verbessern, um sie im Beruf zu halten. Zumal der Aufwand für die erfolgreiche Integration ausländischer Bewerber enorm sei und man hier keine Abstriche machen könne.
Hohe Hürden für Tierärzte aus dem Ausland
Von „seinen“ Milcherzeugern wird er gelobt und in der Tierarztpraxis Ühlingen im südlichen Schwarzwald ist er mittlerweile unverzichtbar: Tierarzt Osama Bsheir. Der 2014 aus Syrien geflüchtete 49-Jährige arbeitet dort mittlerweile seit fast acht Jahren als Tierarzt für Nutztiere. In seinem Heimatland führte er zuvor 15 Jahre lang eine eigene Praxis.
Der Familienvater ist dankbar, dass er – vor allem auch dank der Hilfe von ansässigen Tierärzten und durch einen schnellen Erwerb der Sprache – schon ein halbes Jahr nach seiner Einreise arbeiten durfte. Für seine Berufserlaubnis (Approbation) musste er acht Fächer an der Veterinärmedizinischen Fakultät München wiederholen und darin jeweils eine Prüfung ablegen. Das hat er in einem halben Jahr durchgezogen. „Manche Fächer waren sinnvoll, andere wie z. B. zur Tierseuchenbekämpfung, eher überflüssig.“
Seinen Landsmännern in anderen Bundesländern erging es da offenbar anders. Bsheir berichtet, dass Berufskollegen aus Syrien zum Teil über eineinhalb Jahre auf ihre Zulassung warten und selbst mit Berufserfahrung 15 Fächer nachholen mussten. In der Flüchtlingskrise 2014/15 war die Einreise nach Deutschland relativ problemlos möglich. Mittlerweile seien die Hürden aber enorm und vielfach nicht nachvollziehbar. Davon kann Tierarzt Dr. Anton Nowotni aus Waldkirchen im Bayerischen Wald ein Lied singen. „Ein syrischer Bewerber sollte z. B. aus den Ländern, durch die er geflüchtet war, ein Führungszeugnis vorlegen. Als ob man auf der Flucht an ein solches Dokument denken würde?“ Bis ein gut ausgebildeter Tierarzt aus dem Nicht-EU-Ausland Einreise-, Arbeits- und Berufserlaubnis in der Tasche habe, könnten unter Umständen Jahre vergehen. Aber nicht nur die bürokratischen Anforderungen und die langen Wartezeiten bei den Behörden schrecken ab, auch an einem respektvollen Umgang mit den ausländischen Fachkräften seitens der Ämter mangele es vielfach. „Das war zum Teil menschenverachtend“, so Nowotni.
Was bringt eine Landarztquote?
Wenig Befürworter findet bisher auch der Vorschlag aus Bayern, den Mangel mithilfe einer Landtierarzt-Quote zu lindern. Dr. Christoph Ganal von der Tierklinik Weingarten: „Der Beruf des Tierarztes im Nutztierbereich erfordert viel Hingabe und Begeisterung. Beides lässt sich nicht durch eine staatliche Quote erreichen.“ Zielführender wäre dagegen eine Reform der Studienzulassung und eine andere Vorauswahl der Studenten.
Im Nutztierbereich werden wir nie eine 40-Stunden-Woche haben.
Dr. Anton Nowotni, Tierarztpraxis Waldkirchen
Die angehenden Studenten mithilfe von Auswahlgesprächen sowie generell stärker nach ihrer Praxiserfahrung und landwirtschaftlicher Vorbildung – und nicht nur nach dem Notendurchschnitt im Abitur – auszuwählen und sie im Studium intensiver zu begleiten ist sicher ein Teil der Lösung, wirkt aber genauso wie die Erhöhung der Anzahl Studienplätze für Tiermedizin erst mittelfristig. Auch der Ruf nach einer Männerquote wird zuweilen laut. „Das Bild des Tierarztes muss in der Öffentlichkeit dringend gerade gerückt werden. Und dabei muss man von vornherein klar machen, dass wir im Nutztierbereich nie eine 40 Stunden-Woche haben werden“, so Dr. Nowotni.
Mehr Prophylaxe
Breite Zustimmung in der Tierärzteschaft findet dagegen der Ausbau der Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung (ITB), die mittels Herdendiagnostik Einzeltiererkrankungen vorbeugen will. Doch auch für eine solche „Gesundheitsberatung“ müssten erst einmal ausreichend erfahrene Tierärzte zur Verfügung stehen, denn im Studium macht das Thema nur einen winzigen Teil aus.
Bisher jedenfalls stagniert der Anteil der Milchkuhbetriebe mit ITB. Ein Grund dafür dürften die Kosten sein. Aber hier müssen vermutlich viele Milcherzeuger künftig umdenken. Wahrscheinlich wird sogar die Bestandsbetreuung noch die günstigste aller Lösungen sein. Denn selbst für den Fall, dass der Staat für die Notfallversorgung flächendeckend Tierarztzentren einrichtet und dort freie Tierärzte anstellt, entstehen hohe Kosten. Die Nutztierversorgung ist zwar von öffentlichem Interesse, die Zeche zahlen aber wohl trotzdem die Erzeuger.
Junge Berufseinsteiger wollen bessere Arbeitsbedingungen!
„In unserer Region können wir noch nicht von einem Tierärztemangel sprechen. Wir versuchen kritische Zeiträume, wie Ausfälle wegen Krankheit, Urlaub und Familienplanung, durch vorausschauende Personalplanung abzufangen. Doch auch wir merken, dass es schwieriger geworden ist, junge Menschen überhaupt für Nutztiere zu begeistern. Dabei spielen die gesellschaftlichen Veränderungen und das verschlechterte Image der tierischen Produktion unter Umständen eine wichtige Rolle. Es geht nicht darum, dass junge Menschen nicht mehr arbeiten wollen, sie wollen nur nicht mehr unter schlechten Bedingungen arbeiten. Das ist absolut legitim! Sie wollen mehr Zeit für kollegialen Austausch, für Weiterbildung während der Arbeitszeit und für Denk- und Recherchearbeit. Wichtig ist Ihnen Zeit für gute Ernährung und Sport, die mit dem Arbeitspensum vereinbar ist. Nur so können sie ihren Weg finden und Leidenschaft entwickeln, dauerhaft im Beruf zu bleiben! Das gilt nicht nur für Berufseinsteiger aus Deutschland, sondern auch für ausländische Fachkräfte. Wir haben schon seit längerer Zeit sehr gute Erfahrungen mit Kollegen aus anderen Nationen gemacht. Milcherzeuger müssen die ausländischen Tierärzte nur akzeptieren.“
Das Studium ist viel zu realitätsfern
„Eines der Hauptprobleme für mich ist ganz klar, dass sich die Milchproduktion in den letzten Jahren immer weiter entwickelt hat und der Beruf des Tierarztes einfach nicht hinterher gekommen ist. Dabei fängt es schon im Studium der angehenden Tierärzte an: Meiner Meinung nach, ist das Studium viel zu realitätsfern. Außerdem möchte ein Schüler mit einem 1,0 Abi noch lange nicht eine Nachgeburt bei - 20 ˚ C abnehmen. Um effektiv arbeiten zu können, müssen wir eng mit unseren Kunden, den Milcherzeugern, zusammenarbeiten und gemeinsam nach Lösungen suchen. Milcherzeuger sind zwar keine Tierärzte, aber wichtige Partner von uns. Deshalb macht mir gerade auch Telemedizin mit solchen Menschen, die selbst Freude an ihrer Arbeit haben, ihre Kühe kennen und etwas bewegen möchten, besonders viel Spaß. Und wenn wir mal ehrlich sind, sind doch 70 % der Notfälle selbst gemacht. Aus diesem Grund lege ich besonders viel Wert auf die Bestandsuntersuchung, das Gesundheitscontrolling der Kühe. Es ist wichtig, dass wir als Tierärzte kontrollieren, was überhaupt aus dem Mischwagen raus kommt. Ganz nach dem Motto: Arbeit spart Arbeit!“
Telemedizin ist eine Chance!
„Schon seit sieben Monaten suchen wir in unserer Praxis durchgängig ein bis zwei Tierärzte. Viele Tierärzte in unserer Umgebung stehen sogar kurz vor dem Burn Out. Kollegen aus dem Ausland könnten diese Fachkräftelücke schließen. Doch diesen gut ausgebildeten Tierärzten werden in Deutschland riesige Steine in den Weg gelegt. Denn um überhaupt in einer Praxis tätig zu werden, müssen sie zunächst eine Prüfung ablegen. Das Lernmaterial dafür gilt es mühselig zusammenzusuchen. Das ist wirklich kein Spaziergang! Außerdem führt meiner Meinung nach, an der Telemedizin kein Weg vorbei. Doch diese Art der Kommunikation hat in den letzten Jahren total geschlafen. Eine Beugeprobe können Milcherzeuger auch über den Videochat machen. Dem Tier ist mit Telemedizin schneller geholfen und Kosten werden sogar gespart. Es muss nur datenschutzkonforme Plattformen dafür geben und die ältere Generation unseres Berufsstands muss sich mit diesem System befassen. Häufig wird gerade aber auch von dieser Generation behauptet, dass wir als junge Menschen keine Lust haben, zu arbeiten. Wir seien für unsere Berufswahl ja schließlich selbst verantwortlich. Doch haben nicht auch wir als junge Tierärztinnen und Tierärzte Anspruch darauf, unser Leben auf mehreren Säulen aufbauen, Zeit für Hobbys zu haben, um so langfristig eine gesunde Psyche zu entwickeln? Nur dann können wir als „Berufseinsteiger“ leistungsfähig sein und den Milcherzeugern mit Rat und Tat zur Seite stehen - auch nachts oder am Wochenende. Denn alle jungen Kollegen, die ich kenne, sind unfassbar motiviert. Das Potenzial ist da!
Vorauswahl der Studenten verändern!
„Bei uns in der Region ist die Versorgung mit Tierärzten noch gesichert. Stellenbesetzungen sind nicht einfach, aber machbar. Im Interesse des Arbeitgebers muss es liegen, die Arbeitsplätze so attraktiv wie möglich zu machen. Da ein Großteil der Tiermediziner weiblich ist und Schwierigkeiten in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Nutztierpraxis viele Tierärztinnen von diesem Berufszweig abschrecken, müssen zukünftig Lösungen für dieses Spannungsfeld gefunden werden. Einige Beispiele dafür sind flexible Arbeitszeitmodelle, betriebseigene Kinderbetreuungskonzepte und die Schaffung von neuen Berufsfeldern, die familienfreundliches Arbeiten ermöglichen. In unserem Fall haben wir zum Beispiel die integrierte tierärztliche Bestandsbetreuung aus dem kurativen Praxisalltag ausgegliedert. So ist es möglich, durch datenbasierte Gesundheitsanalysen und Beratung in Sachen Prophylaxe einen Teil der typischen Tätigkeiten eines „Feuerwehrtierarztes“ in die planbare Praxis um zu verlagern. Gesundheitsdaten auswerten können auch Tierärztinnen während einer Schwangerschaft. Künftig werden sich neue Praxisarbeitszeitmodelle etablieren. Außerdem müssen die Möglichkeiten für eine attraktivere Bezahlung genutzt werden. Wir plädieren zudem für eine Studienreform, um den Beruf wieder attraktiver zu machen. Dazu gehört auch eine andere Vorauswahl der Studenten, die Auswahl nur nach Abiturnote ist grundlegend falsch.
Wie sieht es im benachbarten Ausland aus?
Niederlande: Ein Blick in die Niederlande zeigt, dass es auch dort genug Studenten der Veterinärmedizin gibt, jedoch 15 % der Studienabgänger einen anderen Beruf ausüben und 10 bis 25% innerhalb von 5 Jahren die Tierarztpraxis verlassen. In einer Umfrage der Freien Universität Berlin wird deutlich, dass junge Tierärzte und Tierärztinnen in den Niederlanden die Perspektiven vermissen und beim Einstieg ins Berufsleben intensiver begleitet werden möchten.
Österreich: In Österreich gibt es in manchen Tälern bereits eine Unterversorgung mit Tierärzten, sagt Dr. Christian Mader von der Tiroler Landesveterinärdirektion. Es fehle vor allem an Fachspezialisten, die man überregional einsetzen könne. Nötig sei ein bundeseinheitliches Vorgehen und Veränderungen an mehreren Stellen, so z.B. eine Erhöhung der Anzahl der Studienplätze kombiniert mit einer anderen Vorauswahl der Studenten, bessere Einkommen sowie bessere Arbeitsbedingungen.
Schweiz: Praxen in der ganzen Schweiz haben inzwischen Mühe, freie Stellen für Nutztierärztinnen und Nutztierärzte zu besetzen. Das teilt die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST auf Anfrage von Elite mit. Besonders angespannt sei die Situation in den Berg- und Randregionen. „Wir stellen fest, dass die Tendenz in der Tiermedizin zu größeren Praxen mit mehreren Angestellten geht. Je nach Praxisgebiet sind solche Praxisformen im Nutztierbereich aber bedingt umsetzbar (weitläufige Gebiete, lange Anfahrtswege, Bergregionen etc.)“, so der Verband. Er hat bereits vorgeschlagen, die Zulassungsbedingungen zum Studium zu überprüfen und im landwirtschaftlichen Umfeld Anreizsysteme für die Nutztiermedizin in Randregionen zu setzen. Aktuell können pro Jahr ca. 170 Studierende das Studium antreten.
In manchen Regionen gibt es mehrere spezialisierte Rinderpraxen, woanders ist kein Rindertierarzt mehr in der Nähe. Wie gehen Milchkuhhalter damit um?
Was tun, wenn eine Kuh akut festliegt oder ein Kalb absolut nicht mehr trinken will? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Notfällen dazu gab es bei unserem Elite-Seminar.
Frischkalber und kranke Kühe, u.a. mit Mastitis, profitieren von extra Wassergaben. Wir zeigen wie es geht und stellen Möglichkeiten zum kräfteschonenden Drenchen vor.