Immer mehr und immer bessere Sensortechnik stürmt den Markt. Vor dem Kauf sollten Sie genau überlegen, welches Ziel Sie mit dem Einsatz der Sensoren verfolgen.
Die Sensortechnik ist seit Längerem in der Milchkuhhaltung angekommen. Dabei bieten die digitalen Helfer nicht nur im Kuh- und Kälberstall Unterstützung, sie können auch beim Futterbau und der Feinjustierung der Fütterung Schwachstellen aufdecken und Entscheidungen erleichtern.
Den von Sensoren ermittelten Daten sind im Herdenmanagement kaum Grenzen gesetzt. Diese reichen von der Aktivitätsmessung, über die Erstellung von Bewegungsprofilen (z. B. CowView) hin zur Ermittlung der Fress-, Wiederkau- und Liegezeiten (z. B. Smaxtec, CowManager, CowControl, Smartbow, Sensehub, Moomonitor, DeLaval, CowScout GEA, HDL-Tag Lely). Auch beim Melken bieten die Sensoren eine große Bandbreite. Dazu gehören neben der Erfassung der Milchmenge auch die Inhaltsstoffe. Die Messdaten von Zellzahl und Leitfähigkeit sollen zudem schnell erkennen lassen, wenn Probleme in der Eutergesundheit auftreten.
Eine Übersicht über am Markt erhältlichen Sensoren finden Sie hier!
Daten bereits von Kälbern
Wie auch bei den Kühen dienen Sensoren zunehmend der Gesundheitsüberwachung von Kälbern. Neben der Aufzeichnung der abgerufenen Tränkemengen messen Sensoren die Aktivität, z. B. über Ohrsensoren (Sensehub) oder über die „Euterstöße“ im Tränkeautomaten (Förster Technik) und geben frühzeitig Hinweise auf Erkrankungen.
Nicht nur die Überwachung, sondern auch die Verbesserung der Tiergesundheit der Kälber rückt mit der Sensortechnik in den Fokus. Hier setzt beispielsweise der elektrochemische Sensor AmmoniaDetect (Holm & Laue) an, der durchgehend den Ammoniakgehalt in der Stallluft misst.
Fütterung justieren
Die Futtereffizienz ist ein entscheidender Faktor für eine rentable Produktion. Hier unterstützt die Sensorik im Bereich der tagesaktuellen Rationszusammensetzung. So sind die Selbstfahrer von Siloking zum Beispiel optional mit Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIRS) ausgestattet, die die Trockenmasse der Komponenten bei der Entnahme bestimmt und diese Daten zur Rationsberechnung weitergibt.
Ausreichend nachlegen, kein Futter verschwenden: Das soll z. B. die Sensorik am automatischen Futtermischwagen Vector von Lely schaffen. Bei jeder Runde misst hier der Futterhöhensensor die Futtermenge am Fressgitter. Je nach Messergebnis füllt der Roboter den Futtertisch kontinuierlich bis zur eingestellten Futtermenge auf.
Ein weiterer Schritt sind die Entwicklungen von VikingGenetics und Cainthus Ireland. Hier werden mittels Videokamera und Kuh-ID die individuelle Grundfutteraufnahme und in der Folge die Futtereffizienz ermittelt.
Grasbestände optimieren
Auch im Futterbau sind Sensoren etabliert. So gibt es Sensoren, die über eine Lichtreflexion die Dichte des Grünlandbestands ermitteln können und diese Informationen an das Nachsaatgerät weitergeben. Die Saatstärke wird entsprechend angepasst (smart4grass, Düvelsdorf).
Daneben gibt es Aufwuchshöhenmesser (z. B. Grashopper) für Weidebetriebe. Daten werden gespeichert und der Ertrag als Frischmasse pro Hektar errechnet. Zusammen mit der Anzahl der Kühe kann die App einen Weideplan erstellen. Vor der Ernte bereits den Ertrag abschätzen: Das soll der Pasture reader möglich machen. Dieser ist am Mähwerk installiert und schätzt über Ultraschall das Erntegut ab. Auch bei Häckslern werden NIR-Sensoren eingesetzt, die die Trockenmasse und Inhaltsstoffe des Ernteguts abschätzen und gegebenenfalls die Schnittlängen direkt anpassen (HarvestLab, John Deere).
CattleHub: Endlich Entscheidungen abnehmen!
Viele Systeme sammeln lediglich Daten und bereiten sie auf; nur wenige Hersteller holen aktiv Feedback über ihre Technik ein. Ein neues Forschungsprojekt der Uni Bonn will das ändern: CattleHub will mehr wissen über den Stand der (Sensor-)Technik und langfristig eine echte Entscheidungshilfe entwickeln, mit deren Hilfe Milcherzeuger das richtige System für sich finden können.
Dazu brauchen die Wissenschaftler Ihre Hilfe: Wo lassen Sie sich auf dem Betrieb digital unterstützen? Was klappt gut, wo hakt es deutlich? Teilen Sie Ihre Erfahrungen in der CattleHub-Umfrage! (Dauer: ca.10 Minuten)
Schnittstellen fehlen weiterhin
Die einzelnen Sensoren liefern eine Masse an Daten. Doch noch immer sind sie nur begrenzt in der Lage, auch tatsächlich eine Entscheidungshilfe (konkrete Handlungsempfehlung) zu bieten. Aber auch in diesem Bereich passiert einiges. So verknüpfen inzwischen viele Hersteller Aktivitäts-, Milchmengen- und Wiederkaudaten, um eine abgesicherte Aussage über Krankheitsrisiken machen zu können.
Die Sensortechnik bietet für diejenigen, die sie intensiv nutzen, viele Vorteile. Dennoch bleiben die oft fehlenden bzw. noch ausbaufähigen Schnittstellen der Daten ein wichtiger Knackpunkt. So müssen Milcherzeuger häufig z. B. Kalbe- und Besamungsdaten in den Programmen per Hand übertragen. Auch die Künstliche Intelligenz könnte in Zukunft mehr Handlungs- und Entscheidungshilfen liefern. Hierbei werden jedoch große Datenmengen von hoher Qualität benötigt, die mithilfe mathematischer Prozesse analysiert werden. Doch genau an dieser Stelle hapert es noch, denn durch die noch nicht optimal miteinander verknüpften Systeme stehen diese benötigten Datenmengen oft nicht zur Verfügung.
Sensoren müssen zum Betriebsablauf passen
Ein Sensor oder eine neue Software muss die Lösung für ein Problem sein – es reicht nicht, die Technik anzuschaffen, bloß weil sie neu ist! Beraterin Amanda Stone von der State University in Mississippi (USA) sagt: „Den größten Nutzen ziehen Milcherzeuger, wenn sie die Technik in die tägliche Routine integrieren und für die Datenanalyse ihre drei wichtigsten Sinne nutzen: Common Sense (gesunder Menschenverstand), Cow Sense (Kuhverstand) und Business Sense (Geschäftssinn).“
Denn nur, wenn Informationen nicht nur gesammelt, sondern die Entscheidungen daraus auch tatsächlich umgesetzt werden, machen sich die Sensoren am Ende bezahlt! Prüfen Sie daher genau, ob die Technik in den Betriebsablauf passt.
Was geschieht mit der frei werdenden Zeit? Wird sie für „höherwertige“ Aufgaben genutzt bzw. dazu, das Management zu verbessern? Oder nimmt sie zwar eine Aufgabe ab (z. B. Mastitis-Kühe finden), verhindert aber eine wichtige andere (z. B. Melkerkontrolle)? Das lässt sich nur betriebsindividuell entscheiden!
Tipp: Ist das Geld knapp, sollte es besser in Methoden investiert werden, um die Milchleistung zu steigern (Fütterung, Genetik, Mastitisprävention oder Gebäude).
Qualitätskriterien für Sensorsysteme
Stellen Sie sich (und dem Anbieter!) außerdem folgende Fragen:
Hat die Technik einen Vorteil (ist sie genauer, schneller, günstiger, …) als die Methode, die sie ersetzt? Funktioniert sie zuverlässig?
Ist die zugehörige Software mit vorhandenen Systemen kompatibel, funktioniert der Datenaustausch? Genügt die Technik aber auch den Vorgaben und Regeln, nach denen Sie wirtschaften müssen bzw. wollen? (Ist beispielsweise die Messung der Zellzahlen genau genug für ein Qualitätsprogramm?)
Verstehen Sie, wie die Technik funktioniert (Komplexität)? Macht es Sinn, wie Daten und Ergebnisse ausgegeben werden?
Erkennen Sie bei einer Besichtigung als „Außenstehender“ den Nutzen einer Technik, die auf einem anderen Betrieb eingesetzt wird? Wie haltbar sind die Sensoren, wie häufig kommen Updates?
Noch besser, als ein System auf einem anderen Milchkuhbetrieb anzuschauen, ist es, wenn Händler bzw. Hersteller einen Test oder Probezeitraum auf dem eigenen Betrieb anbieten.
Holt der Hersteller regelmäßig Feedback von Praxisbetrieben ein? Meist werden Systeme zwar im Versuchsmaßstab getestet, doch in der breiten Anwendung treten Stolpersteine auf. Nur, wer dranbleibt und die Technik weiterentwickelt, kann langfristig auf zufriedene Kunden hoffen.
Ist rund um die Uhr jemand erreichbar bzw. schnell vor Ort, wenn die Technik ausfallen sollte?
Werden Schulungen angeboten? Endet die Betreuung durch einen persönlichen Ansprechpartner nach der Einführung oder gibt es dauerhafte Unterstützung, eventuell sogar für Fortgeschrittene, um wirklich alle Möglichkeiten der Technologie auszunutzen?
Fragen Sie kritisch nach, was mit Ihren Daten geschieht. Wo werden sie gespeichert, wem gehören sie? Nimmt sich der Hersteller das Recht, die Daten für seine Zwecke zu verwenden und mit den Datensätzen Dritter zu verknüpfen? Manche Hersteller bieten auch eine Variante ohne Cloud-Verknüpfung an, bei der alle Daten lokal auf dem eigenen PC gespeichert werden (Datensicherung beachten!).
Tipps für „Einfuchser“
Wissenschaftler prüfen verfügbare Systeme oft anhand statistischer Kennzahlen (Sensitivität, Spezifizität). Wer in der Hochschule gelernt hat, solche Veröffentlichungen zu lesen, kann über die Wissenschaftssuchmaschinen nach entsprechenden Papern schauen (die verschiedenen Sensoren zur Aktivität und Brunsterkennung wurden beispielsweise recht umfangreich geprüft und validiert). Allerdings fehlt ein einheitlicher „Gold-Standard“ – das mindert die Vergleichbarkeit der Ergebnisse!
Wer gut Englisch spricht, kann ein kostenloses Tool aus Irland nutzen (Beschreibung, Download): Hier lässt sich berechnen, welchen Nutzen (z.B. welche Verbesserung in der Konzeptionsrate) eine Technik (z.B. Brunsterkennung) generieren muss, damit sich die Anschaffungskosten lohnen.
CHECKLISTE: Eine gute Technologie verbessert…
die Effizienz einer Arbeit (z.B. einfache Korrektur der Mischration)
die Entscheidungsfindung (Achtung: Häufig kann Software Entscheidungen noch nicht selbst treffen, sondern lediglich eine Datengrundlage aufbereiten!)
das Wohlbefinden und die Gesundheit der Tiere (z.B. Krankheiten aufspüren, bevor die Kuh stark darunter leidet)
die Anwenderzufriedenheit: Haltbarkeit und Reparaturmöglichkeiten, Vor-Ort-Service, Wartungsintervalle und Folgekosten (häufig Abomodelle!), Schulungen, …