„Im Kuhstall hat jede Kuh ihre eigene Kühlung“, sagt Milcherzeuger Tobias Schlüter und zeigt auf die Löcher des 60 m langen Belüftungsschlauches. Seit vergangenem Jahr hängt dieser über den Liegeboxen. Der Betriebsleiter und Halter von 380 Holstein-Kühen ist überzeugt von dem System. Vor allem im Sommer, wenn die Kühe wegen Hitzestress normalerweise mehr stehen als liegen, wirke sich die Frischluftzufuhr positiv auf die Liegezeiten aus. „Im vergangenen Sommer war jede Liegebox...
„Im Kuhstall hat jede Kuh ihre eigene Kühlung“, sagt Milcherzeuger Tobias Schlüter und zeigt auf die Löcher des 60 m langen Belüftungsschlauches. Seit vergangenem Jahr hängt dieser über den Liegeboxen. Der Betriebsleiter und Halter von 380 Holstein-Kühen ist überzeugt von dem System. Vor allem im Sommer, wenn die Kühe wegen Hitzestress normalerweise mehr stehen als liegen, wirke sich die Frischluftzufuhr positiv auf die Liegezeiten aus. „Im vergangenen Sommer war jede Liegebox belegt. Zudem eignet sich der Schlauch ideal zur Fliegenbekämpfung“, freut sich Tobias Schlüter. Da der 20 Jahre alte Laufstall in weitere Gebäude eingebettet ist, sei eine Querbelüftung mit Ventilatoren nicht möglich gewesen. Nicht nur einer seiner Kuhställe ist mit einem Belüftungsschlauch ausgestattet, sondern auch das 28er-Innenmelkerkarussell sowie der Kälberstall.
Der richtige Stallbereich
„Ein Belüftungsschlauch macht praktisch in jedem Stall Sinn“, betonen Stallbau-Beraterin Ramona Hesse (Hofkonzept) und Tierarzt Dr. Jan Punsmann (Tierarztpraxis Ottersberg). Ramona Hesse vertreibt Belüftungsschläuche des Herstellers Dr. Knopf & Oswald, Dr. Jan Punsmann das System des Herstellers Vetsmart. Sinn macht das System vor allem dort, wo Axial- oder Deckenventilatoren keine optimale Belüftungschance bieten.
Hauptvorteil gegenüber anderen Lüftungssystemen sei, dass die Tiere ausschließlich mit Frischluft gezielt gekühlt werden. Diese wird mit einem in der Außenwand integrierten Ventilator angesaugt. Vorteilhaft ist auch, dass kein Windschatten durch Wände oder andere „herumstehende“ Kühe entsteht. Einziges Problem sei, dass die Schläuche die Lichtdurchflutung stören können. Besonders betroffen sind Ställe, die ohnehin dunkel sind. Damit die Frischluft punktgenau auf jede Kuh gelangt, ist die Wahl der richtigen Schlauchposition sowie eine durchdachte Planung entscheidend. Sinnvoll ist die Installation
- insbesondere über den Liegeboxen im Kuhstall,
- im Wartebereich vor dem Melkstand,
- im Melkstand selbst oder über AMS-Platzierungen,
- über den Fressgängen.
Übergänge und Laufgänge gilt es aus Beratersicht bewusst auszulassen. So trocknen diese nicht aus und bleiben rutschfest. Schläuche im Vorwartebereich am AMS zu installieren sei ebenfalls sinnlos. Es gilt, die Kühe zunächst in den Liegeboxen zu kühlen, bevor über eine Kühlung über den Fressgängen nachgedacht wird.
Ideal für alte Anbindeställe
Die Gründe für die Wahl einer Schlauchbelüftung sind unterschiedlich. Manchmal ist die Decke so niedrig, dass ein Axial- oder Deckenventilator aus Platzgründen nicht installiert werden kann. So auch im Boxenlaufstall von Michael Engel: Der Milcherzeuger hat in seinem Stall aus dem Jahr 1972 erst Anfang diesen Jahres eine Schlauchbelüftung installiert. Vor allem in den beiden heißen Wochen im August habe sich der Unterschied zwischen dem Gebäude der Jungrinder und dem der Kühe deutlich bemerkbar gemacht. Bei warmen Temperaturen würden die Kühe nun häufiger die Tiefboxen im alten Stall aufsuchen als nebenan im Anbau.
Der alte Stall wurde vor 13 Jahren von einem Anbinde- zum Boxenlaufstall umgebaut. „Ich hatte zunächst Sorge, dass die Kühe den Schlauch an den Übergängen beschädigen. Dort beträgt der Abstand zum Boden nur 2,30 m. Das ist aber nicht passiert“, sagt Michael Engel. Vorsorglich hat er den Belüftungsschlauch an dieser Stelle dennoch mit einer gebogenen Edelstahlplatte geschützt.
Zentimetergenau ausmessen
Um eine Luftgeschwindigkeit von 1,5 m/s an den Kühen (am Fressgang 3 m/s) zu erreichen, gilt es, vor der Installation den Stall zentimetergenau auszumessen und die Punkte zu ermitteln, an denen die Kühe gekühlt werden sollen. Der Aufwand dafür ist nicht zu unterschätzen. Aber nur so können die Hersteller eine stallindividuelle Kombination aus Schlauch- und Lochdurchmesser sowie Förderleistung des Ventilators konzipieren. Wurde der Schlauch falsch geplant, kann dieser nicht seinen gewünschten Zweck erfüllen. Tipp: Im Optimalfall wird der Ventilator an der Nordseite montiert, wo fast ganztägig keine Sonneneinstrahlung vorhanden ist. Je nach Stall ist eine Installation in Stufen und Kurven möglich.
Selbst montiert
Letzteres ist auch im Melkkarussell von Tobias Schlüter der Fall. Um die Temperatur beim Melken noch weiter senken zu können, hat er ein Kühlaggregat mit dem Belüftungsschlauch gekoppelt. „Die Temperatur ist nun zwei bis drei Grad niedriger“, sagt er. Acht Melkplätze sind mit Absicht nicht mit dem Schlauch versehen. „Wäre das gesamte Karussell damit ausgestattet, würden die Kühe morgen noch hier stehen“, erklärt der Milcherzeuger. Zusammen mit seinem Team hat er die Schläuche sowohl im Melkkarussell als auch im Kuh- und Kälberstall selbst montiert. „Das dauerte etwa zwei Tage. Von Vorteil war, dass keine Stromleitungen quer durch den Stall gelegt werden mussten“, sagt Tobias Schlüter.
Die Einstellung der Steuerung erfolgte über den Hersteller. Aus Beratersicht könne man die Steuerung auch selbst installieren. Wichtig sei, dass der Temperatursensor 3 m hinter dem Ventilator hängt. Dort kann der genaue IST-Zustand im Stall gemessen werden. Außerdem bieten einige Hersteller eine Kopplung der Belüftungsanlage mit einer Wetterstation an. So könne man Curtains, Dachfirste oder Beleuchtungssysteme mit steuern.
Kälber: Schadgase raus
Eine optimal eingestellte Steuerung ist vor allem im Kälberstall wichtig. Hier werden Schläuche in der Regel zur Belüftung und nicht zur Kühlung eingesetzt. Ziel ist es, die Belastung mit Schadgasen und Mikroorganismen auf ein Minimum zu reduzieren. „Die Luftgeschwindigkeit darf nicht höher als 0,2 m/s im Bereich der Kälber sein. Sonst entsteht Zugluft“, betont Jan Punsmann. Dieses Ziel verfolgten auch Tobias Schlüter sowie die Familie Kollenberg. Seitdem beide im Kälberstall einen Schlauch installiert haben, hat sich die Kälbergesundheit verbessert.
„Aufgrund der niedrigen Decke war es sehr schnell sehr stickig“, sagen Yvonne und Markus Kollenberg. In den wetterbedingten Übergangsphasen, in denen die Kälber oft mit Atemwegserkrankungen oder Grippe zu kämpfen hatten, gebe es nun kaum Probleme. Das liegt bei Kollenbergs unter anderem auch an der Abluftkabine, die sie nachträglich durch das Stalldach errichteten. Trotz des Schlauches sammelten sich in einer Ecke Schadgase. „Kälber haben nicht so eine hohe Eigenthermik wie Kühe. Der Ammoniak muss aktiv über sauerstoffreiche Luft verdrängt werden“, erklärt Ramona Hesse.
Im Kälberstall darf die Luftgeschwindigkeit nicht höher als 0,2 m/s im Bereich der Kälber sein.
Dr. Jan Punsmann
Einfache Reinigung
Damit Schmutz in und an den Schläuchen schnell beseitigt ist, sind diese mit Reißverschlüssen ausgestattet. Die einzelnen Abschnitte können in der Waschmaschine gewaschen werden. Manche Hersteller bieten auch einen Waschservice an. Im Kälberstall wird eine jährliche Reinigung empfohlen, im Kuhstall alle fünf Jahre. „Wir haben die Schläuche im Kälberstall erst nach zwei Jahren gewaschen. Das war ein Fehler“, sagen Yvonne und Markus Kollenberg. Tipp: Werden die Schläuche im Frühjahr oder Spätsommer gewaschen, können sie bei über 20 °C gut trocknen. Jan Punsmann ergänzt: „Da das System fast ganzjährig einem Luftaustausch unterliegt, ist es je nach Material in der Regel nicht mit Schadkeimen belastet.“ Tobias Schlüter bestätigt das: „Im Winter bringt der Schlauch kaum Vorteile, trotzdem schalte ich ihn nicht aus.“ Auf die Frage, ob die Löcher des Schlauches zufrieren können, antworten die Berater mit einem „Nein“. Die Löcher seien zu groß dafür.
Laufende Kosten: Gering
Die Kosten für einen Meter Belüftungsschlauch betragen je nach System 200 bis 350 € (inkl. Steuerung und Anbringungsmaterial). Die laufenden Kosten machen laut Jan Punsmann aber nur einen Bruchteil dessen aus, was man investieren müsste, wenn man den gleichen Effekt mit Ventilatoren erreichen will. Anstatt acht Decken- oder Axialventilatoren, die man über 60 bis 80 Liegeboxen in Einzelreihe montiert, braucht man beispielsweise nur einen Schlauch und einen Ventilator. Kritik äußern die Berater allerdings an der Lautstärke des Ventilatoren. Vorteilhaft sei, dass das hochwertige Schlauchmaterial – abhängig von der Pflege – mindestens zehn Jahre haltbar ist. Möchte man sich schon jetzt für den nächsten Sommer wappnen, dann gilt: Einfach aufhängen – damit ist es nicht getan! Eine ausgefeilte Planung ist unverzichtbar, damit das System seinen Zweck erfüllt.
Die Belüftung in Ställen funktioniert oft nach dem Chaosprinzip. Um Kühe besser zu kühlen, müssen Ventilatoren gezielter eingebaut werden.
Eine Klimatisierung für Vorwartebereich und Melkstand bzw. AMS lohnt sich! Tipps und Beispiele aus der Praxis.
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