Eutergesundheit

Melkroboter: Erreger raus!

Melkroboter bergen Chancen und Risiken für die Eutergesundheit. Diese Risiken sollte man kennen, um die Herde langfristig eutergesund zu halten.

Für Eutererkrankungen gibt es viele Ursachen, auch in AMS-Betrieben. Wir haben deshalb mit Dr. Tobias Grottendieck gesprochen, wie die Eutergesundheit aussehen sollte und welche Risiken speziell hier auszumachen sind.

Dr. Tobias Grottendieck

Tierarztpraxis Bramsche

Elite: Herr Dr. Tobias Grottendieck, welche Zellzahlgehalte sollten Melkroboterherden erreichen, um als eutergesund zu gelten?
Grottendieck: Eine pauschale Antwort lässt sich hier nicht geben, die Eutergesundheit muss immer betriebsindividuell betrachtet werden. Als grober Richtwert gilt, dass 85 % der Kühe einen Zellgehalt unter 100.000 Zellen aufweisen sollten. Wird dieses Ziel verfehlt, muss man der ­Ursache auf den Grund gehen.
Liegt eine Zellzahlproblematik vor, ist es notwendig zu schauen, ob auch klinische Mastitiden vermehrt auftreten. Sind „nur“ hohe Zellzahlen, aber keine nennenswerten klinischen Fälle erkennbar, lässt sich davon ausgehen, dass die Fütterung, Liegeboxen oder aber Stress Auslöser dieser Problematik sind. Bei ausgeprägten klinischen Fällen ­wiederum, müssen die Erreger ausfindig gemacht werden.

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Elite: Was sind dann die größten Problemfelder im Zusammenhang mit einer schlechten Eutergesundheit im Melkroboterbetrieb?

Bei Fabrikaten, bei denen die Zitzen im Melkbecher ­gereinigt werden, muss täglich kontrolliert werden, ob die Becher sauber und die Lochreihen für das ­Wasser durchlässig sind. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Grottendieck: Bei Zellzahlproblemen in der Herde kann man nur selten eine primäre Ursache ausfindig machen. Häufig ist es ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren.
Als erstes sollten alle Ursachen, die nicht in direktem Zusammenhang zum Melkroboter stehen, abgeklärt werden. Dazu gehören die Fütterung bzw. die Qualität der Futtermittel, die Liegeboxenhygiene oder die Kondition der Euterhaut. Ist hier keine Ursache zu finden, sollte man sich das Management rund um den Melkroboter ­anschauen.
Dazu können unter anderem gehören: falsch ­eingestellte Melkanrechte bzw. Melkintervalle, eine schlechte Anlagenhygiene, eine defekte Desinfektion, eine mangelnde Wartung oder auch nicht zur Herde ­passende bzw. zu alte Zitzengummis.

Es sollten zwei Bürstensätze vorliegen, diese in jeder Woche austauschen und reinigen. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Risiken: Schritt für Schritt abschalten

Elite: Welchen Einfluss haben die Melkanrechte bzw. Melkintervalle auf die Eutergesundheit?
Grottendieck: Wird im Verhältnis zur Milchleistung zu oft gemolken, kann das das Zitzengewebe den Schließmuskel und den Venenring schädigen. Erreger können leichter in den geöffneten Strichkanal eindringen.
Zu lange Zwischenmelkzeiten (über 12 h) können dazu führen, dass Erreger nicht ausgeschwemmt werden und sich vermehren. Die Zwischenmelkzeit sollte deshalb  zwischen sechs und zwölf Stunden liegen.
Elite: Gibt es weitere technische Risiken?
Grottendieck: Neben den Melkintervallen können abgebrochene, häufige Ansetzversuche das Euter belasten. Steigt die Zahl der misslungenen Ansetzversuche gilt es alles, was den Ansetzvorgang stören könnte, auszuschalten. Dazu gehört z. B. Abflammen bzw. Scheren der ­Euterhaare und Kürzen der Schwanzhaare. Säubern der Kameras, kontrollieren der Luftlöcher am Zitzenbecher sowie die Fliegenbekämpfung im Sommer.

Die Zitzenkondition prüfen

Elite: Auch eine schlechte Zitzenkondition kann für Euterprobleme verantwortlich sein. Wie oft sollte man sie überprüfen und was können die Ursachen sein?
Grottendieck: Es ist ratsam, diese einmal in der Woche nach der Abnahme des Melkgeschirrs zu überprüfen. Liegen Hyperkeratosen oder Blauverfärbung an den ­Zitzen vor, können verdrehte, beschädigte (Risse) Zitzengummis, aber auch die Einstellung des Melkroboters (­Vakuum, falsche Abnahmeschwelle etc.) die Ursache sein. Auch das Innere des Zitzengummis sollte einmal wöchentlich mit einer Taschenlampe ausgeleuchtet und kontrolliert werden.

Zu lange Zwischenmelkzeiten (über 12 h) können dazu ­führen, dass Erreger nicht ausgeschwemmt werden. (Bildquelle: Ostermann-Palz)

Melkhygiene ist das A und O

Elite: Und was ist bei der Melkhygiene zu beachten?
Grottendieck: Alle Oberflächen, die mit dem Euter in Kontakt kommen und auf denen sich Biofilme bilden können, sind potenzielle Brutstätten für Erreger. Deshalb müssen der Melkroboter, der Ansetzarm etc. täglich ­gereinigt werden. Je nach Fabrikat gibt es unterschiedliche „Problemzonen“. Dazu gehören z. B. die Becherabdeckung, das Bechermagazin oder die Spülaufnahme.
Auch die Zitzenvorbereitungseinrichtungen (Becher oder Bürsten) können Risiken bergen. Bei Bürsten sollte man darauf achten, dass sie spätestens nach 30.000 ­Gemelken ausgetauscht werden. Zu empfehlen ist auch, sich einen zweiten Bürstensatz anzuschaffen. Diese Bürstensätze wochenweise wechseln und in der Spülmaschine ­reinigen.
Die Konzentration der Desinfektionsmittel muss regelmäßig kontrolliert werden
Dr. Tobias Grottendieck

Desinfektion muss passen

Elite: Zum Risikobereich Melkhygiene gehört auch die Desinfektion der Bürsten bzw. der Zitzenbecher.
Grottendieck: Bei der Desinfektion muss eine regel­mäßige Kontrolle erfolgen. Bei der Zwischendesinfektion sollte man sich regelmäßig das Sprühbild ansehen. Bei Fabrikaten, bei denen die Zitzen im Melkbecher ­gereinigt werden, muss täglich kontrolliert werden, ob die Becher sauber und die Lochreihen für das ­Wasser durchlässig sind.
Grundsätzlich sollte man immer wieder kontrollieren, ob die Desinfektionsmittel (Zwischendesinfektion, ­Reinigung etc.) richtig dosiert werden. Dies lässt sich über Teststreifen herausfinden.

Der Zitzenbecher muss richtig sitzen

Elite: Was ist bei der Dampfdesinfektion zu beachten?
Grottendieck: Bei einer Dampfdesinfektion müssen ­Zitzenbecher und Aufnahme optimal schließen, damit der heiße Wasserdampf auch im Becher die gewünschte Wirkung zeigt. Bilden sich hier starke Dampfschwaden (Nebel), stimmt die Einstellung nicht. Bei der regelmäßigen technischen Kontrolle ist es ­außerdem ratsam, sich das Sprühbild des Dippmittels ­anzuschauen. Ist an der Zitzenkuppe ein sichtbarer Tropfen zu sehen? Wenn das nicht der Fall ist, sollte das Sprühen ­intensiviert werden. In einigen Fällen kann auch der Sprühdruck angepasst werden. Bei den Dippdüsen täglich darauf achten, dass sie nicht verstopft sind.

Alle Melkroboterteile, die mit dem Euter in Berührung kommen können, müssen täglich gereinigt werden. (Bildquelle: Hünnies)

Elite: Manche Melkroboter sind mit einer Klauenwasch- und Desinfektionsanlage ausgestattet. Hat es Nachteile für die Eutergesundheit?
Grottendieck: Was für die Klauengesundheit der Kühe durchaus von Vorteil ist, kann die Eutergesundheit wegen der im Roboter entstehenden Aerosole jedoch negativ beeinflussen. Die Anlage sollte deshalb nur dann sprühen, wenn das Melkgeschirr unterhängt oder nach dem Melken, wenn die Zitzen bereits gedippt sind.
Die Euter müssen so wenig verschmutzt sein wie möglich
Dr. Tobias Grottendieck
Elite: Die Reinigungskapazität der Bürsten oder Becher ist begrenzt. Sie kann nicht tierindividuell auf den Verschmutzungsgrad der Euter in der Herde eingehen. Was muss man also beachten?
Grottendieck: Es ist wichtig, dass die Euter der Kühe so wenig verschmutzt sind wie möglich. So kommt der ­Liegeboxenpflege, der Sauberkeit der Laufgänge und des Wartebereichs eine große Bedeutung zu. Der Wartebereich sollte mehrmals täglich abgeschoben werden.

Regelmäßige Kontrolle!

Um die Eutergesundheit langfristig im Griff zu behalten, sollte man vom Melkroboter ausgegebene Alarmlisten mindestens zweimal täglich, morgens und abends, ­kontrollieren. Bei Auffälligkeiten muss sofort reagiert ­werden (Schalmtest, Beprobung). Dabei nicht nur auf die eindeutigen Euterentzündungen achten, sondern auch unterschwellige Probleme - z. B. langsam ansteigende ­Zellzahlen im Auge behalten.

In vielen Kuhställen erhalten hochleistende Kühe durchaus 10 kg Kraftfutter über die Melkbox. Das ist nicht immer notwendig, um Melkroboter optimal auszulasten.


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