Wie viel Nachzucht? Welche Nachzucht? Wie besamen? Bei Holstein-Betrieben ist eine „
Remontierung mit System“ mit gezielter Besamungsstrategie (weiblich gesextes Sperma, Fleischrassen etc.) bereits weit verbreitet. Unter anderem durch höhere Erlöse für männliche Kälber oder die zunehmend kritisierte Verbringung tragender Rinder machen sich auch immer mehr Fleckviehbetriebe Gedanken über eine gezielte Besamung, zum Beispiel in Form von männlich gesextem Sperma.
Wie viel Nachzucht? Welche Nachzucht? Wie besamen? Fünf Schritte, um eine sinnvolle Selektions- und Besamungsstrategie für den eigenen Betrieb zu etablieren.
Gesextes Sperma zunehmend nachgefragt
In vielen Milchkuhherden sind grundsätzlich ausreichend weibliche Nachzuchttiere für die Remontierung vorhanden. Da Fleckviehkühe nahezu jedes Jahr kalben und die Nutzungsdauer tendenziell steigt, gibt es oft mehr weibliche Nachzucht als eigentlich benötigt wird. Beim Verkauf überschüssiger Tiere als Kalb erzielen männliche Kälber deutlich bessere Erlöse als weibliche. Der Verkauf weiblicher Tiere als tragende Rinder oder abgekalbte Färsen steht aufgrund der Langstreckentransporte zunehmend in der Kritik.
Alle Faktoren zusammen führen heute vermehrt zu der Frage, ob man einen Teil der Herde bewusst anders nutzen sollte. Anders nutzen meint, Kühe, von denen man keine weibliche Nachzucht zur Herdenremontierung erzeugen möchte, mit männlich gesextem Fleckviehsperma oder Fleckvieh-Fleischbullen zu besamen. Auf diese Weise erzeugen Milchkuhhalter bewusst mehr männliche (Mast)Kälber und können entsprechend höhere Erlöse erzielen.
Werden die „besseren“ Kühe gleichzeitig konventionell besamt, dienen dessen weibliche Kälber zur Remontierung. Das dient vor allem auch dem züchterischen Aspekt, um die Herde langfristig zu verbessern. Außerdem: „Der Einsatz von männlich gesextem Sperma kann auch als Management-Tool angesehen werden, um die weibliche Nachzucht zu verringern, wenn die Aufzuchtkapazitäten nicht ausreichen“, sagt Andrea Hefner, Bereichsleiterin Tierzucht und Export beim Besamungsverein Neustadt a. d. Aisch (BVN).
Mehr Geld durch die richtigen Bullen
Um die männlichen Kälber bestmöglich zu vermarkten, bietet sich generell der Einsatz von Fleckvieh-Fleischbullen oder Fleckviehbullen aus der Doppelnutzung mit extrem hohen Fleischwert (FW) an. „Möchten Milcherzeuger noch die Entscheidungsfreiheit haben, wenn das Kalb geboren ist, empfiehlt es sich, einen FW-starken Fleckviehbullen einzusetzen“, erklärt Andrea Hefner. Kälber dieser Bullen weisen in der Regel einen guten Fleischansatz auf, funktionieren durch die Doppelnutzung aber auch zur Milcherzeugung.
Bei Fleckvieh-Fleischbullen sollte vor allem auf den Kalbeverlauf der Bullen geachtet werden. Um Schwergeburten zu vermeiden, sind leichtkalbige Bullen hier vorzuziehen. Um den Kalbeverlauf noch besser einschätzen zu können, erhofft sich Andrea Hefner, zukünftig einen Zuchtwert zu etablieren, der den Kalbeverlauf von Fleckvieh-Fleischbullen auf Fleckviehkühen beschreibt.
Auch bei männlich gesextem Sperma sind gute Kalbeeigenschaften der Bullen wichtig. Obwohl die Nachfrage bisher noch gering ist, bieten fast alle Besamungsstationen männlich gesextes Sperma von Doppelnutzungsbullen an. Häufig muss dieses aber vorbestellt werden. Eine Hemmschwelle könnte für viele Betriebe noch die deutlichen höheren Kosten für gesextes Sperma sein.
Bedeutende Merkmale bei der Bullenauswahl sind zudem die Masteigenschaften der Nachkommen sowie die Vitalität und Qualität der Kälber. Insgesamt nimmt vor allem auch der Wunsch nach (reinerbig) hornlosen Bullen zu. Entscheidende Vorteile reiner Fleckvieh- bzw. Fleckvieh-Fleischbullenkälber gegenüber Gebrauchskreuzungen (z.B. Fleckvieh x Weißblaue Belgier oder Holstein x Weißblaue Belgier) wird vor allem in der Homogenität und den großen Chargen gesehen. Deshalb sei es wichtig, Milcherzeugern Fleckviehbullen von entsprechender Qualität zur Verfügung zu stellen.
In Zukunft zielgerichteter besamen
Ist auch der Einsatz von weiblich gesextem Sperma ein Thema bei Fleckvieh? „Da tut sich was!“, sagt Clemens Mauch, Berater bei der Bischoff & Hager GbR. „Bisher wird die weibliche Nachzucht noch nicht so gezielt produziert und selektiert wie bei Holsteins. Aber auch Fleckviehzüchter beschäftigen sich zunehmend damit“, schätzt er die Situation ein.
Grundsätzlich spricht in Fleckviehbetrieben wenig dagegen, die weibliche Nachzucht großzügig aufzuziehen – das heißt, auch deutlich mehr aufzuziehen, als eigentlich zur Remontierung benötigt werden, weil auch die Schlachtkühe in der Regel noch gute Erlöse bringen (mehr als bei Holsteins). Gleichzeitig kann das aber auch dazu führen, dass ältere Kühe unnötig schnell den Bestand verlassen. Das spricht wiederum gegen die gewünschte lange Nutzungsdauer.
Insgesamt sind es immer betriebsindividuelle Entscheidungen, dennoch ist davon auszugehen, dass Fleckviehkühe zukünftig immer gezielter besamt werden und gesextes Sperma – sowohl männlich als auch weiblich – an Bedeutung gewinnen. Auch die Genotypisierung weiblicher Tiere könnte diese Tendenz in Zukunft verstärken.
Quellen: Andrea Hefner (BVN), Clemens Mauch (Bischoff & Hager GbR), RUW, Rinderzucht Fleckvieh
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