Elite entdeckt

Aura: Vollautonomer Mischwagen, der sich selbst befüllt

Autonom und effizient – der Futtermischwagen Aura  könnte zum Gamechanger für Milchkuhbetriebe werden. Elite hat sich die Innovation in der Praxis angesehen.

Keine Silage mehr aus den Gras- und Maissilos entnehmen, kein Saft- und Kraftfutter mehr in den Futtermischwagen laden und dennoch mehrmals täglich den Kühen eine frische Ration vorlegen – Aura, der selbstfahrende (autonome) Futtermischwagen des französischen Herstellers Kuhn macht es möglich.
Es scheint so, als hätte Kuhn mit dem Aura quasi eine „eierlegende Wollmilchsau“ entwickelt, denn der rot lackierte Aura ist derzeit der einzige Fütterungsroboter auf Rädern, der autonom die Silos und die Futterlager anfährt und sich dort selbst belädt – diesen Eindruck haben wir gewonnen, nachdem wir auf zwei französischen Milchkuhbetrieben dem Aura bei der praktischen Arbeit zugeschaut haben.
Die wichtigsten Informationen:
- Der Aura ist der erste mobile, vollautonome Futtermischer, der per Silofräse selbsttätig Futter aus dem Silo bzw. Futterlager entnehmen kann. Nach dem Laden aller Futterkomponenten fährt er zum Verteilen des Futters in die Stallungen.
- Ausgelegt ist der autonome Mischer für einen 18 stündigen Arbeitstag (ca. 6 km täglich).
- Der Mischbehälter hat ein Volumen von 3 m3.
- Der Aura kann bis zu 280 Milchkühe und Nachzucht füttern.
- Täglich werden nur noch 30 Minuten zum Abdecken der Silos und dem Befüllen Futterlagers benötigt.

Mit 7 km/h in den Stall

Wie gesagt, der entscheidende Unterschied zu anderen automatischen Fütterungssystemen ist, dass sich der Aura selbst befüllt. Dadurch entfällt das Vorhalten eines Bunkersystems oder das Bereitstellen von Futterkomponenten (Silage) an einem bestimmten Platz (separate Halle). Hinzu kommt, dass der Aura zur Navigation auch keine Führungs- oder Kontaktschienen im Boden benötigt, denn angetrieben wird der kompakte, rote Mischer (6,92 m lang und 2,60 m hoch) von einem 57 PS (42 kW) starken Dreizylinder Dieselmotor (Abgasnorm Euro 5). Der hydrostatische Allradantrieb erlaubt es ihm sich mit max. 7 km/h - auch auf losen Untergrund – fortzubewegen und Steigungen zu meistern. Den Kraftstoffverbrauch beziffern die von uns aufgesuchten Milcherzeuger mit knapp vier Litern pro Stunde.
Der geringe Kraftbedarf des Motors, den der Aggregatspezialist Kohler zuliefert, ist der Fräse geschuldet. Während herkömmliche selbstfahrende Futtermischwägen mit Eigenbefüllung rund 80 % der Motorleistung für die Arbeit der Fräse bereitstellen, muss zum Antrieb der 60 cm breiten Fräse vergleichsweise nur wenig Motorleistung bereit gestellt werden. Geschuldet ist dies dem mit einem Förderband (wird automatisch nachgespannt) versehenen Ladeschacht. Dieser ist ebenso breit angelegt wie die Fräse. So wird das aufgenommene Futter direkt abtransportiert – es gibt keinen Engpass (es muss kein Futter „durchgedrückt“ werden).

Die 60 cm breite Fräse kann bis zu 10 cm tief in das Silo eindringen.  Der Fräsarm kann beidseitig um bis zu 70 cm verschoben werden, so muss der Futtermischer seltener umparken. (Bildquelle: Veauthier)

Mit der Fräse nimmt der Aura in den Fahrsilos oder in der Futterhalle vorhandenes Futter auf. Ist die vordefinierte Menge geladen, wird das Fräskopfwerk geschlossen und der Arm auf der Maschine fixiert. Mengen (Konzentrate) unter 50 kg  werden nicht über die Fräse aufgenommen, sondern müssen von oben den 3 m3  fassenden Mischbehälter eingefüllt werden. Die Zufuhr von Kraft- und Mineralfutter sowie Flüssigkomponenten erfolgt idealerweise vollautomatisch über eine Relaisschaltung.
Der gesamte Mischbehälter ist ebenso wie die Mischschnecken aus der Edelstahlvariante K-NOX gefertigt, einer Metalllegierung aus Chrom und Ferrit. Chrom soll die Mischschnecken vor Korrosion schützen und sie widerstandsfähig gegen Silosäuren machen. Ferrit verleiht den Mischschnecken eine hohe mechanische Festigkeit, die u.a. beim Verarbeiten von Rundballen gefragt ist. Laut dem Hersteller verlängert sich durch die Edelstahlvariante die Haltbarkeit des Behälters und der Schnecken um den Faktor 6.

Querförderband und Bürsten

Angekommen im Stall verteilt der Aura die Futtermischung über ein hinten quer eingebautes Förderband (beidseitiger Auswurf). Zwei rotierende Besen am hinteren Ende des Aura räumen das frische Futter unmittelbar an. Der Aura kann aber auch so programmiert werden, dass er nur nachschiebt und kein Futter verteilt.

Die TMR wird am hinteren Ende des Mischers mit einem Querförderband ausgetragen. Mithilfe der Bürsten lässt sich die Futtermischung zu den Kühen schieben. (Bildquelle: Veauthier)

Hersteller Kuhn verfolgt mit dem Aura die Philosophie der mehrmaligen täglichen Futtervorlage. So werden auf den beiden besuchten Milchkuhbetrieben die laktierenden Kühe auch sechs Mal täglich mit einer frischen TMR versorgt.
Bemerkenswert ist, dass mehrere Magnete selbst kleine Metallteile, die in den Mischbehälter gelangt sind, zurückgehalten werden und nicht im Futtertrog landen.
Restmengen verbleiben nach Auskunft der Landwirte nicht im Mischbehälter, auch nicht beim Einsatz von klebrigen Futterkomponenten wie Melasse. Verhindert wird dies durch eine schnelle Rotation der vertikalen Mischschnecken unmittelbar vor dem Austrag der letzten Rationsbestandteile.

Hofstelle wird digital vermessen

Der unbeladene rund 5,8 Tonnen schwere Aura findet die Silos, Futterläger und Ställe dank eines ausgeklügeltes Navigations-Systems bestehend aus einem ständigen Wifi-Signal (zwei Antennen auf der Maschine), einem GPS-RTK-Signal und drei Lidar-Sensoren (Light Detection and Ranging), die Kuhn von Jenoptik bezieht. Per unsicht­baren Laserstrahl nehmen die Sensoren Hunderttausende Abstandsmessungen pro Sekunde vor und erzeugen so ein exaktes 3D-Bild der Fahrzeugumgebung. Dadurch soll eine 100 %ige Kollisionsvermeidung gegeben sein. Der Aura fährt laut Hersteller mit einer Genauigkeit von 2 cm. Bei Verlust des GPS-Signals im Stall bestimmt die Maschine mit Rad­sensoren per Odometrie (Streckenmessung) die Maschinenposition.
Doch bevor der Aura in die Selbständigkeit entlassen wird, muss der Arbeitsbereich zunächst im Rahmen einer mehrwöchigen Inbetriebnahme kartografisch digitalisiert werden: Die Position der einzelnen Ställe, der Futtertische und Tröge bis hin zu den Standort der einzelnen Kraft- und Mineralfuttersilos, Raufutterdepots und Silomauern - alles muss eingemessen, die Fahrwege des Aura festgelegt werden. Anschließend wird gemeinsam mit den Servicetechnikern noch ein Sicherheitsprotokoll erstellt. Wird ein neues Kraftfuttersilo aufgestellt, lässt sich dieses ebenso wie ein neues Fahrsilo oder eine Änderung der Fahrtroute am PC oder per Tablet hinzufügen bzw. anpassen.

Nur Fahrsilos, keine Silomieten

Wichtig: Zum Aufnehmen von Raufutter sind Fahrsilos mit Seitenwänden unabdingbar. Ideal sind Silowände mit einer Wandhöhe von mindestens zwei Metern. Der Aura benötigt zur korrekten Positionierung Seitenwände (idealerweise mindestens 1,80 m Höhe), Silage aus Mieten kann er nicht aufnehmen. Auch darf keine Silage aus dem Silo herausragen (Keil), in diesem Fall muss eine Seitenbegrenzung ergänzt werden. Zudem sollte das Fahrsilo immer ordentlich aufgeräumt und aufgedeckt sein, denn z.B. eine  flatternde Abdeckfolie könnte der Aura als Gefahrenquelle erkennen und somit sogleich seine Arbeit einstellen. Im Silo beginnt der Aura bei der zuletzt bekannten Entnahmeposition die Futterentnahme. Die Silofräse zieht bis zu 10 cm tiefe Bahn nach unten. Damit an der Wand nicht zu viel Silage stehen bleibt, ist der Fräsarm hydraulisch um 70 cm nach links und rechts verschiebbar. Tatsächlich bleibt so nur maximal ein kleiner Rand mit Futter stehen. Zu Boden gefallenes Futter (Silage) nimmt die Fräse weitgehend auf, indem sie mehrmals vor- und zurückfährt und dabei geschickt die Frästrommel über den Beton führt.

Gut zu erkennen sind die umlaufenden Stoßbügel. Im Fall einer Kollision stoppt die Maschine sofort. (Bildquelle: Veauthier)

Aura erkennt auf seinem Weg liegende und stehende Hindernisse. Umfahren bzw. ausweichen tut der feuerrote Mischer jedoch nicht. Stattdessen hält der Selbstfahrer an und informiert per SMS.  Die Personenerkennung basiert auf einem breiten Sicherheitssystem aus Radar-, Lidar- und Ultraschallsensoren. Sollte die Elektronik versagen, ist zur Sicherheit noch ein Aufprall-Bügel in 20 cm Höhe rund um die Maschine verbaut. Bei einer Berührung stoppt die Maschine sofort.

300.000 Euro

Die beiden französische Milcherzeuger, denen wir über die Schulter schauen durften, arbeiten bereits seit knapp drei Jahren mit dem Aura. Auf den beiden Milchkuhbetrieben haben die roten Futtermischer bereits 7.000 und 13.000 Stunden auf dem Buckel. Gegenüber Elite erklärten sie, dass sie täglich mindestens 2,5 Stunden an Arbeitszeit einsparen und sehr zufrieden mit der Maschine seien. Vier bis fünf Alarme pro Woche würden sie erhalten, meist aufgrund eines „Hindernisses“ im Fahrsilo. Im Vergleich zu den Melkrobotern oder den Biogasanlagen, die auf den beiden Farmen im Einsatz sind, sei das aber vergleichsweise wenig.
Gefragt nach Punkten, die es zu optimieren gilt, fiel den Milcherzeugern nicht allzu viel ein, …. ein etwas voluminöser Mischbehälter und die Möglichkeit noch etwas näher entlang des Fressgitters zu fahren, das war’s schon. Alors, ca marche!
Noch ein Wort zu den Kosten: Kuhn beziffert die Anschaffungskosten auf etwa 300.000 Euro. So ganz genau festlegen will man sich noch nicht … der Vertriebsstart soll ja auch erst in 2025 erfolgen. Empfohlen wird eine Abschreibung auf sieben Jahre.
Und noch ein Tipp zum Schluss: Präsentiert wird der Aura auf der EuroTier 2024 in Hannover.

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