Das Antibiotika-Monitoring bei Milchkühen läuft mittlerweile im zweiten Jahr. Über die ersten Erkenntnisse sprachen wir mit Dr. Bernd-Alois Tenhagen vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Seit 2023 müssen die Tierärzte den Antibiotika-Verbrauch in Milchkuhherden mit mehr als 25 Kühen zweimal im Jahr – jeweils bis zum 14. Januar und 14. Juli – in die HIT-Datenbank melden (TAMG). Vorher betraf diese Anforderung im Rahmen des sogenannten Antibiotika-Minimierungskonzeptes nur den Masttierbereich. Aus den Zahlen werden einmal jährlich die beiden Kennzahlen 1 und 2 des Therapie-Index für Deutschland ermittelt und veröffentlicht. Betriebe mit einer Kennzahl über...
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Seit 2023 müssen die Tierärzte den Antibiotika-Verbrauch in Milchkuhherden mit mehr als 25 Kühen zweimal im Jahr – jeweils bis zum 14. Januar und 14. Juli – in die HIT-Datenbank melden (TAMG). Vorher betraf diese Anforderung im Rahmen des sogenannten Antibiotika-Minimierungskonzeptes nur den Masttierbereich. Aus den Zahlen werden einmal jährlich die beiden Kennzahlen 1 und 2 des Therapie-Index für Deutschland ermittelt und veröffentlicht. Betriebe mit einer Kennzahl über 2 gehören zu den 25 % mit dem höchsten Antibiotika-Einsatz. Sie sind verpflichtet mithilfe eines Maßnahmenplanes ihren Verbrauch zu senken. Einmal im Jahr, Ende August, wertet das Bundesamt für Risikobewertung in Berlin die Zahlen aus. Der jüngste Jahresbericht liegt jetzt vor.
Elite: Der erste Jahresbericht zu den Antibiotika-Verbrauchsmengen und Therapiehäufigkeiten liegt vor. Wie sehen die ersten Ergebnisse aus?
PD Dr. Bernd-Alois Tenhagen
Bundesinstitut für Risikobewertung, Leiter Fachgruppe Epidemiologie, Zoonosen und Antibiotikaresistenz
Dr. Bernd-Alois-Tenhagen: Wir haben bisher die Zahlen der ersten beiden Halbjahre aus 2023 ausgewertet. Die spannendste Erkenntnis daraus war für uns die große Streubreite beim Einsatz von Antibiotika zwischen den Betrieben. Das zeigt, dass es Potenzial zu einer weiteren Reduktion gibt. Denn wenn drei Viertel der Betriebe mit deutlich weniger Antibiotika auskommt, ist dieses Ziel auch für das Viertel mit einem höheren Verbrauch zu erreichen. Wir orientieren uns hier beim Schwellenwert bewusst an den tatsächlich vorliegenden Zahlen, daher kommt es auch nicht zu unrealistischen Forderungen. Diese Erfahrung haben wir bereits bei den schon länger laufenden Antibiotika-Monitoring-Programmen bei anderen Nutztieren, wie z.B. bei Schweinen, gemacht.
Elite: In welchen Fällen im Milchkuhbetrieb wurden die höchsten Antibiotika-Mengen eingesetzt?
Dr. Tenhagen: Beim Rind wurden 2023 insgesamt bundesweit 109 t Antibiotika verbraucht. Der größte Anteil davon entfällt auf Tiere, die vom Antibiotikaminimierungskonzept erfasst wurden. Davon gehen 43 t auf das Konto der zugegangenen Kälber (Kälber, die nicht im Geburtsbetrieb gehalten werden, bis zu einem Jahr alt) und 37 t auf das Konto der Milchkühe. Sehr kleine Betriebe und Betriebe, die z.B. nur Mastbullen halten, sind nicht im Antibiotikaminimierungskonzept erfasst. Bei ihnen wird der Antibiotikaeinsatz nur „beobachtet“, weil davon ausgegangen wird, dass er eher gering ist. Bei den Rindern aus der Beobachtung wurden insgesamt 29 Tonnen verbraucht, wobei auch hier die Menge bei den Kälbern höher ist als bei den Kühen.
Wir haben im Milchkuhbereich keine problematische Resistenzsituation.
Dr. Bernd-Alois Tenhagen, Bundesamt für Risikobewertung, Berlin
Elite: Wenn Sie die eingesetzten Wirkstoffe anschauen: Müssen wir uns um eine höhere Resistenzgefahr Sorgen machen?
Dr. Tenhagen: Bei den Milchkühen dominiert der Einsatz von Penicillin. Cephalosporine der 3. und 4. Generation und Fluorchinolone, die wir im Hinblick auf die Resistenzbildung im Humanbereich besonders im Auge haben müssen, spielen eine geringere Rolle als erwartet. In der Vergangenheit hatten wir es bei Kälbern immer wieder mit Cephalosporin-resistenten E. coli-Stämmen als Durchfallerreger zu tun. Offenbar haben die neuen Regelungen in der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung, die vor Einsatz dieser Substanzen einen Resistenztest vorsehen, seit 2018 aber schon zu einem deutlichen Rückgang der Anwendung dieser antibiotischen Wirkstoffe geführt. Das ist grundsätzlich positiv und man kann sagen, wir haben im Milchkuhbereich keine problematische Resistenzsituation.
Elite: Der Einstieg in das Monitoring Anfang 2023 war ziemlich holprig, weil u.a. die Meldewege noch nicht überall reibungsfrei funktionierten. Wie aussagekräftig sind die jetzt ausgewerteten Zahlen?
Dr. Tenhagen: Vom ersten Meldetermin zum zweiten 2023 stellten wir bei Milchkühen eine Zunahme der meldenden Betriebe fest. Wir können aber nicht beurteilen, ob komplett alle Meldepflichtigen tatsächlich gemeldet haben. Die bisherige Entwicklung haben wir so erwartet und damit sind wir auch zufrieden, denn neue Systeme brauchen immer Zeit bis sie laufen. Ich gehe davon aus, dass die Meldezahlen bei den nächsten Terminen noch weiter steigen werden und sich damit ihre Aussagekraft weiter verbessert.
Bei den Therapiehäufigkeiten haben wir zwischen dem ersten und zweiten Halbjahr einen leichten Anstieg gesehen, bei dem wir nicht wissen, ob es tatsächlich einen Anstieg gab, oder ob nur die Meldung vollständiger war. Mit den beiden Halbjahren haben wir jetzt eine Grundlage für den Vergleich im nächsten Jahr.
Wichtig ist, dass sich bei Milcherzeugern und Tierärzten die Mentalität ändert und sie den Nutzen der erhobenen Daten für sich selbst sehen.
Dr. Bernd-Alois Tenhagen, Bundesamt für Risikobewertung
Elite: Hat sich das Verfahren mit den Maßnahmenplänen für das Viertel der Betriebe mit den höchsten Therapiehäufigkeiten bereits bewährt?
Dr. Tenhagen: Das können wir leider nicht beurteilen. Das ist Sache der jeweiligen Veterinärbehörden vor Ort. Wir hätten eine zentrale Sammlung der Maßnahmenpläne begrüßt, um daraus z.B. allgemeine Erkenntnisse abzuleiten und sie dann allen Beteiligten verfügbar machen zu können. Aber das hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Elite: Wo besteht Ihrer Ansicht nach auf der Basis dieser Zahlen, was den Antibiotika-Einsatz in der Milchkuhhaltung angeht, noch dringend Handlungsbedarf?
Dr. Tenhagen: Wünschenswert wäre natürlich, dass der Antibiotika-Verbrauch weiter sinkt. Die Zahlen zeigen, dass das geht. Wichtig ist aus unserer Sicht vor allem, dass sich bei den Milcherzeugern und ihren Tierärzten die „Mentalität“ ändert und sie den Nutzen der jetzt erhobenen Daten für sich selbst sehen. Das Monitoring sollte man nicht als Strafarbeit ansehen, sondern als Chance, an seinen Schwachstellen zu arbeiten.
Elite: Was muss nach dem ersten Jahr am Verfahren selbst noch geändert werden?
Dr. Tenhagen: Wir wünschen uns eine Verschlankung des Systems und eine weitere Reduktion des Dokumentationsaufwandes durch mehr Digitalisierung. Damit könnten wir die Daten auch viel intensiver auswerten und letztlich Nutzen für die Milcherzeuger generieren. Die Daten könnten dann nach einmaliger Erfassung über geeignete Schnittstellen allen Beteiligten, wie Tierärzten, Beratungsringen etc. verfügbar gemacht werden.
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