Interview - Das russische Einfuhrverbot derzeit nicht überbewerten

Elite: Wie hoch war bisher die Menge an Milchprodukten, die nach Russland exportiert wurde (Deutschland sowie EU)? Welche Produkte wurden hauptsächlich eingeführt?
Börgermann: Das wichtigste Exportprodukt nach Russland war in den letzten Jahren Käse vor Butter und Magermilchpulver. An Käse wurden in den letzten Jahren rund 250.000 Tonnen jährlich aus der EU exportiert, Deutschland hat zu besten Zeiten alleine 86.000 Tonnen pro Jahr nach Russland ausgeführt. Im Jahr 2014 waren es bisher nur rund 10.000 Tonnen aus Deutschland, da nur noch wenige deutsche Molkereien liefern durften. Insgesamt entsprechen die Russlandexporte der EU-27 etwa 2 % der gesamten Milchanlieferung.
Elite: Könnte es zu Absatzproblemen von Milch und Milchprodukten und damit zu einem enormen Preisdruck innerhalb der Europäischen Union bzw. auf dem Weltmarkt kommen?
Börgermann: In Deutschland durften nur noch sehr wenige Betriebsstätten nach Russland exportieren. Daher sind wir nur mittelbar betroffen und die Mengen waren vergleichsweise gering. Für das einzelne Unternehmen bestand die Herausforderung darin, die entsprechenden für Russland bestimmten Mengen kurzfristig in andere Absatzkanäle umzuleiten. Mit Sicherheit werden aber nun andere Russ­landexporteure versuchen, ihre Ware in der gesamten EU unterzubringen. Man sollte das Einfuhrverbot derzeit nicht überbewerten. Es wird zu Verschiebungen auf den Märkten innerhalb der EU und auch weltweit kommen, neue Märkte müssen durch die Molkereien erschlossen werden. Das wird gelingen, denn die Nachfrage ist ja grundsätzlich da. Allerdings braucht so etwas Zeit.
Elite: Wer leidet bzw. profitiert am stärksten?
Börgermann: Direkt betroffen sind insbesondere die russischen Verbraucher. In Moskau stiegen schon direkt nach Embargobeginn die Lebensmittelpreise für Käse um 4,4 % oder Milch um 5,3 %, in den Regalen fehlen inzwischen gern gekaufte Produkte aus der EU. Profitieren können derzeit Länder wie die Schweiz oder die Türkei, aber auch Brasilien und Ägypten. Die zwei anderen Länder der Zollunion, Belarus und Kasachstan, machen nicht mit beim Embargo, werden aber auch Waren aus der EU nicht einfach nach Russland durchhandeln. Vielleicht sind die ausgesprochenen Lockerungen Russlands, welche aber nur für ganz bestimmte Produkte gelten, bereits ein positives Zeichen.
Dr. Björn Börgermann, Milchindustrieverband (MIV), Berlin