In der Praxis wird leidenschaftlich darüber diskutiert, wann eine Kuh nach der Kalbung das erste Mal besamt werden sollte. Gerade bei hochleistenden Kühen scheut man vor einer frühen Erstbesamung zurück. Aber lohnt sich eine kurze Zwischenkalbezeit trotz hoher Leistung am Ende der Laktation?
Müssen Kühe früh besamt werden, damit sie...
In der Praxis wird leidenschaftlich darüber diskutiert, wann eine Kuh nach der Kalbung das erste Mal besamt werden sollte. Gerade bei hochleistenden Kühen scheut man vor einer frühen Erstbesamung zurück. Aber lohnt sich eine kurze Zwischenkalbezeit trotz hoher Leistung am Ende der Laktation?
Müssen Kühe früh besamt werden, damit sie möglichst schnell trächtig werden? Oder sollte man gerade bei Hochleistungstieren mit dem Besamen warten, bis die Negative Energiebilanz (NEB) in den ersten Laktationswochen überwunden ist? Schließlich ist nur so der Besamungserfolg garantiert. Und verschenkt man nicht Milch, wenn man mit mehr als 25 kg täglicher Milchleistung trocken stellt?
Die Entscheidung, wann man mit Besamungen beginnen sollte und wie die „ideale Laktationslänge“ aussieht, ist nach wie vor Gegenstand vieler Beratungsgespräche. Die Diskussion beruht in der Regel jedoch eher auf Gefühlen denn auf Fakten. Grund genug also, sich mit dem Thema der Freiwilligen Wartezeit (FWZ) zu beschäftigen und zu prüfen, welche Erkenntnisse für oder gegen eine kurze Freiwillige Wartezeit und damit auch für oder gegen kurze Laktationen sprechen.
Gegensatz von Milchproduktion und Fruchtbarkeit?
Das Phänomen der Negativen Energiebilanz ist seit vielen Jahren bekannt und hat maßgeblich zum Verständnis beigetragen, warum Kühe in den ersten Laktationswochen an typischen Krankheiten wie Ketose oder Labmagenverlagerung leiden.
Vereinfacht gesagt, nimmt die Milchkuh in den ersten sechs bis acht Wochen weniger Energie auf, als sie über die Milchproduktion wieder abgibt. Wie lange die Negative Energiebilanz andauert und wie tief sie sich ausprägt, hängt maßgeblich vom Management und auftretenden Krankheiten ab. Frühe Erstbesamungen in diesem Zeitraum (rund um den 50. Laktationstag) sollen wenig erfolgversprechend sein.
Ergibt sich daraus ein Gegensatz von Milchproduktion und Fruchtbarkeit? Ist hohe Milchproduktion mit guten Reproduktionsergebnissen nicht vereinbar?
Für diese Denkweise gibt es Belege, da bei hochleistenden Kühen kürzere und schwächere Brunsten beobachtet werden. Die Entwicklung der Eizellen leidet, die frühe Trächtigkeit wird nicht zuverlässig aufrechterhalten, weil die Progesteronausschüttung schwach ist und dies den Erkennungsmechanismus des Embryos negativ beeinflusst. So belegten Wissenschaftler der FU Berlin einen klaren Einfluss von hoher Milchleistung auf den Besamungsindex (BI) und empfehlen eine längere Freiwillige Wartezeit.
Hohe Herdenleistung spricht für kurze Zwischenkalbezeit
Wenn dies nun für das Einzeltier gilt, so kann die Auswirkung auf die Herden anhand von verfügbaren Daten überprüft werden. Ein Beispiel zeigen die Ergebnisse des Landeskontrollverbandes Sachsen aus dem Jahr 2012. Übersicht 1 zeigt die Zwischenkalbezeit von Einzeltieren, sortiert nach ihrer 305-Tage-Leistung. Auf den ersten Blick scheint dies die Vorbehalte zu bestätigen und gegen frühe Besamungen zu sprechen: Mit höherer Milchleistung steigt die Zwischenkalbezeit (ZKZ, auch Güstzeit) deutlich an. Einzeltierentscheidungen haben hier allerdings einen hohen Einfluss.
Betrachtet man das Herdenniveau (ebenfalls Übersicht 1, unterer Teil), kommt man zu einem anderen Ergebnis: Herden mit höherer Milchleistung weisen eine kürzere ZKZ auf. Dieses Beispiel findet sich in anderen Berichten wieder und unterstützt somit z. B. die Aussage von Stephen le Blanc (Universität Guelph). Er hielt klar fest, dass hohe Milchleistung und gute Reproduktionsergebnisse grundsätzlich kein Widerspruch sind. Deutlich wird auch, dass offensichtlich das betriebsindividuelle Management über Reproduktionserfolg und hohe Milchleistung entscheidet. Auch hochleistende Milchkühe mit 100 Tagen werden tragend, maßgeblich hierfür ist die Entscheidung des Betriebes.
Kurze oder längere Laktationen vorteilhaft?
Ein häufiger Einspruch gegen frühe Erstbesamungen ist die hohe Milchmenge hochleistender Kühe von 25 kg oder mehr zum Ende der Laktation (350 bis 400 Tage). Neben der Problematik des Trockenstellens erscheint es verlockend, diese Milchmenge „mitzunehmen“. Es ist außerdem nicht abzustreiten, dass längere Zwischenkalbezeiten zu weniger Abkalbungen im gleichen Zeitraum führen und damit auch weniger Risikoperioden für das Einzeltier und in der Summe für die Herde bedeuten.
Stellt man alle Faktoren wie Milchleistung, Nachzucht und Aufwand zusammen dar, kann eine lange Laktation von deutlich mehr als 400 Tagen attraktiv erscheinen. Eine häufig zitierte israelische Studie aus dem Jahre 2001 kam somit auch zu dem Ergebnis, dass eine FWZ von mehr als 100 Tagen die ökonomisch vorteilhafteste Variante sei. Diese Studie ist allerdings nicht ohne Weiteres auf die Bedingungen in Nordeuropa übertragbar, da der Einfluss der Milchquote hier sinkt und bald wegfällt. Das Wachstum der Herden hat also eine andere Bedeutung.
Demzufolge zeigen alle Simulationen, die z. B. in den Niederlanden oder auch in den USA durchgeführt wurden, klar den Vorteil einer kürzeren Freiwilligen Wartezeit. So wurde eine Freiwillige Wartezeit von deutlich unter 70 Tagen als am günstigsten für die meisten niederländischen Betriebe identifiziert. Dafür gibt es zwei Gründe:
- Futtereffizienz: Die Futtereffizienz (feed conversion efficiency, FCE) sinkt mit zunehmender Laktationsdauer. Während Kühe im ersten Laktationsdrittel pro aufgenommenen kg Trockenmasse bis zu 1,8 kg Milch produzieren können, sind es bei Tieren im letzten Laktationsdrittel zwischen 1,3 und 1,5 kg Milch. Bei Färsen ist die Effizienz insgesamt etwas geringer (Übersicht 2, Seite 30).
- Durchschnittliche Laktationstage: Demzufolge ist der durchschnittliche Wert für Tage in Milch der Gesamtherde ein wichtiges Maß für die Effizienz der Milchproduktion. Je geringer die durchschnittlichen Laktationstage sind, umso mehr Milch wird ermolken, und umso günstiger kann die Milch produziert werden (Übersicht 3).
- Futtereffizienz: Die Futtereffizienz (feed conversion efficiency, FCE) sinkt mit zunehmender Laktationsdauer. Während Kühe im ersten Laktationsdrittel pro aufgenommenen kg Trockenmasse bis zu 1,8 kg Milch produzieren können, sind es bei Tieren im letzten Laktationsdrittel zwischen 1,3 und 1,5 kg Milch. Bei Färsen ist die Effizienz insgesamt etwas geringer (Übersicht 2, Seite 30).
- Durchschnittliche Laktationstage: Demzufolge ist der durchschnittliche Wert für Tage in Milch der Gesamtherde ein wichtiges Maß für die Effizienz der Milchproduktion. Je geringer die durchschnittlichen Laktationstage sind, umso mehr Milch wird ermolken, und umso günstiger kann die Milch produziert werden (Übersicht 3).
Es ist also festzuhalten: Kurze Zwischenkalbezeiten verschieben den Schwerpunkt der Milchproduktion nach vorne, hin zur produktiveren und effizienteren Phase der Milchproduktion. Der Versuch, durch lange Laktationen eine insgesamt höhere Lebensleistung zu erhalten, geht somit auf Kosten der Lebenseffizienz. Vereinfacht gesagt: Werden Kühe spät trächtig und in langen Laktationen gemolken, verkürzt sich die Phase effizienter Milchproduktion.
Abgangsentscheidungen hängen von der Trächtigkeit ab
Die Frage, wann Kühe abgehen, hat in der letzten Zeit an Aufmerksamkeit gewonnen. Eine längere Nutzungsdauer wird für jede Kuh angestrebt. Abgangsentscheidungen bleiben eine Herausforderung und Reproduktion spielt hierbei eine zentrale Rolle. Neben Stoffwechselproblemen und Eutererkrankungen sind Probleme der Fruchtbarkeit die Hauptabgangsursache für Milchkühe. Nichttragende Kühe haben ein vielfach höheres Abgangsrisiko in der laufenden Laktation als ihre tragenden Herdengenossinen.
Um Abgangsentscheidungen nachvollziehbar zu machen, ist in den letzten Jahren die Berechnung eines objektiven Wertes der Kuh ins Blickfeld gerückt. Vereinfacht ausgedrückt, stellt der Wert einer Kuh die von dem Tier noch zu erwartende Produktion dar, minus Remontierungs- und Produktionskosten. Da die in der Zukunft noch zu realisierende Produktion maßgeblich ist, erhöht jede Maßnahme, die diese Erwartung erhöhen kann also den Wert des Tieres. Genau hier greift der Reproduktionsstatus. Vergleicht man zwei Kühe mit je 120 Laktationstagen, die sich nur in der Trächtigkeit unterschieden, so wird klar:
- Die nicht tragende Kuh verlangt weitere Arbeit, da Brunstbeobachtung, Besamung, ggf. auch Behandlungen nötig sind; der Wert der Kuh reduziert sich durch diesen Aufwand. Zum anderen ist nicht garantiert, dass eine weitere Laktation folgt. Die zu erwartende Produktion ist somit geringer.
- Die tragende Kuh kann dagegen bis zum Trockenstellen weiter in der Herde verbleiben, wird wahrscheinlich die aktuelle Laktation beenden und die folgende mit einer weiteren Abkalbung beginnen. Ihre zu erwartende Produktion ist höher, ihr Haltungsaufwand geringer. Der Kuhwert steigt.
- Die nicht tragende Kuh verlangt weitere Arbeit, da Brunstbeobachtung, Besamung, ggf. auch Behandlungen nötig sind; der Wert der Kuh reduziert sich durch diesen Aufwand. Zum anderen ist nicht garantiert, dass eine weitere Laktation folgt. Die zu erwartende Produktion ist somit geringer.
- Die tragende Kuh kann dagegen bis zum Trockenstellen weiter in der Herde verbleiben, wird wahrscheinlich die aktuelle Laktation beenden und die folgende mit einer weiteren Abkalbung beginnen. Ihre zu erwartende Produktion ist höher, ihr Haltungsaufwand geringer. Der Kuhwert steigt.
Eine Besamung ist somit als Investition in den Kuhwert zu verstehen, die die Nutzungsdauer und die zu erwartende Produktion erhöht. Die Frage nach einer frühen oder späten Besamung bezieht sich also nicht nur auf die Kosten der Besamung. Eine eventuell doch erreichte Trächtigkeit wiegt die Kosten einer möglicherweise erfolglosen Besamung auf. Denn der Wert einer Trächtigkeit wird allgemein mit mehreren Hundert Euro veranschlagt, abhängig von Produktion und Zeitpunkt der erfolgreichen Besamung. -cs-
Hinweis: Dr. Joachim Kleen wirkt als Referent an der Fortbildung zum Elite-Herdenmanager mit (S. 32).