Die künstliche Besamung ist aus der Milchrinderzucht nicht wegzudenken. Doch wer sie wo am besten durchführt und welche besamende Berufsgruppe zukunftsfähig ist, ist umstritten.
Etwa 75% der Rinder und Kühe werden bundesweit künstlich besamt. Besamungsbeauftragte, Tierärzte oder Eigenbestandsbesamer führen diese Tätigkeit aus. Doch wo...
Die künstliche Besamung ist aus der Milchrinderzucht nicht wegzudenken. Doch wer sie wo am besten durchführt und welche besamende Berufsgruppe zukunftsfähig ist, ist umstritten.
Etwa 75% der Rinder und Kühe werden bundesweit künstlich besamt. Besamungsbeauftragte, Tierärzte oder Eigenbestandsbesamer führen diese Tätigkeit aus. Doch wo liegen, frei von den gewachsenen Strukturen, Stärken und Schwächen der einzelnen Beteiligten?
Wer in Deutschland besamt, wertet die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter (ADR) offiziell nicht mehr aus. Daher gibt es nur ältere Zahlen:
- Besamungsbeauftragte führten 2011 rund 55,3% der Besamungen durch, 2005 waren es noch 57,1%. Meist waren die Besamungsbeauftragten bei Stationen angestellt (44,5%), freiberuflich (10,2%) oder bei Tierarztpraxen unter Vertrag (0,6%).
- Tierärzte erledigten in 2011 23,4% der Besamungen, 2005 lag ihr Anteil dagegen noch bei 26,3% .
- Die Besamungen durch Eigenbestandsbesamer (EBB) stiegen von 16,6% in 2005 auf 21,3% in 2011 an.
- Besamungsbeauftragte führten 2011 rund 55,3% der Besamungen durch, 2005 waren es noch 57,1%. Meist waren die Besamungsbeauftragten bei Stationen angestellt (44,5%), freiberuflich (10,2%) oder bei Tierarztpraxen unter Vertrag (0,6%).
- Tierärzte erledigten in 2011 23,4% der Besamungen, 2005 lag ihr Anteil dagegen noch bei 26,3% .
- Die Besamungen durch Eigenbestandsbesamer (EBB) stiegen von 16,6% in 2005 auf 21,3% in 2011 an.
Es gibt jedoch große regionale Unterschiede. Während in Hessen und Baden-Württemberg Eigenbestandsbesamer vorwiegend für Trächtigkeiten sorgen (50%), ist deren Anteil weiter nördlich mit 10% bis 30% eher gering. Dort besamen meistens Besamungsbeauftrage, so liegt deren Anteil etwa bei 84% im Gebiet des Vereins Ostfriesischer Stammviehzüchter (VOSt) oder gegen 90% im Gebiet der Osnabrücker Herdbuchgemeinschaft (OHG). Auch in Bayern übernehmen in der Regel Besamungsbeauftragte, aber auch viele Tierärzte die Besamungen. Diese Entwicklungen haben, neben den persönlichen Vorlieben der Milcherzeuger, auch einen historischen, auf das Personalmanagement bezogenen Hintergrund: Während zu Beginn in einigen Regionen die Besamung verstärkt von den Tierärzten aufgenommen wurde, bauten die Zuchtverbände anderswo mit den Besamungsbeauftragten eine eigene Berufsgruppe auf oder setzten auf Eigenbestandsbesamung und die zugehörige Logistik.
Besamungsbeauftragte, die Profis
Stärke: Neben dem Beurteilen der Besamungsfähigkeit und der Spermaablage müssen Besamungsbeauftragte Fütterung, Stoffwechsel, Fruchtbarkeit und Symptome am Tier vernetzen, um Probleme im Reproduktionsgeschehen erkennen und vermitteln zu können. Das verlangt fachliche, technische sowie soziale Kompetenz! Dazu kommen Zucht- und Anpaarungsberatung, Sterilitäts- und Trächtigkeitsuntersuchung sowie nach Weiterbildung Ultraschalldiagnostik und Embryoübertragung. Gut, wer einen solchen Spezialisten an seiner Seite weiß!
Schwäche: Diese gewachsenen Anforderungen konnten nicht alle Besamungsorganisationen jederzeit umsetzen. Personalmangel führte und führt zu hohen arbeitszeitlichen Belastungen der Besamungsbeauftragten, da bleibt wenig Zeit für eine vertiefende Aus- und Weiterbildung! Das geht nicht nur zulasten der Serviceleistung auf den Betrieben, sondern macht einen Arbeitgeber auch unattraktiv. Die Folge: Nachwuchsprobleme. Und wird der Service in einem Gebiet erst einmal als nicht zuverlässig oder gut genug empfunden, steigt dort die Zahl an Eigenbestandsbesamern an, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Tierzucht- und Besamungstechniker (BTB), Karl-Friedrich Hollstein.
Förderlich wäre da aus Sicht des Berufsverbandes eine bundesweit einheitlich geregelte, einjährige Ausbildung, die in der vorgeschlagenen Form über die gültige Lehrgangsverordnung im Tierzuchtgesetz hinausginge. Denn trotz einer vom ADR in 2014 herausgegebenen Empfehlung, bilden die Organisationen oder Stationen ihre Mitarbeiter nach wie vor unterschiedlich aus. Einige Verbände, wie etwa die Rinderzucht Schleswig-Holstein eG (RSH) oder der VOSt, arbeiten nach eigenen Angaben mit einem wesentlich höheren Ausbildungsstandard. Dr. Jan Detterer, Stationstierarzt des VOSt, strebt sogar an, dass sich jeder Besamungsbeauftragte bei ihnen auch zum Fachagrarwirt Besamungswesen weiterbildet.
Neben den verbandsgebundenen Anbietern sind auch unabhängige Besamungsbeauftragte/Fachagrarwirte sowie spezialisierte Rinderpraxen mit Besamungs- und Fruchtbarkeitsservice am Markt. Für Rinderhalter kann ein unabhängiges Angebot durchaus eine gute Alternative sein. Belebend für das oft alteingessene und umkämpfte lukrative Geschäft rund um die Fruchtbarkeit sind sie allemal!
Tierärzte: Wenn, dann nur spezialisiert
Auch viele Tierärzte übernehmen Dienstleistungen in der Fruchtbarkeit. Allerdings besamen sie in der Praxis immer weniger. Liegt es an den praktischen Fertigkeiten oder haben die Praxen keine Zeit mehr „übrig“, um weitere Kühe pünktlich zu besamen?
Stärke: Tierärzte haben sehr genaue Kenntnisse über den Organismus und seine Funktionen. Sie dürfen Medikamente für Kühe mit Fruchtbarkeitsproblemen verschreiben und können direkt behandeln.
Schwäche: Im Studium werden Tierärzte weniger ausführlich über die Thematik Besamung ausgebildet als Besamungsbeauftragte. Die Kenntnisse werden hauptsächlich theoretisch vermittelt. Also entscheidet das persönliche Engagement eines jeden einzelnen Tierarztes darüber, wie gut sie oder er für die praktische Besamungsarbeit gewappnet ist.
„Für mich ist das Fruchtbarkeitsmanagement ein Hauptstandbein meiner Praxis. Das stand von Anfang fest, weswegen ich neben dem Studium einen Lehrgang zum Besamungstechniker gemacht habe“, sagt Gregor Mayer, selbstständiger Tierarzt aus Baden-Württemberg. „Wer als Tierarzt nicht besamen kann, dem fehlen auch Verständnis und Geschick für TU und Co.!“ Im Laufe der Jahre hat der Strukturwandel sein Praxisgebiet räumlich sehr vergrößert, die Wege sind weit. Daher ist er froh, dass die Zuchtorganisation in seiner Region schon früh auf Eigenbestandsbesamung gesetzt hat. Er übernimmt auf den Betrieben dann das „Drumherum“: TUs, Steris, Problemfälle, Beratung.
Auch Gregor Gründer, Teilhaber einer Praxis in Schleswig-Holstein, sieht viele Vorteile, wenn die Rinderhalter selbst besamen: „In diesen Betrieben verbessern sich die Tierbeobachtung und die Fruchtbarkeitsleistung meist deutlich. Außerdem haben wir durch die Betreuung der EBB gute Einblicke in deren Fruchtbarkeitskennzahlen und können passend beraten.“ Die Tierärzte begleiten die Betriebe oft bei der Umstellung zur Eigenbestandsbesamung und bieten teilweise sogar in der Urlaubszeit Vertretung an.
Derart spezialisierte Rinderpraxen sind aber oft nur in den dichtbesiedelten Milchkuhregionen tätig. „Hier sind Tierärzte durchaus in der Lage, gemeinsam mit den Landwirten die Besamung zu sichern“, sagt Nico Beckers-Schwarz, LandVet, aus Nordrhein-Westfalen. Was die Tierärzte im Einzelnen übernehmen, werde individuell ausgehandelt, denn die Wünsche und Fähigkeiten der Rinderhalter unterscheiden sich stark.
Eigenbestandsbesamung ja, aber…
„Selbstständigkeit“ in Sachen Besamung, also Eigenbestandsbesamer (EBB, nur im eigenen Bestand zulässig!) zu werden, ist reizvoll.
Stärke: Zeitpunkt und Qualität der Besamung liegen in der eigenen Hand (mit allen Konsequenzen!). Keine Kuh muss übermäßig lange „feststehen“, weil sich der Dienstleister verspätet. Es macht unabhängig, wenn aufgrund geringer Milchkuhdichte oder abgeschiedener Lage keine feste Besamungstour angeboten wird. Sperma anderer Anbieter kann, ohne den Umweg über die Zuchtorganisation, oft günstiger eingekauft werden. Auch das Ärgernis einzelne Portionen versehentlich zu Vertauschen, liegt in der eigenen Hand. Besamung in Eigenleistung kann im besten Fall auch Kosten sparen und das Risiko einer Krankheitsübertragung in den Bestand schmälern.
Schwäche: Die Besamung der eigenen Herde ist längst nicht für jeden geeignet! Besamen ist eine komplexe Tätigkeit: Vor der eigentlichen Samenablage gilt es die Besamungstauglichkeit des Rindes korrekt zu beurteilen, Eierstöcke und Gebärmutter müssen dazu kontrolliert werden. Das Tier darf nicht tragend (Kontrolle ab fünfte Woche nach der letzten Besamung), der vorhandene Follikel tauglich (ideal: weich, 12 bis 22 mm groß) und die Gebärmutter gut zurückgebildet sein (unter der Hand versammelbar, Gebärmutterhörner bis zu vier Finger stark, kontrahiert und sauber). Im Gegensatz zu hauptberuflichen Besamungsbeauftragten machen Eigenbestandsbesamer das eben nur nebenbei. „Es erfordert ein gutes Abstraktionsvermögen, das Gefühlte richtig zuzuordnen und zu beurteilen“, sagt Dr. Erwin Hasenpusch, Abteilungsleiter Produktion/Besamung und stellv. Geschäftsführer der RSH.
Zudem hängt der Erfolg bei Eigenbestandsbesamung, neben der Qualität der Ausbildung, stark von der Organisation auf dem Milchkuhbetrieb ab:
- Zuständigkeiten und Zeiten: Eigenbestandsbesamer-Betriebe mit häufigem Personalwechsel in der Stelle des Herdenmanagers mit Verantwortung für Besamung und Verwaltung der Fruchtbarkeitsdaten, weisen oft keine guten Ergebnisse vor. Ähnlich geht es Familienbetrieben, in denen die Arbeitskräfte (über)strapaziert sind. Wenn es gut klappen soll, muss sich eine verantwortliche Person täglich in einem festen Zeitraum ungestört um die Besamung kümmern.
- Eigenkontrolle unerlässlich: Aus wirtschaftlichen und Tierschutzgründen müssen EBB ihre Leistung auch kontrollieren! Etwa anhand des Erstbesamungserfolgs (Anzahl tragender Tiere nach Erstbelegung/Anzahl Erstbelegungenx100; Ziel: mind. 55%), des Besamungsindex (Anzahl Besamungen pro Trächtigkeit; Ziel: 1,8) oder der Pregnancy Rate (Übersicht 1).
- Fruchtbarkeitsservice: Ohne Spezialisten als Partner geht es nicht, spätestens bei der Sterilitätskontrolle oder bei Problemtieren.
- Fortbildung: Ein Eigenbestandsbesamer muss an sich dieselben Ansprüche stellen wie an einen Dienstleister, auch in Bezug auf Auffrischung und Training!
- Zuständigkeiten und Zeiten: Eigenbestandsbesamer-Betriebe mit häufigem Personalwechsel in der Stelle des Herdenmanagers mit Verantwortung für Besamung und Verwaltung der Fruchtbarkeitsdaten, weisen oft keine guten Ergebnisse vor. Ähnlich geht es Familienbetrieben, in denen die Arbeitskräfte (über)strapaziert sind. Wenn es gut klappen soll, muss sich eine verantwortliche Person täglich in einem festen Zeitraum ungestört um die Besamung kümmern.
- Eigenkontrolle unerlässlich: Aus wirtschaftlichen und Tierschutzgründen müssen EBB ihre Leistung auch kontrollieren! Etwa anhand des Erstbesamungserfolgs (Anzahl tragender Tiere nach Erstbelegung/Anzahl Erstbelegungenx100; Ziel: mind. 55%), des Besamungsindex (Anzahl Besamungen pro Trächtigkeit; Ziel: 1,8) oder der Pregnancy Rate (Übersicht 1).
- Fruchtbarkeitsservice: Ohne Spezialisten als Partner geht es nicht, spätestens bei der Sterilitätskontrolle oder bei Problemtieren.
- Fortbildung: Ein Eigenbestandsbesamer muss an sich dieselben Ansprüche stellen wie an einen Dienstleister, auch in Bezug auf Auffrischung und Training!
Die Fähigkeiten des Einzelnen zählen
Und wer liefert nun die besten Ergebnisse? Der menschliche Einfluss wird oft als „Fruchtbarkeitsfaktor“ übersehen, sagt Prof. Dr. Heuwieser, Klinik für Fortpflanzung an der Uni Berlin im Buch „Tierärztliche Bestandsbetreuung beim Milchrind“. Ein Bericht von der Pennsylvania State University (O‘Connor & Peters, 2016) bestätigt: Der Trend zu mehr Eigenbestandsbesamern bedeutet nicht, dass die künstliche Besamung eine einfache Technik oder Eigenbestandsbesamer tatsächlich sachkundig sind. Pregnancy Rates von amerikanischen EBB unterschieden sich in einem Vergleich in über 23%! Nicht alle erreichten also beständig hohe Konzeptionsraten bei ihren Rindern. Mögliche Ursachen dafür wurden bereits in früheren Studien untersucht. Ergebnis: Wie erfolgreich die Besamung verläuft, lässt sich an einer Person, aber nicht an der Berufsgruppe festmachen (siehe Kasten)!
Aber Vorsicht: Schlechte Besamungsergebnisse können vielfältige Auslöser haben. Bevor ein Besamender per se beschuldigt wird, sollten andere Gründe, wie Fütterungsfehler oder schlechte Brunstbeobachtung, ausgeschlossen werden können!
Das beste Konzept für sich finden
Wer die Herde besamt, ist letztlich eine betriebsindividuelle Entscheidung. Diese hängt von dem bestehenden Angebot in der Region und seiner Qualität ab. Betriebe in Milchkuhregionen profitieren hier, sie können oft aus mehreren Angeboten wählen. Die reichen von reiner Besamung über Beratung im Baukastenprinzip bis hin zum Komplettservice mit verkaufter Trächtigkeit (inkl. Brunstbeobachtung), sowohl verbandsgebunden als auch unabhängig. Im Süden sind solche Konzepte bislang kaum thematisiert, was sich mit dem Strukturwandel ändern dürfte.
Vor allem auf entlegenen Standorten oder wenn in Anspruch genommene Dienstleister nicht zufriedenstellen, bleibt Eigenbestandsbesamung die Alternative. Hier besteht in der Regel ein gutes Angebot für Aus- und Fortbildung, Einstieg, Service und Logistik. Problematisch ist, dass Tierärzte oder Techniker, die unrentable Gebiete abfahren, wenn vor Ort niemand besamen möchte oder kann, trotzdem noch „vorgehalten“ werden müssen. Das ist teuer, manche Organisationen treiben daher den Anteil an Eigenbestandsbesamern auch nicht voran. Auf ein EBB-Angebot verzichten kann jedoch auch keiner. Denn wenn eine geeignete Person auf dem Betrieb ist, spricht nichts gegen Erfolg in der Fruchtbarkeit. C. Stöcker, K. Berkemeier