In den letzten Wochen breitet sich das Blauzungenvirus Serotyp 3 mit unterschiedlicher Intensität in befallenen Betrieben aus. Ganze Herden sind betroffen, und die wirtschaftlichen Schäden sind erheblich.
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In den letzten Wochen breitet sich das Blauzungenvirus Serotyp 3 mit unterschiedlicher Intensität in befallenen Betrieben aus. Ganze Herden sind betroffen, und die wirtschaftlichen Schäden sind erheblich.
Rolle der Versicherungen bei Tierseuchen
In Deutschland federt die Tierseuchenkasse (Pflichtversicherung), die finanziellen Folgen von Tierseuchen ab. Sie bietet Entschädigungen für Tierverluste, die durch anzeigepflichtige Tierseuchen verursacht werden. Die Tierseuchenkasse deckt jedoch nicht alle Folgeschäden ab, insbesondere nicht die wirtschaftlichen Verluste, die durch Milchausfall oder Aborte entstehen. Um sich hier abzusichern, empfiehlt sich der Abschluss einer Ertragsschadenversicherung.
Was ist ein Ertragsschaden und wie wird er berechnet?
Ein Ertragsschaden entsteht, wenn der Deckungsbeitrag – die Differenz zwischen den Erlösen (z. B. Schlacht-, Milch- oder Verkaufserlöse) und den variablen Kosten (z. B. Futter-, Tierarzt- oder Energiekosten) – infolge eines Schadenereignisses sinkt.
Die Ertragsschadenversicherung deckt die Differenz zwischen dem unter normalen Betriebsbedingungen erwarteten Deckungsbeitrag und dem tatsächlich erzielten Deckungsbeitrag während des Schadenszeitraums ab (den „entgangenen Deckungsbeitrag“).
Der Versicherungsschutz beginnt mit dem Eintreten des Schadens und gilt für einen bei Vertragsabschluss festgelegten Zeitraum (Haftungszeitraum). In der Regel beträgt dieser 12 Monate, kann jedoch individuell gegen einen Mehrbeitrag auf 18 oder 24 Monate erhöht werden. Die Höhe der erforderlichen Selbstbeteiligung wird ebenfalls je nach Betrieb und Versicherung individuell festgelegt.
Nach Ende des Haftungszeitraumes erstellen die Versicherungen einen Regulierungsvorschlag. Es wird geraten, sich möglichst gütlich mit der Versicherung zu einigen. Das Einschalten neutraler Schachverständigen im Fall von Meinungsverschiedenheiten ist möglich, muss allerdings aus eigener Tasche gezahlt werden.
Entschädigt wird der von der Versicherung akzeptierte Ertragsschaden abzüglich der Selbstbeteiligung.
Tierseuchen sind seltener geworden, dennoch sind immer wieder Herden betroffen. Der Verlust lässt sich mithilfe der Ertragsschadenversicherung eindämmen.
Fallbeispiel: BTV-3
Milchverluste und weitere Folgeschäden treten sowohl bei Einzeltieren als auch in der Herde im Zusammenhang mit BTV-Infektionen auf.
(Bildquelle: Schiewer)
Worauf sollten Milcherzeuger achten, wenn eine BTV-3-Infektion zu größeren Problemen führt und sie den Schaden geltend machen möchten?
Überprüfen Sie zunächst, ob Ihre Ertragsschadenversicherung die Blauzungenkrankheit abdeckt. Da die Blauzungenkrankheit eine anzeigepflichtige Tierseuche ist, sind Sie als Versicherter verpflichtet, den Schaden umgehend zu melden.
Nach Eingang der Meldung sendet die Versicherung ein Formular zu, das Fragen zum Gesundheitsstatus Ihrer Herde enthält und vom betreuenden Tierarzt auszufüllen ist. Zusätzlich ist ein positiver PCR-Befund aus einem amtlich anerkannten Labor erforderlich; eine positive Probe genügt. Dieses Vorgehen ist bei den meisten Versicherungen üblich. Manche Versicherungen fordern auch eine amtstierärztliche Bestätigung über den Tierseucheneinbruch.
Fragebogen zum Gesundheitsstatus für den Bestandstierarzt
Um Ansprüche bei einer Ertragsschadenversicherung geltend zu machen, sind genaue Angaben über den Gesundheitsstatus der betroffenen Tiere erforderlich. Nachfolgend eine Übersicht der Fragen, die nach der Schadensmeldung in einem solchen Formular der Versicherung gestellt werden und vom bestandsbetreuenden Tierarzt auszufüllen sind:
1. Fragen zur gemeldeten Schadensursache
a. Welche Erkrankung(en) wurden im Tierbestand festgestellt?
b. Seit wann (Tagesdatum) lagen erste Anzeichen der oben genannten Erkrankung(en) vor? (Laborbefunde bitte unbedingt beifügen)
c. Mit welchen diagnostischen Mitteln wurde die Erkrankungsursache bestimmt?
d. Wie wird der Grad der Erkrankungen beurteilt und wie viele Tiere sind betroffen?
e. Welche therapeutischen/prophylaktischen Behandlungen wurden mit welchem Erfolg eingesetzt?
f. Welche weiteren Sanierungsmaßnahmen sind geplant/sind empfohlen
g. Erfolgt eine Separierung erkrankter Tiere? Ggf. warum nicht?
h. Hätte das Schadensgeschehen durch rechtzeitige tierärztliche Konsultation oder das Eingreifen geeigneter Maßnahmen verhindert werden können? War der Schaden für den Tierhalter abwendbar?
2. Fragen zu Erkrankungen in der Vergangenheit
a. Lag die oben genannte Erkrankung in der Vergangenheit schon einmal vor? (Wenn „Ja“ bitte Zeitpunkt/Zeitraum der Erkrankung angeben)
b. Wurde diese Erkrankung in der Vergangenheit vollständig geheilt?
3. Allgemeine Fragen
a. Welche Impfungen werden regelmäßig durchgeführt? Seit wann?
b. Bemerkungen
4. Ergänzende Angaben
Das Dokument ist von betreuenden Tierarzt auszufüllen und zu unterschreiben (mit Stempel).
Was tun, wenn die Versicherung abblockt?
Reden hilft: Auch darüber, was genau bei der BTV 3 Schadensmeldung für vorhandene Ertragsschadensversicherungen zu tun ist. Kontaktieren Sie ihre Offizialberatung, die Fachberater sind genau im Thema, sachlich und haben eine guten Überblick darüber, was draußen passiert.
(Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)
Gespräche mit aktuell von BTV-3 betroffenen Milchkuhhaltenden ergeben, dass nicht jede Versicherung in puncto Ertragsschadenversicherung gleich motiviert handelt: Während die einen Versicherungen proaktiv handeln, blocken andere wiederum Schadensmeldungen regelrecht ab! Wie sollen Milchkuhhalter reagieren, wenn ihre Versicherung die Schadensmeldung abblockt?
Fachberater raten in solchen Fällen dringend dazu, dran zubleiben. Sofern eine Ertragsschadenversicherung über die eingetretene Tierseuche besteht, muss die Versicherung die Schadensmeldung aufnehmen. Das heißt, eine Akte anlegen und dem Versicherten das Aktenzeichen mitteilen. Dies sollten die Versicherten sachlich, aber bestimmt einfordern. Die erforderlichen Nachweise (PCR-Ergebnis, ggf. zusätzlich Bescheinigung durch Bestandstierarzt oder Veterinäramt) sind einzureichen und müssen von der Versicherung aufgenommen werden.
Es empfiehlt sich, sich im Zuge der Schadensmeldung an die Offizialberatung zu wenden. Insbesondere, wenn sich die Versicherung nicht als entgegenkommend erweist. Die neutralen Fachberatenden können die Landwirte zur Kommunikation mit der Versicherung beraten und wissen genau, welche Nachweise und Berechnungen für den Schadensfall erforderlich und welche überflüssig sind. Die Offizialberatung kann zudem bei der Schadensberechnung unterstützen.
Es wird geraten, sich möglichst gütlich mit der Versicherung zu einigen. Dies betrifft auch eine sachliche Einigung über die letztliche Entschädigungssumme. Liegt der Schaden bereits vor Ende des Haftungszeitraums über der Selbstbeteiligung, können Abschlagszahlungen von der Versicherung eingefordert werden.
Im Fall ernsthafter Meinungsverschiedenheiten, etwa über den von der Versicherung erstellten Regulierungsvorschlag, besteht die Option, einen neutralen Schachverständigen einzuschalten. Die Kosten dafür trägt der Beauftragende allerdings selbst. Vom Einschalten eines Rechtsanwaltes wird abgeraten.
Tipps zur Dokumentation Ihrer Verluste
Eine umfassende Dokumentation und die passenden Versicherungen sind entscheidend, um die finanziellen Folgen einer BTV-3-Infektion bzw. die Ertragsverluste wirksam auszugleichen.
Um die Mindesterlöse und Mehrkosten für den Deckungsbeitrag zu belegen, benötigen die Versicherungen die Buchabschlüsse der letzten drei Wirtschaftsjahre. Falls der Buchabschluss 2023/24 noch nicht erfolgt ist, sollte dieser möglichst schnell erstellt werden.
Hinweis: Sämtliche Maßnahmen (wie z.B. klinische Untersuchungen und das Ziehen von Blutproben) sollten mit dem Veterinäramt und der Ertragsschadensversicherung abgestimmt sein. Denn für die Versicherung gilt eine Schadensminderungspflicht – werden „unnötige Maßnahmen“ ergriffen, so sind diese möglicherweise nicht versichert.
Beachten Sie die folgenden Schritte:
Nachweise sammeln: Halten Sie die Infektion durch Untersuchungsergebnisse fest, die beispielsweise automatisch in der HIT-Datenbank für die betroffenen Tiere gespeichert werden.
Verluste dokumentieren: Halten Sie ausführlich alle Verluste fest. Von der verminderten Milchleistung und erhöhten Zellzahlen bis hin zu Fällen, in denen Tiere verenden oder aufgrund schwerer Folgeerkrankungen notgeschlachtet werden müssen. Erfassen Sie ebenfalls alle Zu- und Abgänge. Dies hilft auch bei der späteren Dokumentation von Langzeitschäden wie schlechterer Fruchtbarkeit, Aborten und Klauenerkrankungen. Wertvoll für den Nachweis von Leistungseinbußen, Mehrkosten für Tierarzt und Remontierung (frühe Trächtigkeitsverluste, Aborte, Verkalbungen) etc. sind Betriebszweigauswertungen!
Tierarztkosten auflisten: Notieren Sie die gestiegenen Tierarztkosten, die im Zusammenhang mit der BTV3-Infektion entstanden sind, sowie die Kosten für die Beprobung der Herde.
Zusätzlichen Aufwand erfassen: Dokumentieren Sie den zusätzlichen Aufwand für die Versorgung und Betreuung Ihres Tierbestands. Beachten Sie, dass nicht alle Versicherungen diesen Mehraufwand des Betriebsleiters abdecken. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Unterstützung von Familienmitgliedern oder Bekannten in Rechnung zu stellen und diese Kosten bei der Versicherung geltend zu machen.
Durch eine sorgfältige Vorbereitung und umfassende Dokumentation können Sie Ihre Ansprüche bei der Versicherung besser durchsetzen und so die wirtschaftlichen Schäden minimieren. Eine gut vorbereitete Dokumentation erleichtert das Gespräch mit der Versicherung und führt zu einem effizienteren Schadensregulierungsverfahren.
R+V rechnet mit Schäden in Millionenhöhe
Deutschlands größter landwirtschaftlicher Tierversicherer R+V rechnet mit Schäden in Millionenhöhe. „Wir rechnen mit einem ähnlich schlimmen Ausmaß wie bei dem Seuchenzug von 2007/2008“, sagt Carsten Reimer, Agrarexperte bei der R+V Versicherung. Damals wurden in Deutschland rund 26.000 infizierte Wiederkäuer registriert, die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Die R+V verzeichnete bei ihren Kunden in der Ertragsschadenversicherung einen Gesamtschaden von rund 14 Millionen Euro. Für den aktuellen Ausbruch rechnet der Versicherer mit Schäden in ähnlicher Größenordnung.
Tierärzte berichten, was sich bei der Behandlung von an BTV erkrankten Kühen bewährt und wie sich ihr Immunsystem stärken lässt, um Folgeerkrankungen abzufangen.