Fleckvieh oder Holsteins: Höhere Milchleistungen bei den Holsteins stehen den höheren Nebenerlösen der Zweinutzungsrasse gegenüber. Welche ist die wirtschaftlichere Rasse?
Schwarz, rot, braun oder gelb, scharfer Milchtyp oder fleischbetont. Die Diskussion um die vermeintlich „richtige“ Rasse schwelt schon seit Jahrzehnten, ist aber im...
Fleckvieh oder Holsteins: Höhere Milchleistungen bei den Holsteins stehen den höheren Nebenerlösen der Zweinutzungsrasse gegenüber. Welche ist die wirtschaftlichere Rasse?
Schwarz, rot, braun oder gelb, scharfer Milchtyp oder fleischbetont. Die Diskussion um die vermeintlich „richtige“ Rasse schwelt schon seit Jahrzehnten, ist aber im letzten Jahr wieder aufgeflammt. Gerade in Tiefpreisphasen scheint die Zweinutzungsrasse durch höhere Nebenerlöse zu gewinnen. Auch eine bessere Tiergesundheit, aber gleichzeitig mehr Arbeit wegen der oft größeren Kälberaufzucht, wird Fleckvieh nachgesagt. Wie stehen die beiden Rassen in einem direkten Vergleich da?
Auf gleichem Niveau
Um eine Entscheidung nicht allein aus dem Bauch heraus zu fällen, ist ein Vergleich der Produktions- und Leistungsdaten der beiden Rassen nur in ähnlichen Gruppen sinnvoll. Um die Daten losgelöst von betrieblichen Einflüssen bewerten zu können, haben wir die Daten von Betrieben mit gleicher Größe und vergleichbarem „Betriebsleiter-Know-how“ gegenübergestellt. Hierzu bieten sich die Leistungsdaten der DLG-Forum Spitzenbetriebe Milch an. Die DLG-Spitzenbetriebe sind zwar aufgrund ihrer meist überdurchschnittlichen Größe, Produktionstechnik und betriebswirtschaftlichen Ergebnisse nicht repräsentativ für alle Holstein- und Fleckviehbetriebe, dennoch lassen sie eine Auswertung vergleichbarer Herdengrößen mit 150 bis 200 Kühen (in diesem Fall für das Wirtschaftsjahr 2014/15) zu.
Was leisten die Rassen?
Der Blick auf die Leistungs- und Gesundheitsdaten der Betriebe zeigt (Übersicht 1), dass die Holsteinkühe im Schnitt fast 1.000 kg mehr Milch gegeben haben als die Fleckviehkühe (9.706 kg HF vs. 8.972 kg FV).
Hierfür benötigen die Holsteins auf der einen Seite einen um 3 dt höheren Kraftfuttereinsatz je Kuh und weisen auch je Kilogramm Milch einen leicht höheren Kraftfutteraufwand auf (Übersicht 2). Andererseits haben HF-Kühe eine leicht höhere Futteraufnahme und ermelken einen größeren Teil der Leistung aus dem Grobfutter (HF 3.548 kg vs. FV 3.412 kg). Der größere Teil des Leistungsvorsprungs rührt aber vom Kraft- und Saftfutter her. Neben der Jahresmilchleistung liegt auch die Lebenstagsleistung der Holsteinkühe über derjenigen der Fleckviehkühe – bei etwas geringerer Nutzungsdauer. So erzielten die Holsteinkühe eine durchschnittliche Lebenstagsleistung von 15,3 kg, die Fleckviehtiere von 14,4 kg.
Bei diesen Leistungszahlen haben also die Holsteins die Nase vorn. Bei den Inhaltsstoffen, der Eutergesundheit (Zellzahlen) und der Fruchtbarkeit schneidet jedoch das Fleckvieh besser ab. So fällt z.B. die Rastzeit bei den FV-Kühen sieben Tage kürzer aus als bei den Schwarzbunten (72 Tage vs. 79 Tage). Auch die Stoffwechselgesundheit der Fleckviehtiere scheint stabiler zu sein, als die der Holsteinkühe. So zeigen laut des LKV-Jahresberichts aus Baden-Württemberg (2015) knapp 40% der Holsteins ein mittleres bis hohes Ketoserisiko, wohingegen dieser Anteil bei den Fleckviehkühen nur bei ca. 20% liegt. Vor allem der Anteil der FV-Kühe mit einem hohen Ketoserisiko (Ketose-Klasse 3) fällt geringer aus als bei HF-Kühen.
Gibt es ökonomische Unterschiede?
Bei der ökonomischen Gegenüberstellung (Übersicht 3) der beiden Rassen zeigt sich, dass der Netto-Milchpreis (ct/kg ECM) bei den Fleckviehherden im Auswertungszeitraum um ca. einen Cent höher ausfällt (34,90 ct/kg vs. 33,92 ct/kg). Dieser höhere Milchpreis lässt sich zum großen Teil durch die höheren Inhaltsstoffe erklären, zum anderen spielt auch der Milchpreisvorteil im Süden Deutschlands in 2014/15 eine Rolle. Der wichtigere Vorteil der FV-Tiere in den Leistungen liegt aber in den Nebenerlösen für Bullenkälber und Altkühe. Hier heben sich die Erlöse deutlich von denen der Holsteins ab. So brachten im Zeitraum 2014/15 allein die Fleckviehbullenkälber ca. 330 € mehr ein als die männlichen Holsteinkälber. Diesem Vorteil sind aber der höhere Zeitaufwand und die höheren sonstigen Kosten der Kälberaufzucht gegenüberzustellen.
Für einen möglichst objektiven ökonomischen Rassenvergleich darf nicht nur die reine Lebenstagsleistung (LTL) herangezogen werden. Vielmehr eignet sich eine Kennzahl, die ausdrückt, wie viel Geld pro Lebenstag übrig bleibt. Die von der LfL Bayern vor zwei Jahren eingeführte Kennzahl DirektkostenfreieLeistung je Lebenstag (vor Arbeit, Festkosten etc.) drückt dies aus. Bei dieser Kennzahl zeigt sich, dass auch eine geringere Lebenstagsleistung beim Fleckvieh zu einer wettbewerbsfähigen Direktkostenfreien Leistung je Lebenstag (DkfL) führen kann. Die Fleckviehherden weisen zwar eine niedrigere Lebenstagsleistung auf, können aber gleichzeitig mit einer höheren Direktkostenfreien Leistung (höheres Milchgeld, höhere Nebenerlöse, niedrigere Tierarztkosten) aufwarten. Daraus ergibt sich, dass die Direktkostenfreie Leistung je Lebenstag bei Fleckviehbetrieben mit 2,89 €/Tag besser ausfiel, als bei den Holsteinbetrieben mit 2,30 €/Tag. Nicht nur aus ökonomischer Sicht ist zu empfehlen, dass Holsteins eine Lebenstagsleistung von mindestens 15 kg Milch erreichen sollten, die Fleckviehkühe mindestens 14 kg.
Auf Ebene des Gewinnbeitrags zeigen die FV-Herden ebenfalls in 2014/15 ihre hohe Wettbewerbsfähigkeit, auch wenn sich im Rassenvergleich teils unterschiedliche Betriebsstrategien widerspiegeln und der ökonomische Vorteil nicht allein auf die Rasse der Kuh zurückzuführen ist. Geht man den Schritt zur Vollkostenbewertung (u.a. inkl. Arbeitskosten, Gebäude), relativiert sich das Bild zwar, aber die offensichtlich mehr aufgewendeten Stunden auf Fleckvieh-Betrieben speziell in der Kälberaufzucht werden gut entlohnt.
Was sagen uns die Ergebnisse?
Gäbe es erhebliche Vorteile einer Kuhrasse, hätte sich diese sicherlich in Deutschland zu 100% durchgesetzt. Die relativ stabilen Rasseverhältnisse in Deutschland zeigen aber, dass dem nicht so ist. Einige Kernaussagen kristallisieren sich dennoch heraus:
- Die Zweinutzungsrasse Fleckvieh bietet eine „Einkommenskombination“ im Kuhstall und erhöht zwar auf lange Sicht nicht unbedingt die Rentabilität der Milchviehhaltung, mit Sicherheit aber die Stabilität und Liquidität des Betriebs. Grundsätzlich stimmt es, dass Milchpreishochs Holstein-Phasen sind, Milchpreistiefs hingegen stark für das Fleckvieh sprechen. Die Bedeutung der Liquidität und damit der Abpufferung der Tiefpreisphasen hat in den letzten Jahren aber zugenommen. Die höheren stabilen Nebenerlöse der Zweinutzungsrasse (oder der Nutzung von Gebrauchskreuzungen) sind ein wichtiger Faktor, die Liquiditätstäler nicht so tief werden zu lassen.
- Nicht die Rasse oder die Farbe des Kuhkopfes ist jedoch der entscheidende Erfolgsfaktor für die Milchkuhhaltung. Vielmehr bestimmen das Know-how des Betriebsleiters bzw. der Herdenmanager und die betrieblichen Gegebenheiten den wirtschaftlichen Erfolg der Milchviehhaltung. Nicht nur in den Auswertungen der DLG-Spitzenbetriebe sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Betrieben wesentlich größer als zwischen den Rassen. Differenzen im ökonomischen Erfolg bis zu 1.000 €/Kuh sind die Praxis in deutschen Milchviehbetrieben – unabhängig von der Rasse!
- Offensichtlich ist der starke und überdurchschnittliche Leistungsfortschritt bei Holsteins in einigen Regionen bzw. Betrieben nicht von einem ebenbürtigen „Know-how“-Fortschritt begleitet worden. Die Probleme im Bereich Tiergesundheit scheinen bei Fleckvieh grundsätzlich kleiner als bei Holsteinherden zu sein. Ein Erklärungsansatz aus der Praxis lautet oft so, dass Fleckvieh noch nicht in so hohen Leistungsregionen agiert und „pflegeleichter im Handling ist“ – vielleicht auch, weil die Fütterung damit noch nicht so ausgeklügelt sein muss.
- Im Rückblick der letzten 10 Jahre hat das Fleckvieh es geschafft, leistungsmäßig nicht abgehängt zu werden und dennoch den „Mastvorteil“ zu bewahren. Für die Rasse Braunvieh bzw. „Brown Swiss“ gilt dies nicht in gleichem Maße. Mit zunehmender Zucht auf Milchtyp (siehe HF-Genetik) wurden die Nebenerlöse geschwächt, ohne aber in der Praxis die hohen Leistungsfortschritte der Konkurrenz mitgehen zu können. Aber auch hier beweisen viele Praktiker, die spezifischen Vorteile dieser Rasse (u.a. Nutzungsdauer, Inhaltsstoffe Milch) erfolgreich zu nutzen.
- Die Zweinutzungsrasse Fleckvieh bietet eine „Einkommenskombination“ im Kuhstall und erhöht zwar auf lange Sicht nicht unbedingt die Rentabilität der Milchviehhaltung, mit Sicherheit aber die Stabilität und Liquidität des Betriebs. Grundsätzlich stimmt es, dass Milchpreishochs Holstein-Phasen sind, Milchpreistiefs hingegen stark für das Fleckvieh sprechen. Die Bedeutung der Liquidität und damit der Abpufferung der Tiefpreisphasen hat in den letzten Jahren aber zugenommen. Die höheren stabilen Nebenerlöse der Zweinutzungsrasse (oder der Nutzung von Gebrauchskreuzungen) sind ein wichtiger Faktor, die Liquiditätstäler nicht so tief werden zu lassen.
- Nicht die Rasse oder die Farbe des Kuhkopfes ist jedoch der entscheidende Erfolgsfaktor für die Milchkuhhaltung. Vielmehr bestimmen das Know-how des Betriebsleiters bzw. der Herdenmanager und die betrieblichen Gegebenheiten den wirtschaftlichen Erfolg der Milchviehhaltung. Nicht nur in den Auswertungen der DLG-Spitzenbetriebe sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Betrieben wesentlich größer als zwischen den Rassen. Differenzen im ökonomischen Erfolg bis zu 1.000 €/Kuh sind die Praxis in deutschen Milchviehbetrieben – unabhängig von der Rasse!
- Offensichtlich ist der starke und überdurchschnittliche Leistungsfortschritt bei Holsteins in einigen Regionen bzw. Betrieben nicht von einem ebenbürtigen „Know-how“-Fortschritt begleitet worden. Die Probleme im Bereich Tiergesundheit scheinen bei Fleckvieh grundsätzlich kleiner als bei Holsteinherden zu sein. Ein Erklärungsansatz aus der Praxis lautet oft so, dass Fleckvieh noch nicht in so hohen Leistungsregionen agiert und „pflegeleichter im Handling ist“ – vielleicht auch, weil die Fütterung damit noch nicht so ausgeklügelt sein muss.
- Im Rückblick der letzten 10 Jahre hat das Fleckvieh es geschafft, leistungsmäßig nicht abgehängt zu werden und dennoch den „Mastvorteil“ zu bewahren. Für die Rasse Braunvieh bzw. „Brown Swiss“ gilt dies nicht in gleichem Maße. Mit zunehmender Zucht auf Milchtyp (siehe HF-Genetik) wurden die Nebenerlöse geschwächt, ohne aber in der Praxis die hohen Leistungsfortschritte der Konkurrenz mitgehen zu können. Aber auch hier beweisen viele Praktiker, die spezifischen Vorteile dieser Rasse (u.a. Nutzungsdauer, Inhaltsstoffe Milch) erfolgreich zu nutzen.
Nicht einfach die „Farbe“ wechseln
Den Dukatenesel unter den Rassen gibt es nicht. Fleckvieh hat aber Vorteile bei den Nebenerlösen und bestätigt seine Wettbewerbsstärke mit steigenden Milchleistungen und überdurchschnittlicher Robustheit. Die ökonomischen Unterschiede innerhalb der Rassen sind jedoch so groß, dass vor einem Rassewechsel in jedem Fall die eigenen Stärken und Schwächen im betriebseigenen gegenwärtigen System analysiert werden sollten. Denn der Wechsel der Rasse ist mehr als ein Farbenwechsel. Mit ihm muss eine grundsätzlich andere Betriebsstrategie einhergehen. In der Praxis benötigen FV-Betriebe z.B. mehr Platz und mehr Arbeit im Kälberbereich. Sie sind etwas weniger spezialisiert und konzentriert auf Hochleistung. Dafür zeigen sie aber grundsätzlich eine höhere finanzielle Stabilität.-os-