Der Fokus in der Zucht lag lange auf Milchleistung und einem Exterieur, das viel Milch „versprach“. Doch solche Kühe passen nicht zum Zuchtziel einer gesunden, langlebigen Kuh!
Die Zucht auf eine hohe Milchleistung hat in den vergangenen Jahren die Milchkühe immer größer und rahmiger werden lassen. Viele Praktiker kritisieren, dass gerade...
Der Fokus in der Zucht lag lange auf Milchleistung und einem Exterieur, das viel Milch „versprach“. Doch solche Kühe passen nicht zum Zuchtziel einer gesunden, langlebigen Kuh!
Die Zucht auf eine hohe Milchleistung hat in den vergangenen Jahren die Milchkühe immer größer und rahmiger werden lassen. Viele Praktiker kritisieren, dass gerade die großen Kühe häufiger Probleme machen, da die Stalleinrichtung ja nicht „mitwachsen“ kann. Gleichzeitig verlagert sich seit einigen Jahren der Schwerpunkt der Rinderzucht in Richtung Gesundheit und Langlebigkeit.
Wie sollte also die moderne, gesunde (Holstein-)Kuh aussehen? Haben mittelrahmige Kühe einen Vorteil oder doch die großen Tiere? Gibt es einen Zusammenhang zwischen linearen Merkmalen und funktionalen bzw. Gesundheitsmerkmalen einer Milchkuh?
Auswertung an 43.000 Kühen
Diese Fragen sollten in einer Untersuchung anhand der Exterieurdaten von 43.192 Kühen der Testherden in Mecklenburg-Vorpommern (RinderAllianz) geklärt werden. Ausgewertet wurden Diagnosen innerhalb der Laktation und Exterieurdaten von Kühen der 1. bis 3. Laktation aus den Jahren 2007 bis 2014. Die verwendeten Exterieurdaten basieren auf linearen Beschreibungen (19 Merkmale; Skala 1 bis 9) und Bewertungen (4 Merkmale nach 100-Punkte-System; Skala 65bis88), die die Klassifizierer der Zuchtverbände in der ersten Laktation vornehmen. Innerhalb der Berechnungen sind folgende Einflussfaktoren geprüft worden: Herkunftsbetrieb der Kuh, Einstufungsjahr, Einstufer, Erstkalbealter, Kalbejahr und -saison, Geburtsgewicht des Kalbes, Geschlecht des Kalbes, Milchleistung (305-Tage-Leistung), Rasse (SBT, RBT) und der Vater der Kuh. Ergebnisse:
- Das Fundament hat einen direkten Einfluss auf die Häufigkeit von Klauenerkrankungen. Kühe mit einer ausreichenden oder mangelhaften Einstufung im Fundament erkrankten 1,8-mal häufiger an den Klauen als Kühe mit einer sehr guten bis befriedigenden Einstufung im Fundament (einbezogen wurden alle Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen eines Tieres innerhalb einer Laktation).
- Werden einzelne lineare Merkmale betrachtet, wie z.B. der Klauenwinkel oder das Sprunggelenk, zeigt sich auch anhand dieser Einzelmerkmale ein Einfluss auf die Erkrankungshäufigkeit. Kühe mit einer Einstufung im Klauenwinkel oder Sprunggelenk mit einer Note von 7 bis 9 verzeichneten weniger Klauenerkrankungen als Kühe mit einer Note von 1 bis 3.
- Kühe mit einer ausreichenden oder mangelhaften Einstufung im Euter wiesen 1,6-mal häufiger eine Mastitis innerhalb der Laktation auf, als Kühe mit einer sehr guten bis befriedigenden Einstufung im Merkmalskomplex Euter. Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität in Halle (Rolfes und Swalve, 2016) bestätigen, dass die Nutzungsdauer einer Kuh stark von allen linearen Merkmalen des Euterkomplexes beeinflusst wird, wie z.B. der Strichplatzierung vorn und hinten sowie der Vordereuteraufhängung.
- Das Fundament hat einen direkten Einfluss auf die Häufigkeit von Klauenerkrankungen. Kühe mit einer ausreichenden oder mangelhaften Einstufung im Fundament erkrankten 1,8-mal häufiger an den Klauen als Kühe mit einer sehr guten bis befriedigenden Einstufung im Fundament (einbezogen wurden alle Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen eines Tieres innerhalb einer Laktation).
- Werden einzelne lineare Merkmale betrachtet, wie z.B. der Klauenwinkel oder das Sprunggelenk, zeigt sich auch anhand dieser Einzelmerkmale ein Einfluss auf die Erkrankungshäufigkeit. Kühe mit einer Einstufung im Klauenwinkel oder Sprunggelenk mit einer Note von 7 bis 9 verzeichneten weniger Klauenerkrankungen als Kühe mit einer Note von 1 bis 3.
- Kühe mit einer ausreichenden oder mangelhaften Einstufung im Euter wiesen 1,6-mal häufiger eine Mastitis innerhalb der Laktation auf, als Kühe mit einer sehr guten bis befriedigenden Einstufung im Merkmalskomplex Euter. Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität in Halle (Rolfes und Swalve, 2016) bestätigen, dass die Nutzungsdauer einer Kuh stark von allen linearen Merkmalen des Euterkomplexes beeinflusst wird, wie z.B. der Strichplatzierung vorn und hinten sowie der Vordereuteraufhängung.
Kühe mit viel Tiefe sind häufiger krank
- Es wird immer wieder unterstellt, dass Kühe mit viel Körpertiefe auch viel Futter aufnehmen, dementsprechend stoffwechselstabil sind und viel Milch geben können. In unseren Untersuchungen wurde erstmalig die Körpertiefe von über 43.000 Kühen mit ihren diagnostizierten Stoffwechselstörungen verglichen. Die Körpertiefe hatte tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von Stoffwechselerkrankungen innerhalb einer Laktation; jedoch zeigten Kühe mit mittlerer Tiefe (Note 4 bis 6) eine geringere Wahrscheinlichkeit an z.B. Milchfieber oder Ketose zu erkranken, als Kühe mit viel Tiefe. In der Tendenz hatten aufgezogene Kühe (Note 1 bis 3) die geringste Wahrscheinlichkeit einer Stoffwechselerkrankung in den ersten 30 Tagen nach dem Abkalben. Weitere Untersuchungen zur Körpertiefe in Bezug auf die Nutzungsdauer bestätigen ein ähnliches Ergebnis. Kühe mit viel Tiefe gehen früher aus dem Bestand als aufgezogene Kühe (Rolfes und Swalve, 2016).
- Der Milchtyp als Merkmalskomplex wird hauptsächlich geprägt durch den Milchcharakter einer Kuh. An sich ist der Milchcharakter ein Relikt aus den Zeiten der Zucht, als es noch keine flächendeckende Erfassung und Zuchtwertschätzung für Milchleistung gab. Der Milchcharakter war und ist Ausdruck für das Milchleistungspotenzial einer Kuh. Kühe, die während der Laktation im Milchtyp stehen, sind eher scharf und spitz, doch vor dem Abkalben stehen sie oft in (zu) guter Kondition und mobilisieren dementsprechend nach dem Abkalben (zu) viel Körpermasse.
- Es wird immer wieder unterstellt, dass Kühe mit viel Körpertiefe auch viel Futter aufnehmen, dementsprechend stoffwechselstabil sind und viel Milch geben können. In unseren Untersuchungen wurde erstmalig die Körpertiefe von über 43.000 Kühen mit ihren diagnostizierten Stoffwechselstörungen verglichen. Die Körpertiefe hatte tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von Stoffwechselerkrankungen innerhalb einer Laktation; jedoch zeigten Kühe mit mittlerer Tiefe (Note 4 bis 6) eine geringere Wahrscheinlichkeit an z.B. Milchfieber oder Ketose zu erkranken, als Kühe mit viel Tiefe. In der Tendenz hatten aufgezogene Kühe (Note 1 bis 3) die geringste Wahrscheinlichkeit einer Stoffwechselerkrankung in den ersten 30 Tagen nach dem Abkalben. Weitere Untersuchungen zur Körpertiefe in Bezug auf die Nutzungsdauer bestätigen ein ähnliches Ergebnis. Kühe mit viel Tiefe gehen früher aus dem Bestand als aufgezogene Kühe (Rolfes und Swalve, 2016).
- Der Milchtyp als Merkmalskomplex wird hauptsächlich geprägt durch den Milchcharakter einer Kuh. An sich ist der Milchcharakter ein Relikt aus den Zeiten der Zucht, als es noch keine flächendeckende Erfassung und Zuchtwertschätzung für Milchleistung gab. Der Milchcharakter war und ist Ausdruck für das Milchleistungspotenzial einer Kuh. Kühe, die während der Laktation im Milchtyp stehen, sind eher scharf und spitz, doch vor dem Abkalben stehen sie oft in (zu) guter Kondition und mobilisieren dementsprechend nach dem Abkalben (zu) viel Körpermasse.
Lässt sich daher ein Zusammenhang zwischen Milchtyp und Stoffwechselerkrankungen erkennen? In dieser Untersuchung wiesen Kühe mit einer guten oder sehr guten Einstufung im Milchtyp die höchste Wahrscheinlichkeit für eine Stoffwechselerkrankung auf (Übersicht 1). Dieses Ergebnis ist sicherlich ein Hinweis darauf, dass die Gewichtung des Merkmals Milchtyp und Milchcharakter für die Zuchtwertschätzung überdacht werden sollte.
- Die Beckenneigung und die Beckenbreite sind für die Zucht wichtige Kriterien in Bezug auf die Kalbung. Auf der Skala von 1 bis 9 wird unterschieden zwischen stark ansteigendem, leicht geneigtem bis stark abfallendem, bzw. sehr schmalem, mittlerem bis sehr breitem Becken. Interessant ist, inwieweit die Beckenneigung und die Beckenbreite einen direkten Einfluss auf den Kalbeverlauf und die Totgeburtenrate haben. Gruppiert man die Beckenneigung nach ansteigend (Note 1 bis 3), leicht geneigt (Note 4 bis 6) und abfallend (Note 7 bis 9), zeigt sich, dass Kühe mit einem ansteigenden Becken eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Totgeburt haben als Kühe mit einem abfallenden Becken. In Bezug auf die Beckenneigung und die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Kalbeverlauf, wiesen Kühe mit einem ansteigenden Becken eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für schwere Kalbungen auf (Übersicht 2). Die Beckenbreite, ebenfalls unterteilt in drei Gruppen (schmal, mittel, breit), hatte keinen signifikanten Einfluss auf Totgeburten oder Kalbeverlauf. Nur in der Tendenz lässt sich für Kühe mit einem schmalen Becken eine höhere Wahrscheinlichkeit für schwere Kalbeverläufe erkennen.
- Die Beckenneigung und die Beckenbreite sind für die Zucht wichtige Kriterien in Bezug auf die Kalbung. Auf der Skala von 1 bis 9 wird unterschieden zwischen stark ansteigendem, leicht geneigtem bis stark abfallendem, bzw. sehr schmalem, mittlerem bis sehr breitem Becken. Interessant ist, inwieweit die Beckenneigung und die Beckenbreite einen direkten Einfluss auf den Kalbeverlauf und die Totgeburtenrate haben. Gruppiert man die Beckenneigung nach ansteigend (Note 1 bis 3), leicht geneigt (Note 4 bis 6) und abfallend (Note 7 bis 9), zeigt sich, dass Kühe mit einem ansteigenden Becken eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Totgeburt haben als Kühe mit einem abfallenden Becken. In Bezug auf die Beckenneigung und die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Kalbeverlauf, wiesen Kühe mit einem ansteigenden Becken eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für schwere Kalbungen auf (Übersicht 2). Die Beckenbreite, ebenfalls unterteilt in drei Gruppen (schmal, mittel, breit), hatte keinen signifikanten Einfluss auf Totgeburten oder Kalbeverlauf. Nur in der Tendenz lässt sich für Kühe mit einem schmalen Becken eine höhere Wahrscheinlichkeit für schwere Kalbeverläufe erkennen.
Lineare Bewertung trotz Genomik
Zudem sollte die Frage geklärt werden, ob die Berechnung der Exterieurzuchtwerte noch zeitgemäß ist. In dem herkömmlichen Verfahren basiert die Exterieurbewertung auf einer linearen Beschreibung: 19 Merkmale werden auf einer Skala von 1 bis 9 bewertet. Vier zusätzliche Merkmale werden nach einem 100-Punkte-System mit einer Skala von 65 bis 88 eingestuft. Die Klassifizierer der Zuchtverbände bewerten Kühe in der ersten Laktation. Doch ist die Erfassung aller 19 linearen Merkmale und 4 Merkmalskomplexe für die Zuchtwertschätzung noch sinnvoll?
Anhand dieser Untersuchungen wird deutlich, dass auch in Zeiten der genomischen Selektion die Erfassung der linearen Merkmale für die Zucht auf eine gesunde und funktionale Milchkuh extrem wichtig ist. Allerdings ist eine Diskussion über eine neue Gewichtung mancher Merkmale und Merkmalskomplexe sowie die Notwendigkeit der Erfassung aller 19 linearen Merkmale sinnvoll.
Folgend sind die Ergebnisse dieser Untersuchung noch einmal zusammengefasst:
Abschließend ist zu sagen, dass die Exterieurmerkmale solange für die Zucht von Bedeutung sein werden, bis flächendeckend Gesundheitszuchtwerte wie z.B. Mastitis- oder Klauenzuchtwert vorhanden sind.